VG Braunschweig

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Zitieren als:
VG Braunschweig, Urteil vom 04.08.2008 - 5 A 291/07 - asyl.net: M13880
https://www.asyl.net/rsdb/M13880
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Verfahrensrecht, Reiseausweis, Gebühren, Befreiung, Ermessen, Nachschieben von Gründen, Nachholung der Ermessensausübung, Erlasslage, Bundesinnenministerium
Normen: AufenthV § 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; AufenthV § 53 Abs. 1; AufenthV § 53 Abs. 2
Auszüge:

Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides vom 15.08.2007 ist - wie der Beklagte zutreffend im Schriftsatz vom 16.07.2008 dargelegt hat - § 48 Abs. 1 Satz 1, Nr. 2 AufenthaltsV in der am 15.08.2007 gültigen Fassung. Dabei handelt es sich um die Fassung vom 01.01.2005, die bis zum 27.08.2007 Gültigkeit hatte. Danach sind Gebühren zu erheben für die Verlängerung eines Reiseausweises für Ausländer, eines Reiseausweises für Flüchtlinge oder eines Reiseausweises für Staatenlose in Höhe von 20,00 Euro.

Auch die Ermessensentscheidung des Beklagten kann im Rahmen der Überprüfungsmöglichkeit durch das Gericht nach § 114 VwGO im Ergebnis nicht beanstandet werden.

Im vorliegenden Fall hat der Beklagte eine Ermessensentscheidung getroffen, die er als Ermessensentscheidung nach § 53 Abs. 2 AufenthaltsV charakterisiert hat und erklärt § 53 Satz 1 AufenthaltsV käme nicht in Betracht. Im Schriftsatz an das Gericht hat der Beklagte ausgeführt, er hole die Erwägungen nach § 53 Satz 1 zweite Alternative AufenthaltsV nach und verweise dabei auf seine Erwägungen zu § 53 Abs. 2 AufenthaltsV. Diese Vorgehensweise ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Zum einen spricht einiges dafür, dass Fälle der vorliegenden Art, nämlich eine Gebührenerhebung nach § 48 Abs. 1 Nr. 2 AufenthaltsV wegen des tatbestandsähnlichen Charakters des ersten Satzteiles des § 53 Abs. 1 AufenthaltsV nicht unter die Ermessens- und Billigkeitsvorschrift des zweiten Satzteiles dieser Vorschrift subsumiert werden müssen. Selbst wenn man § 53 AufenthaltsV so liest, dass der Satz 1 als Tatbestandsmerkmal lediglich den Personenkreis der Ausländer nennt, die ihren Lebensunterhalt mit öffentlichen Leistungen bestreiten, der erste Satzteil für die aufgezählten Tatbestände eine zwingende Befreiung regelt und der zweite Satzteil für die anderen Gebührentatbestände die Ermäßigung bzw. das Absehen von der Erhebung, nach Ermessen normiert, der vorliegende Fall also unter § 53 Abs. 1 zu subsumieren wäre, ist doch im Ergebnis festzustellen, dass der Beklagte eine Ermessensentscheidung mit den richtigen Erwägungen getroffen hat. Auch wenn man davon ausgeht, dass § 53 Abs. 2 nicht den Personenkreis der Bezieher öffentlicher Leistungen meint, sondern einen anderen Personenkreis, sind bei verständiger Würdigung auch der oben zitierten Rechtsprechung zum unzulässigen Nachschieben von Ermessensentscheidungen im Rahmen des § 114 Satz 2 VwGO die zu Absatz 2 getroffenen Ermessenserwägungen auf die Entscheidung nach Abs. 1 zu übertragen.

Auch im Ergebnis ist die Entscheidung, die das Gericht nur im Rahmen des § 114 VwGO auf Ermessensfehler überprüfen kann, nicht zu beanstanden.

Jedoch ist die Argumentation, dass eine Gebührenbefreiung aus Billigkeitsgründen nach § 53 AufenthaltsV nicht stattfindet in Fällen, in denen das beantragte Ausweispapier nicht notwendig im Sinne eines sozialhilferechtlichen Bedarfs ist, nicht ermessensfehlerhaft.

Die von den Beteiligten zitierten Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 13.06. und 13.07.2007 sind als ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften, die die Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes sicherstellen, zu werten. Daran ändert nichts, dass sich dieses Schreiben nicht direkt mit der Gebührenerhebung nach AufenthaltsV, sondern mit den Tatbeständen über die Gebührenbefreiung nach dem Pass- und Personalausweisrecht beschäftigen. Ein Abstellen auf diese Hinweise ist als sachgerecht zu erachten.

Soweit die Kläger das Schreiben des BMI an das Innenministerium Mecklenburg-Vorpommern vom 13.06.2007 vorlegen, spricht dessen Auslegung tatsächlich dafür, dass für die Ermäßigungsvorschriften nur auf die wirtschaftliche Bedürftigkeit des antragstellenden Personenkreises abgestellt wird. Der Beklagte beruft sich demgegenüber auf das Schreiben des BMI an den deutschen Städtetag vom 13.07.2007, das auf das genannte Schreiben vom 13.06.2007 ausdrücklich Bezug nimmt und erläutert, dass neben der wirtschaftlichen Bedürftigkeit die Behörde bei der Ausstellung bzw. Verlängerung eines Reisepasses zu prüfen haben wird, ob ein Bedarf für einen Reisepass besteht und ob und ggf. wie der Passantragsteller eine Auslandsreise, für die der Pass notwendig wäre, finanzieren kann. Im Schreiben vom 13.07.2007 ist aber auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass wegen der bestehenden Ausweispflicht die Gebühren für die Ausstellung eines Personalausweises in jedem Fall zu erlassen seien, sofern der Antragsteller Leistungsempfänger nach SGB XII oder SGB II sei.

Dieser Unterscheidung entsprechend hat der Beklagte im angefochtenen Bescheid (am Ende) darauf hingewiesen, dass es zur Erfüllung der Passpflicht aus § 3 AufenthG ausreicht, wenn die Ausländer über Ausweisdokumente nach § 48 Abs. 2 AufenthG verfügen. Gem. § 48 Abs. 2 AufenthG genügt ein Ausländer der Ausweispflicht mit der Bescheinigung über einen Aufenthaltstitel, wenn sie mit den Angaben zur Person und einem Lichtbild versehen und als Ausweisersatz versehen sind. Die Kläger verfügen über Aufenthaltserlaubnisse dieser Art. Diese Möglichkeit hat der Beklagte nach unwidersprochenem Vorbringen den Klägern auch erklärt.

In Übertragung der Schreiben des BMI hat er, nachdem durch die Regelung des § 48 Abs. 2 AufenthG klargestellt ist, dass der Reiseausweis für Ausländer im vorliegenden Fall dem Reisepass und nicht dem Personalausweis gleichzustellen ist, im Rahmen seiner Ermessensentscheidung geprüft, ob die Kläger einen Bedarf für Reisepässe dargelegt haben und ausgeführt, dass die Kläger aufgrund des Bezugs von Leistungen nach AsylbLG nicht in der Lage sein dürften, Auslandsreisen zu finanzieren. Die Kläger haben auch nach der Einführung des Schreibens des BMI vom 13.07.2007 in das vorliegende Verfahren nichts dafür vorgetragen, dass für sie der Bedarf für die Reiseausweise für Ausländer in besonderem Maße besteht.