SG Osnabrück

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Zitieren als:
SG Osnabrück, Beschluss vom 21.08.2008 - S 16 AY 37/08 ER - asyl.net: M13873
https://www.asyl.net/rsdb/M13873
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Asylbewerberleistungsgesetz, Aufenthaltsdauer, Rechtsmissbrauch, Ursächlichkeit, Mitwirkungspflichten, Passbeschaffung, Passersatzbeschaffung, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren)
Normen: AsylbLG § 2 Abs. 1; SGG § 86b Abs. 2
Auszüge:

Nach § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.

1. Der Anordnungsanspruch ergibt sich aus § 2 AsylbLG.

b) Die Antragsteller zu 1.) bis 3.) haben bezogen auf den hier streitigen Zeitraum ab dem 12.06.2008 die Dauer ihres Aufenthalts in der Bundesrepublik nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst.

Eine rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Aufenthaltsdauer setzt dabei zunächst ein subjektiv vorwerfbares Verhalten des Ausländers voraus (vgl. BSG, Urteil vom 08.02.2007, Az: B 9 b AY 1/06 R LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 14.07.2007, Az.: L 11 AY 68/08 ER, so wohl auch: BSG, Urteil vom 17.06.2008. Az.: 8/9b AY 1/07 R). Ein solches Verhalten ist in der Angabe einer falschen Identität grundsätzlich zu sehen, soweit dies vorsätzlich erfolgt, wovon im vorliegenden Fall auszugehen ist.

Die Voraussetzungen, die an die Auswirkung dieses Verhaltens auf den Aufenthalt der Antragsteller zu stellen sind, wurden jedoch nicht erfüllt. Diesbezüglich vertritt die Kammer - zumindest derzeit noch - mit dem 11. Senat des LSG Niedersachsen-Bremen, dass das vorwerfbare Verhalten sich kausal in den streitgegenständlichen Zeitraum ausgewirkt haben muss (dazu unter aa). Dies ist hier nicht der Fall (dazu unter bb).

aa) Das rechtsmissbräuchliche Verhalten muss in den jeweiligen streitgegenständlichen Zeitraum fortwirken.

Zu dieser Frage der Kausalität hat der nunmehr für die Leistungen nach dem AsylbLG nicht mehr zuständige 7. Senat des LSG Niedersachsen-Bremen zunächst die Ansicht vertreten, dass es für die Beurteilung der rechtsmissbräuchlichen Beeinflussung der Dauer des Aufenthaltes darauf ankomme, ob das rechtsmissbräuchliche Verhalten generell geeignet sei, die Dauer des Aufenthalts zu beeinflussen, und zwar unabhängig davon, ob sich die Verlängerung des Aufenthalts bereits realisiert hat oder der kausale Zusammenhang dadurch weggefallen ist, dass zwischen dem rechtsmissbräuchlichen Verhalten und dem Leistungsantrag die Abschiebung vorübergehend ausgesetzt worden ist (sog. "abstrakte Betrachtungsweise", vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 16.10.2007, Az.: L 11 AY 28/05).

Dem ist der nunmehr zuständige 11. Senat des LSG entgegengetreten. Dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG, wonach der Ausländer die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben darf, sei zwingend zu entnehmen, dass nur rechtsmissbräuchliches Verhalten relevant sein könne, das sich auf die Dauer des Aufenthaltes kausal ausgewirkt habe. Danach komme es darauf an, ob sich das rechtsmissbräuchliche Verhalten des Asylbewerbers im Einzelfall konkret und kausal verlängernd auf die Dauer des Aufenthalts in der Bundesrepublik ausgewirkt habe. Nur wenn ein solcher Zusammenhang mit der notwendigen richterlichen Überzeugungsbildung im Einzelfall festgestellt werden könne, könne sich das aufenthaltsverlängernde, rechtsmissbräuchliche Verhalten auch leistungseinschränkend auswirken (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 16.10.2007, Az.: L 11 AY 55/07).

Nach den Medieninformationen zu urteilen hat das BSG in seinen Entscheidungen vom 17.06.2008 nunmehr wohl grundsätzlich eine abstrakte Betrachtungsweise zugrunde gelegt, diesbezüglich aber wohl bereits eine Ausnahme zugelassen. In der Medieninformation zum Verfahren 8/9b AY 1/07 R wurde ausgeführt, dass zur Anerkennung eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens nicht feststehen müsse, dass die Kläger das Land zu einem früheren Zeitpunkt verlassen hätten; es genüge vielmehr die generelle Eignung des Fehlverhaltens zur Beeinflussung der Aufenthaltsdauer. Eine Beeinflussung der Aufenthaltsdauer liege jedoch ausnahmsweise dann nicht vor, wenn die Kläger auch ohne das Fehlverhalten in der gesamten Zeit nicht hätten abgeschoben werden können (vgl. BSG, Medieninformation 25/08 zum Urteil vom 17.06.2008, Az.: 8/9b AY 1/07 R).

In Kenntnis dieser Information hat das LSG in einem Beschluss vom 14.07.2008 ausgeführt, der Senat halte zunächst an der bisherigen Rechtsprechung fest. Aufgrund der Medieninformation Nr. 30/08 zu den Entscheidungen des BSG vom 17.06.2008 lasse sich ohne Kenntnis der vollständig abgesetzten Urteilsgründe noch nicht hinreichend sicher feststellen, welche Kausalitätsmaßstäbe das BSG zugrunde legen werde (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 14.07.2008; Az.: L 11 AY 68/08 ER). Dem schließt sich die Kammer an.

bb) Danach müsste sich die Falschangabe noch in den derzeitigen Zeitraum fortwirken. Dies ist deshalb nicht der Fall, da auch mit den richtigen Namen eine Abschiebung der Antragsteller zu 1) bis 3) bislang nicht möglich war.