Es besteht ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Aufhebung eines bestandskräftigen Widerrufs der Flüchtlingsanerkennung im Wege des freien Wiederaufgreifens gem. § 51 Abs. 5 i.V.m. §§ 48 Abs. 1, 49 Abs. 1 VwVfG; der derzeitige Entscheidungsstopp in Widerrufsverfahren iraksicher Staatsangehöriger rechtfertigt zwar nicht die Annahme einer Änderung der Sach- oder Rechtslage, die einen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens gem. § 51 Abs. 1 VwVfG rechtfertigen würde, ist aber im Rahmen der Ermessensentscheidung über eine Aufhebung des Widerrufs gem § 51 Abs. 5 VwGO zu berücksichtigen.
Es besteht ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Aufhebung eines bestandskräftigen Widerrufs der Flüchtlingsanerkennung im Wege des freien Wiederaufgreifens gem. § 51 Abs. 5 i.V.m. §§ 48 Abs. 1, 49 Abs. 1 VwVfG; der derzeitige Entscheidungsstopp in Widerrufsverfahren iraksicher Staatsangehöriger rechtfertigt zwar nicht die Annahme einer Änderung der Sach- oder Rechtslage, die einen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens gem. § 51 Abs. 1 VwVfG rechtfertigen würde, ist aber im Rahmen der Ermessensentscheidung über eine Aufhebung des Widerrufs gem § 51 Abs. 5 VwGO zu berücksichtigen.
(Leitsatz der Redaktion)
Die Klage ist zulässig und gemäß § 113 Abs. 5 VwGO z.T begründet, soweit der Kläger eine Verpflichtung der Beklagten zur Aufhebung des Widerrufsbescheides des Bundesamtes (Bescheid vom 5. Juli 2004) hinsichtlich der dortigen eigentlichen Wiederrufsentscheidung (Ziffer 1) begehrt. Eine Aufhebung des Widerrufsbescheides hatte der Kläger mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 15. Oktober 2007 bei der Beklagten ausdrücklich beantragt. Über diesen Antrag hat das Bundesamt, was zumindest Ziffer 1) der Entscheidung in dem Bescheid vom 5. Juli 2004 betrifft, bis zum heutigen Tage nicht entschieden. Vielmehr hat es mit dem seither nur ergangenen angefochtenen Bescheid vom 7. November 2007 ausschließlich den vom Kläger persönlich am 17. Oktober 2007 auch noch gestellten Asylfolgeantrag beschieden. Damit liegen insoweit die Voraussetzungen des § 75 VwGO (Untätigkeitsklage) vor, da seit der Antragstellung mehr als drei Monate verstrichen und keine zureichenden Gründe dafür ersichtlich sind, dass weiterhin eine Entscheidung über das Aufhebungsbegehren nicht erfolgt ist.
Der mit Schriftsatz vom 15. Oktober 2007 gestellte Aufhebungsantrag ist verfahrensrechtlich in erster Linie als Antrag zu interpretieren, im Wege des (zwingenden) Wiederaufgreifens des Verfahrens gemäß § 51 Abs. 1 VwVfG zu entscheiden, dass die mit Bescheid vom 10. Dezember 2001 getroffene Feststellung, die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 des Ausländergesetzes (AuslG) lägen vor, nicht zu widerrufen, die Widerrufsentscheidung also aufzuheben sei. Insoweit ist das Antrags- und somit auch das daran anknüpfende Klagebegehren allerdings unbegründet, weil sich seit der Widerrufsentscheidung (was allein in Betracht zu ziehen ist) weder die ihr zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage zugunsten des Klägers geändert hat (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG) noch inzwischen neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Kläger günstigere Entscheidung darüber, ob die bestandskräftig gewordene Feststellung zu § 51 Abs. 1 AuslG aufrecht zu erhalten oder aber zu widerrufen sei, herbeigeführt haben würde (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG).
Das Bundesamt hatte die Flüchtlingsanerkennung (Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG) widerrufen, weil es davon ausgegangen war, dass dem Kläger nach dem Sturz des Regimes Saddam Husseins von Seiten des irakischen Staates keine politische Verfolgung mehr drohe. Die Verhältnisse im Irak haben sich zwischenzeitlich nicht erneut dahingehend geändert, dass eine solche Gefahr wieder bestehen könnte.
Schließlich stellt auch der vom Kläger in seinem Antragsschreiben vom 15. Oktober 2007 ausdrücklich geltend gemachte Umstand, dass nach der derzeitigen Entscheidungspraxis des Bundesamtes ein Widerruf der früheren Anerkennung irakischer Staatsangehöriger als Flüchtlinge in bestimmten Fällen z.Zt. nicht stattfindet, keine gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG zum Wiederaufgreifen des im Falle des Klägers mit Bescheid des Bundesamtes vom 5. Juli 2004 abgeschlossenen Widerrufsverfahrens zwingend Anlass gebende Änderung der Sach- oder Rechtslage dar. Diesen Gesichtspunkt aufgreifend hat bereits das Bundesamt in dem angefochtenen Bescheid vom 7. November 2007 ausgeführt, die Entscheidung über den Widerruf der asylrechtlichen Begünstigung des von dem Verfahrensbevollmächtigten des Klägers bezeichneten Personenkreises sei derzeit lediglich ausgesetzt. Hieraus könne nicht geschlossen werden, dass sich die Sachlage für die in dem entsprechenden Erlass des Bundesinnenministeriums [genannten] Personen tatsächlich derart verschlechtert habe, dass nunmehr weiterhin vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG auszugehen sei. Durch die verfügte Vorgehensweise solle lediglich sichergestellt werden, dass in noch anhängigen Widerrufsverfahren zunächst keine Entscheidung ergehe, damit die Lagte im Irak weiter beobachtet und ggf. neu beurteilt werden könne. Die Voraussetzungen einer Sachlageänderung zugunsten des Ausländers seien hierdurch nicht geschaffen worden. Dies wäre nur dann der Fall, wenn mittlerweile feststünde, dass sich die Lage derart verschlechtert habe, dass dem Ausländer eine Rückkehr dorthin keinesfalls zugemutet werden könne. Eine solche Feststellung lasse sich momentan jedoch nicht treffen.
Diese Ausführungen lassen erkennen, dass die derzeitige Entscheidungspraxis des Bundesamts im Hinblick auf den Widerruf von Flüchtlingsanerkennungen bei irakischen Staatsangehörigen, auf die sich der Kläger beruft, ausschließlich auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruht und demgemäß nicht einer etwaigen Änderung der nach Maßgabe des § 73 AsylVfG rechtlich zwingenden Widerrufsvoraussetzungen (also etwa einer entscheidungserheblichen Änderung der Sach- oder Rechtslage) geschuldet ist.
Liegen nach alledem in bezug auf die Widerrufsentscheidung in dem Bescheid des Bundesamtes vom 5. Juli 2004 die Voraussetzungen eines Wiederaufgreifen des Verfahrens gemäß § 51 Abs. 1 VwVfG nicht vor, so kann die Beklagte auch nicht gemäß § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu einem solchen Wiederaufgreifen und damit erst recht nicht im Sinne eines sog. "Durchentscheidens" zugleich zu einer anschließenden Aufhebung der Widerrufsentscheidung verpflichtet werden.
Indessen ist in dem Aufhebungsantrag des Klägers sach- und interessengerechterweise auch der als gleichsam hilfsweise gestellt anzusehende weitere Antrag zu erblicken, das Bundesamt möge zumindest eine Entscheidung darüber treffen, ob nicht die Widerrufsentscheidung ungeachtet des Nichtvorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 VwVfG zumindest gemäß § 51 Abs. 5 i.V.m. §§ 48 Abs. 1 Satz 1, 49 Abs. 1 VwVfG aufgehoben werde. Diese Entscheidung liegt im Ermessen des Bundesamtes, wobei sich aus den genannten Vorschriften wie auch aus allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsätzen ergibt, dass dem Kläger - wenngleich also kein Anspruch auf die begehrte Aufhebung an sich - ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung hierüber zustehen muss. Auch eine solche Ermessensentscheidung hat das Bundesamt bisher nicht getroffen. Weil es sich um eine Ermessensentscheidung handeln würde, ist die Sache insoweit noch nicht imn Sinne des § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO spruchreif und somit die Beklagte nach § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO lediglich zu einer Bescheidung des Klägers zu verpflichten.
Dabei wird die Beklagte u.a. zu erwägen haben, ob die Gründe, die sie in anderen Fällen derzeit zur Aussetzung schon anhängiger Widerrufsverfahren oder sogar zur Nichteinleitung solcher Widerrufsverfahren veranlassen, es nicht auch gerechtfertigt erscheinen lassen könnten, in einem Einzelfall wie dem vorliegenden einen bereits bestandskräftig gewordenen Widerruf - ggf. auch aufgrund besonderer persönlicher Verhältnisse wie der Grades der Integration und dergleichen mehr - zurückzunehmen oder zu widerrufen. Ein weiterer Anlass zu einer solchen Entscheidung könnte sein, dass die konkreten rechtlichen Widerrufsvoraussetzungen seit der Geltung der sog. "Qualifikationsrichtlinie" nicht mehr als vollständig geklärt angesehen werden können und dass deswegen inzwischen von Seiten des Bundesverwaltungsgerichtes der Europäische Gerichtshof angerufen worden ist, von dessen Entscheidung es nun letztlich abhängen wird, ob der Widerruf der Flüchtlingsanerkennung im Falle des Klägers auch nach europarechtlichen Maßstägen zu Recht erfolgt war. Über diese mögliche Wiederaufgreifensgründe hat jedoch allein die Beklagte zu entscheiden, wobei von ihr die hier aufgezeigten, nach der Rechtsauffassung des Gerichts u.a. beachtlichen, Ermessensgesichtspunkte lediglich mitzuberücksichtigen sind.