OVG Berlin-Brandenburg

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Zitieren als:
OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.04.2008 - 2 S 118/07 - asyl.net: M13817
https://www.asyl.net/rsdb/M13817
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Ehegattennachzug, Visum nach Einreise, Anspruch, Aufenthaltserlaubnis, Eheschließung, Eheschließung im Ausland, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), Suspensiveffekt, Interessenabwägung, Schutz von Ehe und Familie
Normen: VwGO § 80 Abs. 5; AufenthV § 39 Nr. 3; AufenthG § 28 Abs. 1; AufenthG § 30 Abs. 1; GG Art. 6 Abs. 1
Auszüge:

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts hat keinen Erfolg. Die dargelegten Gründe, auf deren Überprüfung das Oberverwaltungsgericht beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen im Ergebnis keine Änderung der angefochtenen Entscheidung.

Bei der gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage teilt der beschließende Senat nicht die Ansicht des Antragsgegners, dass der angefochtene Bescheid offensichtlich rechtmäßig sei, also die von der Antragstellerin erhobene Klage abweichend von der Bewertung des Verwaltungsgerichtes offensichtlich erfolglos bleiben wird. Ob die Antragstellerin nach § 39 Nr. 3 AufenthV die begehrte Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet einholen kann, hängt im Kern davon ab, ob im Hinblick auf die in Dänemark erfolgte Eheschließung mit einem Deutschen die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach §§ 27 Abs. 1, 28 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG nach der Einreise entstanden sind. Entscheidungserheblich ist damit die ungeklärte schwierige Rechtsfrage, ob die maßgebliche Einreise im Sinne von § 39 Nr. 3 AufenthV die (zeitlich erste) Einreise in den Schengen-Raum ist (so Benassi, InfAuslR 2008, S. 127; vgl. zum Begriff der ersten Einreise im Sinne von Art. 20 Abs. 1 SDÜ auch EuGH, Urteil vom 3. Oktober 2006, EuGHE I 2006, 9627) oder ob - wie der Antragsgegner vorträgt - auf die nach der Eheschließung im Schengen-Vertragsstaat Dänemark erfolgte erneute Einreise in das Bundesgebiet abzustellen ist. Diese Rechtsfrage, bewertet der Senat nach den Erkennntismöglichkeiten des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens als offen. Für die vom Antragsgegner dargelegte Auslegung enthalten die Gesetzesmaterialien (insbesondere BT-Drs. 16/5065 S. 240) Anhaltspunkte. Dort wird die Fallkonstellation des Familiennachzugs nach der Heirat eines Deutschen in Dänemark ausdrücklich angesprochen, was auf die Absicht der Verordnungsverfasser hindeutet, durch die Änderung des § 39 Nr. 3 AufenthV dessen Anwendung bei Eheschließungen in einem Staat, der Schengenvertragspartei ist, entfallen zu lassen. Aber auch für die gegenteilige Auslegung, wonach § 39 Nr. 3 AufenthV auf die Einreise vom Drittstaat in den Schengen-Raum abstellt und damit die Rückkehr der Antragstellerin aus Dänemark ins Bundesgebiet nicht als Einreise im Sinne der Norm zu qualifizieren wäre, lassen sich Argumente anführen (vgl. dazu Benassi, InfAuslR 2008, S. 127). In § 39 Nr. 3 AufenthG wird der Begriff der Einreise im Zusammenhang mit dem europarechtlich geprägten Begriff des Schengen-Visums für kurzfristige Aufenthalte gebraucht. Vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften wird der Begriff der ersten Einreise im Sinne von Art. 20 Abs. 1 des Schengener Durchführungsabkommens (SDÜ) als zeitlich erste Einreise in den Schengen-Raum verstanden (vgl. EuGH, Urteil vom 3. Oktober 2006, EuGHE I 2006, S. 9627). Es bedarf daher einer näheren Klärung dieser Frage im anhängigen Hauptsacheverfahren.

Ist damit der Ausgang der Klage in der Hauptsache offen, bedarf es einer von der Einschätzung der Erfolgsaussichten der Klage unabhängigen Interessensabwägung. Diese führt zu der vom Verwaltungsgericht ausgesprochenen Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage. Das öffentliche Interesse an der Ausreise und bzw. Abschiebung der Antragstellerin bleibt hier hinter dem Suspensivinteresse der Antragstellerin zurück. Eine Vollziehung des angefochtenen Bescheides hätte zur Folge, dass die Antragstellerin für die Dauer des Hauptsacheverfahrens von ihrem Ehemann getrennt würde, mit dem sie ausweislich der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung eine unter dem Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG fallende eheliche Lebensgemeinschaft hergestellt hat, obwohl jedenfalls nicht ausgeschlossen ist, dass sie einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug vom Bundesgebiet aus hat.