VGH Bayern

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Zitieren als:
VGH Bayern, Beschluss vom 20.08.2003 - 10 ZB 03.1598 - asyl.net: M13802
https://www.asyl.net/rsdb/M13802
Leitsatz:

Die Voraussetzungen der nachträglichen zeitlichen Befristung einer zur Führung der ehelichen Lebensgemeinschaft erteilten Aufenthaltserlaubnis sind erfüllt, da davon ausgegangen werden kann, dass die eheliche Lebensgemeinschaft auf unabsehbare Dauer beendet wurde.

(Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: D (A), Aufenthaltserlaubnis, Familienzusammenführung, Ehegattennachzug, Schutz von Ehe und Familie, eheliche Lebensgemeinschaft, Untertauchen
Normen: AuslG § 12 Abs. 2; AuslG § 17 Abs. 1; AuslG § 23 Abs. 1 Nr. 1
Auszüge:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayer. Verwaltungsgerichts Würzburg vom 24. April 2003 wird abgelehnt, weil die Voraussetzungen der geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 124 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 VwGO) nicht vorliegen.

1. Das Vorbringen im Zulassungsantrag gibt keinen Anlass zu ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Mit dem Verwaltungsgericht ist der Senat der Auffassung, dass die Voraussetzungen für eine derartige nachträgliche zeitliche Befristung der der Klägerin zur Führung der ehelichen Lebensgemeinschaft mit ihrem deutschen Ehemann erteilten Aufenthaltserlaubnis im vorliegenden Fall gegeben sind, weil die eheliche Lebensgemeinschaft zwischen der Klägerin und ihrem deutschen Ehemann ab Ende (...) vom Ehemann der Klägerin auf unabsehbare Dauer beendet worden ist (§ 12 Abs. 2 Satz 2 AuslG i.V.m. §§ 17 Abs. 1, 23 Abs. 1 Nr. 1 AuslG).

Ausgehend davon, dass eine eheliche Lebensgemeinschaft im o.g. Sinn grundsätzlich nur dann vorliegt, wenn der Ausländer und sein Ehegatte erkennbar in einer dauerhaften, durch enge Verbundenheit und gegenseitigem Beistand geprägten Beziehung zusammenleben oder zusammenleben wollen und die engen persönlichen Beziehungen innerhalb dieser Beistandsgemeinschaft sich durch einen Mindestbestand von für eine Lebensgemeinschaft typischen Gemeinsamkeiten, wie durch das Vorliegen eines gemeinsamen Lebensmittelpunktes, manifestieren (vgl. hierzu Igstadt in GK-AuslR, RdNr. 46 zu § 18), kann ausnahmsweise bei getrennt voneinander lebenden Ehegatten, die den gemeinsamen Lebensmittelpunkt aufgegeben haben, nur bei Vorliegen besonderer Voraussetzungen von einer bestehenden ehelichen Lebensgemeinschaft ausgegangen werden. Maßgebend für den verfassungsrechtlichen Schutz, den Art. 6 Abs. 1 GG gewährt, ist, dass neben der durch die Eheschließung begründeten rechtlichen Verbindung zwischen den Ehegatten eine tatsächliche Verbundenheit besteht, damit sie in der Ehe und Familie die Lebenshilfe erfahren können, die von der Verfassung als Grundfunktion dieser Institute vorgesehen ist (vgl. BVerfG vom 12.5.1987 BVerfGE 76, 1/51). Wenn der grundsätzlich erforderliche gemeinsame Lebensmittelpunkt der Eheleute, im Regelfall also eine einzige gemeinsame Wohnung, in der die Eheleute in häuslicher Gemeinschaft zusammenleben, fehlt, muss eine vom Willen beider Ehepartner getragene, auf einem gemeinsamen Lebensentwurf und dem Willen zur umfassenden gegenseitigen Beistandsleistung beruhende enge persönliche Beziehung, die über einen längeren Zeitraum hinweg im Gesamtverhalten der Eheleute erkennbar werden muss, vorhanden sein. Das Leben der Ehepartner in getrennten Wohnungen verursacht einen erhöhten Erklärungsbedarf dafür, dass trotz dieser ungewöhnlichen Lebensgestaltung eine eheliche Lebensgemeinschaft vorliegt.

Die Klägerin hat im Zulassungsverfahren die gegen das Vorliegen einer ehelichen Lebensgemeinschaft zwischen ihr und ihrem deutschen Ehemann sprechenden Argumente des Verwaltungsgerichts nicht zu widerlegen vermocht. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die eheliche Lebensgemeinschaft durch das Untertauchen des Ehemannes seit etwa Juni 2002 nicht mehr bestehe, kein gemeinsamer Lebensmittelpunkt sowie eine häusliche Gemeinschaft aufrechterhalten werde und keine verifizierbaren Anhaltspunkte dafür vorhanden seien, dass die Ehegatten miteinander intensiven persönlichen Kontakt pflegten.