VG Meiningen

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Zitieren als:
VG Meiningen, Beschluss vom 16.06.2008 - 2 E 266/08 Me - asyl.net: M13758
https://www.asyl.net/rsdb/M13758
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Verfahrensrecht, Abschiebungshindernis, inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse, Zuständigkeit, örtliche Zuständigkeit, Zentrale Abschiebestelle, Abschiebung, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), einstweilige Anordnung
Normen: VwGO § 123; AufenthG § 71 Abs. 1 S. 2; ThZustVo § 2 Abs. 2; AufenthG § 60a Abs. 2
Auszüge:

Der Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO, sinngemäß mit dem Ziel, dem Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung vorläufig zu untersagen, den Antragsteller abzuschieben, bleibt ohne Erfolg.

1. Richtiger Antragsgegner für den auf die Untersagung der Abschiebung gerichteten Antrag ist der Freistaat Thüringen (Zentrale Abschiebestelle beim Landesverwaltungsamt), gegen den der Antrag nunmehr auch ausdrücklich mit Schriftsatz des Antragstellerbevollmächtigten vom 30.05.2008 gerichtet wurde.

§ 2 Abs. 2 der Thüringer Verordnung zur Bestimmung von Zuständigkeiten im Geschäftsbereich des Innenministeriums vom 15.04.2008 (GVBl. S. 102) regelt, dass für die Aufgabe der Abschiebung von Ausländern nach § 71 Abs. 1 Satz 2 AufenthG die Zentrale Abschiebestelle beim Landesverwaltungsamt zuständig ist. Hiermit macht die Landesregierung von der Ermächtigung des § 71 Abs. 1 Satz 2 AufenthG Gebrauch, wonach die Landesregierung oder die von ihr bestimmte Stelle bestimmen kann, dass für einzelne Aufgaben nur eine oder mehrere bestimmte Ausländerbehörden zuständig sind.

a) Die Landesregierung hat in § 2 Abs. 2 der Verordnung mit der Bestimmung der Zentralen Abschiebestelle beim Landesverwaltungsamt als zentrale Abschiebebehörde für den gesamten Freistaat von der Ermächtigung des § 71 Abs. 1 Satz 2 AufenthG wirksam Gebrauch gemacht. Die Zentrale Abschiebestelle konnte als zuständige Ausländerbehörde bestimmt werden. Zwar legt es die Wortwahl des Satzes 2 des § 71 Abs. 1 AufenthG und seine auf den vorhergehenden Satz 1 folgende Stellung nahe, dass die Ermächtigung, bestimmte Zuständigkeiten auf "eine oder mehrere bestimmte Ausländerbehörden" zu konzentrieren, auf "die Ausländerbehörden" bezogen ist, die in § 71 Abs. 1 Satz 1 AufenthG angesprochen werden; diese sind nach § 2 Abs. 1 der Verordnung die Landkreise und kreisfreien Städte im übertragenen Wirkungskreis, wozu die Zentrale Abschiebestelle des Landesverwaltungsamtes nicht zählt. Die Regelung des 71 Abs. 1 Satz 2 AufenthG lässt sich jedoch unproblematisch auch so lesen, dass für einzelne Aufgaben eine oder mehrere bestimmte Behörden als Ausländerbehörden für zuständig erklärt werden können. Diese Lesart erscheint insbesondere vor dem Hintergrund geboten, dass die Ermächtigung typischerweise im Hinblick auf eine zentrale Abschiebebehörde für ein gesamtes Bundesland praktisch wird, als welche kaum eine generell sachlich für alle aufenthalts- und passrechtlichen Maßnahmen zuständige Ausländerbehörde in Betracht kommt.

b) Die Zentrale Abschiebestelle beim Landesverwaltungsamt ist hinsichtlich Abschiebungsmaßnahmen die zuständige Ausländerbehörde, da in § 2 Abs. 2 der Verordnung die Aufgabe der Abschiebung von Ausländern der Zentralen Abschiebestelle nach § 71 Abs. 1 Satz 2 AufenthG übertragen wird. Diese Regelung betrifft ausdrücklich die Bestimmung der zuständigen Ausländerbehörde für bestimmte Aufgaben. Der Zentralen Abschiebestelle ist hiermit – entgegen der Ansicht des Antragsgegners – nicht lediglich etwa nur die Organisation der Reise übertragen worden, ohne dass damit ausländerrechtliche Kompetenzen verbunden wären. Es ist mit dem klaren Wortlaut der Verordnung nicht zu vereinbaren, die Aufgabenübertragung auf die Zentrale Abschiebestelle lediglich i.S. einer Amtshilfe für die generell zuständigen Ausländerbehörden zu verstehen. Mit der Zuständigkeit der Zentralen Abschiebestelle als für die Aufgabe der Abschiebung von Ausländern bestimmte Ausländerbehörde ist die Zentrale Abschiebestelle – soweit es um Abschiebungsmaßnahmen geht – die zuständige Behörde und damit passivlegitimiert im gerichtlichen Verfahren. Wie die Zuständigkeit der Zentralen Abschiebestelle bisher verstanden wurde, ist dabei nicht von Belang.

c) Es erscheint auch im Sinne der Gewährung effektiven Rechtsschutzes als sinnvoll, die Aufgabenübertragung auf die Zentrale Abschiebestelle, wie sie in § 2 Abs. 2 der Verordnung vom 15.04.2008 vorgenommen wurde, als eine Bestimmung der Zuständigkeit zu verstehen, die in der Konsequenz zur Passivlegitimation der Zentralen Abschiebestelle im gerichtlichen Verfahren führt. Denn soweit der Ausländer gegen Maßnahmen der Abschiebung Rechtsschutz sucht, beantragt er diesen typischerweise im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes; dem Gericht bleibt oft nur wenig Zeit, bis die Entscheidung getroffen werden muss. Mit der Zentralen Abschiebestelle ist die mit den Abschiebungsmaßnahmen unmittelbar betraute Behörde am gerichtlichen Verfahren beteiligt: der "Umweg" über die ansonsten zuständige Ausländerbehörde wird vermieden. Freilich werden diese und die Zentrale Abschiebestelle Rücksprache halten müssen. Dies war aber auch schon bislang notwendige Praxis.

2. Der gegen den richtigen Antragsgegner gerichtete Antrag hat aber in der Sache keinen Erfolg.