VGH Baden-Württemberg

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Zitieren als:
VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 30.06.2008 - 11 S 1268/08 - asyl.net: M13702
https://www.asyl.net/rsdb/M13702
Leitsatz:

Wird für ein im Bundesgebiet geborenes Kind, dessen Mutter oder Vater sich aufgrund der Fiktion nach § 81 Abs. 3 Satz 1 oder § 81 Abs. 4 AufenthG im Bundesgebiet aufhalten darf, innerhalb von sechs Monaten nach der Geburt ein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gestellt, dann löst dieser Antrag die Erlaubnisfiktion des § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG aus.

 

Schlagwörter: D (A), vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), Suspensiveffekt, Aufenthaltserlaubnis, Verlängerungsantrag, Antrag, Fortgeltungsfiktion, Erlaubnisfiktion, rechtmäßiger Aufenthalt, in Deutschland geborene Kinder, Geburt im Bundesgebiet
Normen: VwGO § 80 Abs. 5; AufenthG § 81 Abs. 4; AufenthG § 81 Abs. 3; AufenthG § 33
Auszüge:

Wird für ein im Bundesgebiet geborenes Kind, dessen Mutter oder Vater sich aufgrund der Fiktion nach § 81 Abs. 3 Satz 1 oder § 81 Abs. 4 AufenthG im Bundesgebiet aufhalten darf, innerhalb von sechs Monaten nach der Geburt ein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gestellt, dann löst dieser Antrag die Erlaubnisfiktion des § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG aus.

(Amtlicher Leitsatz)

 

Die Beschwerden der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 17.04.2008 sind zulässig (vgl. §§ 146, 147 VwGO) und begründet. Der Senat misst bei der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu treffenden eigenständigen Interessenabwägung dem privaten Interesse der Antragsteller, vorläufig vom Vollzug der angefochtenen Verfügung vom 31.10.2007 verschont zu bleiben, größere Bedeutung zu als dem öffentlichen Interesse an ihrer sofortigen Ausreise.

1. Gegen die Statthaftigkeit insbesondere des Antrags des Antragstellers zu 3 gemäß § 80 Abs. 5 VwGO (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 20.11.2007 - 11 S 2364/07 - InfAuslR 2008, 81) bestehen entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts keine Bedenken. Die Anträge der Antragsteller zu 1 und 2 vom 25.10.2005 auf Verlängerung der ihnen mit Geltung bis 26.10.2005 erteilten Aufenthaltserlaubnisse haben die Fortgeltungsfiktion des § 81 Abs. 4 AufenthG ausgelöst. Bezüglich des am 08.08.2007 geborenen Antragstellers zu 3 liegt ein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vor, der die Erlaubnisfiktion des § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ausgelöst hat. Mit Schriftsatz vom 15.05.2007 beantragte die Antragstellerin zu 1 noch einmal die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen für ihre Familie und wies darauf hin, dass sie in der 23. Woche schwanger sei. Am 11.09.2007 gab sie sodann dem Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis die Geburt ihres zweiten Kindes in Heidelberg bekannt; am 26.09.2007 reichte sie dessen Abstammungsurkunde nach. Damit wurde für den Antragsteller zu 3 am 11.09.2007 hinreichend deutlich ein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gestellt. Dies wurde vom Landratsamt auch so verstanden, wie die ausdrückliche Ablehnung des Antrags im angefochtenen Bescheid vom 31.10.2007 zeigt.

Dieser Antrag löste die Erlaubnisfiktion des § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG aus, denn der Aufenthalt des Antragstellers zu 3 war im Zeitpunkt der Antragstellung rechtmäßig. Gemäß § 33 Satz 3 AufenthG gilt der Aufenthalt eines im Bundesgebiet geborenen Kindes, dessen Mutter oder Vater zum Zeitpunkt der Geburt im Besitz eines Visums ist oder sich visumfrei aufhalten darf, bis zum Ablauf des Visums oder des rechtmäßigen visumfreien Aufenthalts als erlaubt. Im Bundesgebiet visumfrei aufhalten darf sich ein Ausländer - wie die Mutter des Antragstellers zu 3 am 08.08.2007 aufgrund ihres Verlängerungsantrags vom 25.10.2005 - auch aufgrund der Erlaubnis- bzw. Fortgeltungsfiktion des § 81 Abs. 3 Satz 1 bzw. Abs. 4 AufenthG (vgl. Nr. 33.9 der VAH des BMI sowie Marx in GK-AufenthG, § 33 Rn. 64). Auch dem Erfordernis des § 81 Abs. 2 Satz 2 AufenthG, wonach für ein im Bundesgebiet geborenes Kind, dem nicht von Amts wegen ein Aufenthaltstitel zu erteilen ist, der entsprechende Antrag innerhalb von sechs Monaten nach der Geburt gestellt werden muss, wurde entsprochen.

2. Die Anträge sind bei Zugrundelegung der fristgerecht vorgebrachten Gründe, auf deren Prüfung sich das Beschwerdeverfahren grundsätzlich zu beschränken hat (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), auch begründet. Der Ausgang des Widerspruchsverfahrens ist nach Auffassung des Senats als offen anzusehen, weswegen insbesondere im Hinblick auf das Kindeswohl der Antragsteller zu 2 und 3 bei einer Abschiebung das private Aufschubinteresse das öffentliche Interesse am Sofortvollzug des angefochtenen Verwaltungsaktes überwiegt. Bei der im Eilverfahren angezeigten summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage lässt sich jedenfalls weder eine offensichtliche Rechtmäßigkeit noch eine offensichtliche Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 31.10.2007 feststellen.