VG Osnabrück

Merkliste
Zitieren als:
VG Osnabrück, Beschluss vom 02.07.2008 - 5 B 46/08 - asyl.net: M13650
https://www.asyl.net/rsdb/M13650
Leitsatz:

Widerspruch und Klage gegen den Widerruf eines Aufenthaltstitels nach § 52 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 AufenthG haben nur dann keine aufschiebende Wirkung nach § 84 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG, wenn der vorherige Widerruf der Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung aus Gründen des § 60 Abs. 8 AufenthG oder § 3 Abs. 2 AsylVfG beruhte.

 

Schlagwörter: D (A), Widerruf, Niederlassungserlaubnis, Asylanerkennung, Flüchtlingsanerkennung, vorläufiger Rechtsschutz, Suspensiveffekt
Normen: VwGO § 80 Abs. 5; VwGO § 80 Abs. 1; AufenthG § 52 Abs. 1 S. 1 Nr. 4; AufenthG § 84 Abs.1 Nr. 4; AsylVfG § 75 S. 2
Auszüge:

Widerspruch und Klage gegen den Widerruf eines Aufenthaltstitels nach § 52 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 AufenthG haben nur dann keine aufschiebende Wirkung nach § 84 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG, wenn der vorherige Widerruf der Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung aus Gründen des § 60 Abs. 8 AufenthG oder § 3 Abs. 2 AsylVfG beruhte.

(Leitsatz der Redaktion)

 

A. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist zulässig. Statthaft ist gemäß § 80 Abs. 5 VwGO analog der Antrag auf Feststellung, dass die Klage vom 20.05.2008 gegen den Bescheid vom 18.04.2008 aufschiebende Wirkung hat.

B. Der Antrag ist auch begründet. Die Klage gegen den Widerruf der Niederlassungserlaubnis nach § 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG entfaltet gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufschiebende Wirkung, da eine gesetzliche Anordnung der sofortigen Vollziehung i.S.d. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO fehlt.

Eine solche gesetzliche Anordnung stellt hier auch nicht § 84 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG dar, wonach Widerspruch und Klage gegen den Widerruf des Aufenthaltstitels des Ausländers nach § 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG in den Fällen des § 75 Satz 2 AsylVfG keine aufschiebende Wirkung haben. Gemäß § 75 Satz 2 AsylVfG "hat die Klage gegen Entscheidungen des Bundesamtes, mit denen die Anerkennung als Asylberechtigter oder die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wegen des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder des § 3 Abs. 2 widerrufen oder zurückgenommen worden ist, hat keine aufschiebende Wirkung". Im Falle der Antragstellerin sind die Asylanerkennung und die Feststellungen nach § 51 Abs. 1 AuslG nicht aus den Gründen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG bzw. § 3 Abs. 2 AsylVfG widerrufen worden. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 04.09.2007 wird darauf gestützt, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen sei, dass der Antragstellerin bei einer Rückkehr in die Türkei Verfolgungsmaßnahmen auf Grund ihrer yezidischen Glaubenszugehörigkeit drohten. Der Widerrufsbescheid beruht hingegen nicht darauf, dass die Antragstellerin wegen schwerer Straftaten eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder die Allgemeinheit darstelle (§ 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG) bzw. schwere völkerrechtliche Verbrechen oder nichtpolitische Straftaten außerhalb des Bundesgebiets begangenen oder den Zielen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt habe (§ 3 Abs. 2 AsylVfG).

§ 75 Satz 2 AsylVfG ist auch nicht so zu verstehen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG bzw. § 3 Abs. 2 AsylVfG nur beim Widerruf der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gegeben sein müssen, hingegen beim Widerruf der Asylberechtigung die Klage in jedem Falle - unabhängig davon, aus welchen Gründen der Widerruf erfolgt - keine aufschiebende Wirkung hat (vgl. GK-AufenthG, Band 3, Stand: März 2008, II - § 84 Rn. 20.1). Das ergibt sich bereits aus der Gesetzesbegründung zur Neuregelung des § 84 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG (BT-Drs. 16/5065, S. 195): "Absatz 1 Nr. 4 regelt, dass der Sofortvollzug in den Fällen des neuen § 75 Satz 2 AsylVfG gesetzlich angeordnet wird, um auch in dem sich anschließenden ausländerrechtlichen Verwaltungsverfahren eine Beschleunigung zu erreichen. In den Fällen des bisherigen § 60 Abs. 8 Satz 2 (künftig § 3 Abs. 2 AsylVfG) und des § 60 Abs. 8 Satz 1 wird ein Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt (§ 30 Abs. 4 AsylVfG). Aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung haben Widerspruch und Klage gegen die Ablehnung in diesen Fällen keine aufschiebende Wirkung (§ 75 Satz 1 AsylVfG). Nach dem neuen § 75 Satz 2 AsylVfG gilt dies künftig auch dann, wenn eine Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung widerrufen oder zurückgenommen wird." Durch den Bezug des letzten Satzes ("gilt dies") auf die vorhergehenden Ausführungen lässt sich bereits aus der Formulierung der Gesetzesbegründung entnehmen, dass die gesetzliche Sofortvollzugsanordnung im Falle des Widerrufs oder der Rücknahme sowohl der "Asyl"- als auch der "Flüchtlingsanerkennung" nur unter den Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG bzw. § 3 Abs. 2 AsylVfG gelten soll. Abgesehen davon wäre der Verweis in § 84 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG auf § 75 Satz 2 AsylVfG ansonsten weitgehend überflüssig.