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Zitieren als:
BVerwG, Beschluss vom 23.04.2008 - 10 B 106.07 - asyl.net: M13576
https://www.asyl.net/rsdb/M13576
Leitsatz:
Schlagwörter: Revisionsverfahren, grundsätzliche Bedeutung, Folgeantrag, Nachfluchtgründe, subjektive Nachfluchtgründe, Zuwanderungsgesetz, Übergangsregelung, Altfälle, Vertrauensschutz, Anerkennungsrichtlinie
Normen: VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1; AsylVfG § 28 Abs. 2; RL 2004/83/EG Art. 5 Abs. 3
Auszüge:

Die Beschwerde, mit der die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend gemacht wird, bleibt ohne Erfolg.

1. Die Beschwerde wirft zunächst die Frage auf, "ob § 28 Abs. 2 AsylVfG auch auf Verfahren Anwendung findet, in denen ein Betroffener vor dem 1. Januar 2005 einen Asylfolgeantrag gestellt hat, der heute unter § 28 Abs. 2 AsylVfG fallen würde und aufgrund dieses Antrags vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge oder durch Verwaltungsgericht festgestellt worden ist, dass in der Person des Folgeantragstellers die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen und dass diese Entscheidung jedoch nicht rechtskräftig geworden ist und heute – unter der Geltung des § 28 Abs. 2 AsylVfG – über die Klage bzw. Berufung zu entscheiden ist."

Mit dieser Fragestellung zu § 28 Abs. 2 AsylVfG in der ab 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Fassung des Zuwanderungsgesetzes vom 30. Juli 2004 (BGBl I S. 1950) wird keine klärungsbedürftige Grundsatzfrage bezeichnet, die zur Zulassung der Revision führt. Sie betrifft ein übergangsrechtliches Problem, denn der Gesetzgeber hat § 28 AsylVfG durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl I S. 1970) geändert. Der neu eingefügte Absatz 1a dient der Umsetzung des Art. 5 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 (ABl EG Nr. L 304 S. 12) – Qualifikationsrichtlinie – und mit dem neu gefassten Absatz 2 hat er von der den Mitgliedstaaten in Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie eingeräumten Öffnungsmöglichkeit Gebrauch gemacht (vgl. BTDrucks 16/5065 S. 216 f.).

Schließlich erweist es sich auch mit Blick auf die von der Beschwerde angestellten Erwägungen nicht als klärungsbedürftig, dass die Anwendung des § 28 Abs. 2 AsylVfG – ob in der Alt- oder in der Neufassung – auf bereits verwirklichte subjektive Nachfluchttatbestände auch ohne entsprechende übergangsrechtliche Regelung schutzwürdiges Vertrauen von Asylbewerbern nicht verletzen kann. Es entspricht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass verfassungsrechtlicher Vertrauensschutz den von Rechtsänderungen Betroffenen nicht vor jeder Enttäuschung bewahrt (BVerfGE 24, 220 <230> m.w.N.). Schutzwürdig kann nur das betätigte Vertrauen sein, d. h. die "Vertrauensinvestition", die zur Erlangung einer Rechtsposition oder zu entsprechenden anderen Dispositionen geführt hat (BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. September 2007 – 1 BvR 58/06 – juris Rn. 20 mit Verweis auf BVerfGE 75, 246 <280> und BVerfGE 69, 272 <309>). Insoweit hat das Berufungsgericht zutreffend herausgestellt, dass bei der Prüfung der Anwendung des § 28 Abs. 2 AsylVfG auf bereits verwirklichte subjektive Nachfluchttatbestände davon auszugehen ist, dass Nachfluchtaktivitäten nicht im Hinblick auf den Fortbestand in die bestehende Rechtslage, sondern aus einer inneren Überzeugung heraus entfaltet wurden (UA S. 11 f.).

2. Die Beschwerde macht des Weiteren als Grundsatzfrage geltend, "ob § 28 Abs. 2 AsylVfG seit dem 10. Oktober 2006 nicht mehr anwendbar ist und keine Rechtswirkung mehr entfaltet, da er mit der Qualifikationsrichtlinie nicht in Übereinstimmung zu bringen ist."

Auch die Frage nach der Vereinbarkeit des § 28 Abs. 2 AsylVfG (i.d.F. des Zuwanderungsgesetzes vom 30. Juli 2004, BGBl I S. 1950) mit Art. 5 Abs. 3 der Qualifikationsrichtlinie betrifft ausgelaufenes Recht. Selbst wenn man aber die von der Beschwerde angeführte Begründung auf die nunmehr seit August 2007 geltende Fassung der Vorschrift bezieht, ist damit die Klärungsbedürftigkeit der Frage nicht hinreichend dargelegt. Die Beschwerde grenzt in der Terminologie der Qualifikationsrichtlinie "Aktivitäten" und "Umstände" exklusiv gegeneinander ab, weil sie unter "Umständen" i.S.d. Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie ausschließlich "persönliche Umstände" versteht. Dabei setzt sie sich nicht damit auseinander, dass der Wortlaut der Richtlinie zwischen "Umständen" (z. B. Art. 11 Abs. 1 Buchst. e und f und Abs. 2, Art. 16) und "persönlichen Umständen" (z. B. Art. 4 Abs. 3 Buchst. c, Art. 8 Abs. 2) unterscheidet. Im Übrigen liefe die den Mitgliedstaaten mit Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie eingeräumte Öffnungsklausel nach dem engen Verständnis der Beschwerde weitgehend leer; dies wäre ein mit Sinn und Zweck der Vorschrift ersichtlich nicht vereinbares Ergebnis (VGH Kassel, Beschluss vom 28. Januar 2008 – 4 UZ 2110/07.A – <juris>).