FG Köln

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Zitieren als:
FG Köln, Urteil vom 23.05.2008 - 2 K 757/01 - asyl.net: M13536
https://www.asyl.net/rsdb/M13536
Leitsatz:

Die Erlaubnisfiktion nach § 69 Abs. 3 AuslG steht dem Besitz einer Aufenthaltserlaubnis i.S.d. § 62 Abs. 2 EStG gleich.

 

Schlagwörter: D (A), Kindergeld, Aufhebung, Aufhebungsbescheid, Bestimmtheitsgebot, Auslegung, Aufenthaltserlaubnis, Erlaubnisfiktion, Verlängerungsantrag, Verfassungsmäßigkeit, Gleichheitsgrundsatz, Schutz von Ehe und Familie
Normen: EStG § 70 Abs. 2; EStG § 31; AO § 118; AO § 157 Abs. 1; EStG § 62 Abs. 2; AuslG § 69 Abs. 3; GG Art. 3 Abs. 1; GG Art. 6 Abs. 1
Auszüge:

Die Erlaubnisfiktion nach § 69 Abs. 3 AuslG steht dem Besitz einer Aufenthaltserlaubnis i.S.d. § 62 Abs. 2 EStG gleich.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die Klage ist begründet.

I. Der Aufhebungsbescheid vom 20. November 2000 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

1. Das Kindergeldrecht wurde mit der Systemumstellung zum 1. Januar 1996 als Steuervergütung ausgestaltet (§ 31 Satz 3 EStG). Gemäß § 155 Abs. 6 AO sind für Steuervergütungen sinngemäß die Vorschriften über die Steuerfestsetzung anzuwenden (BFH-Beschluss vom 18. Dezember 1998 - VI B 215/98, BStBl II 1999, 231).

Im Streitfall entspricht der Aufhebungsbescheid seiner äußeren Gestalt nach nicht den Anforderungen, die nach § 118 und § 157 Abs. 1 AO an die Bestimmtheit der Regelung eines Steuerverwaltungsakts zu stellen sind. Ein Verwaltungsakt, durch den ein anderer Verwaltungsakt aufgehoben wird, muss den aufgehobenen Verwaltungsakt im Interesse der Rechtsklarheit bezeichnen. Daran mangelt es.

Mit dem Aufhebungsbescheid vom 20. November 2000 wurde die "Kindergeldfestsetzung von Februar bis September 2000" aufgehoben. Damit ist nicht ersichtlich, welcher Festsetzungsbescheid aufgehoben werden soll. Denn die aufgehobene Kindergeldfestsetzung ist nicht näher konkretisiert. Hinzu kommt, dass die Kindergeldzahlungen seit 1995 eingestellt wurden, so dass noch weniger nachvollziehbar ist, welche Kindergeldfestsetzung aufgehoben werden sollte.

Eine Auslegung des Aufhebungsbescheides vom 20. November 2000 scheidet aus. Ein Verwaltungsakt ist zwar wie jede Willenserklärung im Rechtsverkehr nach den in § 133 BGB zum Ausdruck gekommenen in der gesamten Rechtsordnung geltenden Grundsätzen auszulegen, wenn die Formulierung objektiv unklar ist, wobei für die Auslegung entscheidend ist, wie der Adressat nach den ihm bekannten Umständen – seinem "objektiven Verständnishorizont" – den materiellen Gehalt der Regelung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte (BFH-Urteil vom 14. April 1999 IX R 24/96, BFH/NV 1999, 1438). Allerdings scheitert eine solche Auslegung im Streitfall daran, dass das Kindergeld bereits seit 1995 nicht mehr ausgezahlt wurde und eine Kindergeldfestsetzung trotz entsprechender Anträge seither nicht mehr erfolgte. Angesichts der Zahlungseinstellung erscheint es zweifelhaft, ob möglicherweise der Festsetzungsbescheid von 1993 aufgehoben werden sollte, denn dieser dürfte durch die Zahlungseinstellung und die späteren Ablehnungsbescheide seine Wirkung verloren haben und damit dürfte eine entsprechende Aufhebung ins Leere gehen. Deshalb ist eine eindeutige Auslegung nicht möglich.

2. Unabhängig davon, sind aber auch die Voraussetzungen des § 70 Abs. 2 EStG nicht erfüllt.

a. Die Beklagte sieht eine Änderung der Verhältnisse darin, dass der Kläger ab Februar 2000 die Tätigkeit in der Botschaft beendet hatte und bis September 2000 weder im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung noch einer Aufenthaltserlaubnis gewesen sei.

Zwar handelt es sich hierbei tatsächlich um eine Änderung der Verhältnisse, jedoch führt sie nicht zum Entfallen eines Kindergeldanspruchs. Denn im streitigen Zeitraum bleibt bzw. ist der Kläger kindergeldberechtigt.

b. Nach § 62 Abs. 2 Satz 1 EStG hat ein Ausländer nur Anspruch auf Kindergeld, wenn er im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist. Auch nach der am 1. Januar 2006 in Kraft getretenen Neuregelung des § 62 Abs. 2 EStG setzt ein Anspruch auf Kindergeld zumindest voraus, dass der Ausländer im Besitz einer nach den Vorschriften des AuslG erteilten Aufenthaltsgenehmigung i.S.d. § 5 AuslG in Form z.B. einer Aufenthaltserlaubnis ist (i.e. hierzu BFH-Urteil vom 25. Juli 2007 - III R 55/02, BFH/NV 2007, 2404).

Zwar mangelt es im streitigen Zeitraum an einer Aufenthaltserlaubnis des Klägers. Jedoch ist dies unschädlich, da der Kläger sich in dieser Zeit nach § 69 Abs. 3 AuslG erlaubt im Inland aufhielt.

aa. Nach § 69 Abs. 3 AuslG gilt der Aufenthalt eines Ausländers, der sich seit mehr als sechs Monaten rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und der die Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltsgenehmigung beantragt hat, bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erlaubt.

Im Streitfall sind in tatsächlicher Hinsicht diese Voraussetzungen erfüllt. In rechtlicher Hinsicht führt dies dazu, dass der Kläger als kindergeldberechtigt nach § 62 Abs. 2 Satz 1 EStG anzusehen ist.

cc. Die fingierte Erlaubnis nach § 69 Abs. 3 AuslG ist in rechtlicher Hinsicht zumindest kindergeldrechtlich wesensgleich mit der Aufenthaltserlaubnis nach § 15 AuslG und deshalb kindergeldrechtlich im Wege der Auslegung – hilfsweise der Analogie – einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 62 Abs. 2 Nr. 2 EStG gleichzustellen, so dass sie für einen Anspruch auf Kindergeld nach § 62 Abs. 2 Satz 1 EStG ausreicht.