OVG Sachsen-Anhalt

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Zitieren als:
OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 25.01.2007 - 4 L 381/04 - asyl.net: M13513
https://www.asyl.net/rsdb/M13513
Leitsatz:
Schlagwörter: Togo, Oppositionelle, Glaubwürdigkeit, UFC, CDPA, Mitglieder, politische Entwicklung, Sicherheitslage, exilpolitische Betätigung, FDTA, Front des Démocrates Togolais en Allemagne, Regimegegner, Zeitschriften, Lettre du Togo, Situation bei Rückkehr, Grenzkontrollen
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 2; AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet.

1. Gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist.

1. Von diesem generellen und nicht von dem "herabgestuften" Wahrscheinlichkeitsmaßstab ("nicht auszuschließende" Verfolgung) ist auszugehen, weil die Klägerin zur Überzeugung des Senats unverfolgt aus Togo ausgereist ist.

Die von ihr im Termin zur Anhörung vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge und im Laufe des Klage- und Berufungsverfahrens vorgetragene Verfolgungsgeschichte ist unglaubhaft: ...

Schließlich war die Klägerin - wie sie selbst einräumt - auch nicht wegen ihrer Mitgliedschaft in der CDPA bzw. später der UFC tatsächlich einer politischen Verfolgung ausgesetzt. Anzeichen dafür, dass ihre einfache Mitgliedschaft in naher Zukunft zu Repressionen geführt hätte, sind nicht ersichtlich; insbesondere darf hier nicht außer Acht gelassen werden, dass die Klägerin über einen langen Zeitraum ihr Studium fortgesetzt hat, ohne konkrete Schwierigkeiten bekommen zu haben.

2. Der nicht vorverfolgt ausgereisten Klägerin droht im Falle ihrer Rückkehr nach Togo keine Verfolgung mit der einen Schutzanspruch auslösenden beachtlichen Wahrscheinlichkeit, und zwar weder wegen ihrer Asylantragstellung noch ihrer exilpolitischen Betätigung in Deutschland.

Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 16.01.2003 (A 2 S 412/98) unter Aufrechterhaltung seiner bisherigen Rechtsprechung ausführlich dargelegt, dass togoischen Asylbewerbern – auch Mitgliedern und Funktionären togoischer Exilorganisationen in Deutschland – bei einer Abschiebung in ihr Heimatland in aller Regel weder politische Verfolgung im Sinne von § 51 Abs. 1 AuslG (jetzt § 60 Abs. 1 AufenthG) noch Folter (§ 53 Abs. 1 AuslG; jetzt § 60 Abs. 2 AufenthG) noch unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von § 53 Abs. 4 AuslG (jetzt § 60 Abs. 5 AufenthG) i.V.m. Art. 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 04.11.1950 (BGBl 1952 II 682) - EMRK - noch eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit (§ 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG; jetzt § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG) droht. Vielmehr ist stets nach den Umständen des Einzelfalls über die Gefahr der politischen Verfolgung bei einer Rückkehr zu entscheiden. Dabei kann nicht schematisch auf eine "aktive" oder "nicht aktive" Betätigung für Exilorganisationen abgestellt werden, sondern es muss angesichts der komplexen Situation eine umfassende Würdigung und Gesamtschau vorgenommen werden. Dabei sind die Asylantragstellung und die Dauer des Auslandsaufenthaltes nur einige der Risikofaktoren; zu bewerten sind ferner der Umfang und die Exponiertheit der exilpolitischen oder oppositionellen Betätigung, die Bedeutung sowie der Bekanntheitsgrad der Exilorganisation, eine eventuelle Medienberichterstattung in der E. und der Grad der Wahrscheinlichkeit, dass die Betätigung von dem Regime in Togo wahrgenommen wird.

An dieser Rechtsprechung hält der Senat auch unter Berücksichtigung der Ereignisse in Togo nach dem Tod des langjährigen Staatspräsidenten Eyadéma fest (vgl. auch BayVGH, Beschl. v. 22.02.2006 - 25 B 01.30942 -).

Vor diesem aktuellen politischen Hintergrund gibt es keine Hinweise darauf, dass aus Deutschland zurückgeführte togoische Staatsangehörige Opfer staatlicher Repressionen wurden oder zukünftig werden, selbst wenn mit der Klägerin und dem Institut für Afrika-Kunde davon ausgegangen wird, dass der neue Präsident die Struktur des autokratischen Regimes seines Vaters inklusive der Militär- und Geheimdienste weitgehend unverändert übernommen und perfektioniert hat sowie auf die Gefolgschaft privater Milizen und regimetreuer Studentenvereinigungen zurückgreifen kann (so Institut für Afrika-Kunde, Auskunft vom 06.04.2006 an das VG Oldenburg). Allerdings verfolgt auch das neue Regime in Togo wie schon die Vorgängerregierung Gnassingbé Eyadémas aus wirtschaftspolitischen Gründen die Strategie, sein Ansehen im westlichen Ausland zu verbessern (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 23.02.2006, S. 9), und akzeptiert daher eine freie und einschränkungslose Betätigung oppositioneller Parteien. Alle politisch relevanten Parteien haben sich am APG beteiligt und wurden gleichberechtigt aufgefordert, sich an der Regierung zu beteiligen. Die politische Diskussion ist lebhaft und wird auch über die allerdings nicht sehr auflagestarken Printmedien geführt (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 30.11.2006, S. 7). Soweit die Klägerin unter Bezugnahme auf den Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 30.11.2006 darauf hinweist, dass die staatlichen Institutionen wie Justiz, Ordnungskräfte und Militär sowie die politischen Parteien schwach und demokratisch vollkommen unerfahren seien, es Polizei und Gendarmerie nach wie vor an einer fundierten, die Menschenrechte respektierenden Ausbildung ermangele und die Armee-Einheiten entgegen den gesetzlichen Bestimmungen bis heute immer wieder Polizeifunktionen ausübten, vermag dies die fortschreitende positive Entwicklung in Togo nicht in Frage zu stellen; denn eine an demokratischen Wertvorstellungen orientierte Neustrukturierung sämtlicher staatlichen Institutionen und Parteien ist einer neuen Regierung naturgemäß innerhalb von zwei Jahren nicht umfassend möglich. Die aktuelle Entwicklung zeigt aber, dass politisch motivierte Menschenrechtsverletzungen in bedeutend geringerem Ausmaß stattfinden als noch im Jahr 2005. Eine gewisse Verbesserung der Sicherheits- und Menschenrechtslage seit Anfang 2006 hat auch die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) in einem Gutachten vom 21.09.2006 (S. 6, unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des UNHCR) erkannt, so dass es wenig wahrscheinlich sein dürfte, dass Oppositionelle mit niedrigem politischen Profil, die - wie die Klägerin - nur wenige Aktivitäten in Togo vorzuweisen haben, Ziel einer politischen Verfolgung sind. Immerhin konstatiert die SFH auf Seite 6 des vorstehenden Gutachtens, dass sogar Journalisten, die wegen regimekritischer Äußerungen inhaftiert worden waren, freigelassen worden sind.

Es ist mithin nicht beachtlich wahrscheinlich, dass die Klägerin aufgrund ihrer exilpolitischen Aktivitäten im Falle ihrer Rückkehr nach Togo einer politischen Verfolgung ausgesetzt sein wird, zumal die Vereinigung FDTA e.V. (Front des Démocrates Togolais en Allemagne) schon keine Exilorganisation einer der Oppositionsparteien Togos ist, sondern ein Zusammenschluss togoischer Flüchtlinge in der E. bzw. Sachsen-Anhalt. Die Mitgliedschaft in diesem Verein kann von den togoischen Behörden nicht wirklich als Gefährdung ihrer Macht im Lande angesehen werden, da die Vereinigung aufgrund ihrer geringen Mitgliederzahl lediglich eine kleine Gruppierung darstellt, deren Wirkungskreis und Bedeutung naturgemäß nur begrenzt sein kann. Hinzu kommt, dass togoische Asylbewerber in einer, häufig sogar mehreren Exilorganisationen einen hohen Anteil der Rückkehrer nach Togo bilden. Bisher liegen aber keine Nachweise vor, dass nach erfolglosem Abschluss ihres Asylverfahrens zurückkehrende togoische Staatsangehörige, obwohl sie einer exilpolitischen Organisation angehört hatten, staatlichen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt waren (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 23.02.2006, S. 14).

Zwar setzen sich ausweislich des Lageberichts des Auswärtigen Amtes vom 23.02.2006 (S. 8) nicht nur amnesty international in einer Dokumentation vom 20.07.2005 und der UNHCR in seiner Stellungnahme vom 30.08.2005 zur Behandlung von Asylsuchenden aus Togo unter Hinweis auf die anhaltend prekäre Sicherheitslage, die noch immer fragile politische Situation sowie die andauernden Menschenrechtsverletzungen bis auf weiteres für die Aussetzung von Abschiebungen nach Togo ein. Diese Empfehlungen gelten allerdings in besonderem Maße - so der UNHCR - für Vorkommnisse im Zusammenhang mit den Ereignissen im Februar 2005 und danach. Präzedenzfälle, mit denen die Gefahr von schweren Menschenrechtsverletzungen belegt werden kann, liegen aber weder dem UNHCR noch amnesty international vor. In einem Bericht vom 07.08.2006 (Update on International Protection Needs of Asylum-Seekers From Togo [ID 54187]) hat der UNHCR inzwischen seine Empfehlung für die Aussetzung von Abschiebungen nach Togo aufgehoben (siehe unter www.asyl.net/Laenderinfo/Togo.html).

Auch das regelmäßige Veröffentlichen von regimekritischen Artikeln in der Zeitschrift "Lettre du Togo" und damit ein eher als verhalten zu bezeichnendes politisches Engagement in einem weitgehend nicht bekannten Exilverein begründet nicht die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer politischen Verfolgung der Klägerin im Falle ihrer Rückkehr nach Togo; denn unter Berücksichtigung einer Auflagenstärke von maximal 350 ist der Einfluss der Klägerin auf das politische Meinungsbild in Togo und damit das exilpolitische Profil der Klägerin insgesamt als niedrig zu bezeichnen. Nichts anderes gilt für die von der Klägerin verfasste Broschüre mit dem Titel "Togo unter Faure", die sich in erster Linie an die in Deutschland lebenden togoischen Staatsangehörigen richtet und den Machtanspruch des jetzigen Präsidenten nicht ernstlich in Frage stellen kann.

Aber selbst wenn zugunsten der Klägerin davon ausgegangen wird, dass die Veröffentlichungen den togoischen Behörden oder auch nur einzelnen Mitarbeitern der Regierung oder Mitgliedern der Regierungsparteien bekannt geworden sind, ist die Klägerin hierdurch nicht in einer Weise hervorgetreten, die sie als ernst zu nehmende Bedrohung für den Machtanspruch des jetzigen Staatspräsidenten Faure Gnassingbé erscheinen lässt, da diese Aktivitäten nicht den Grad erreichen, um die togoische Regierung heute noch entgegen der sonst geübten Rücksichtnahme auf das westliche Ausland zu veranlassen, Maßnahmen zur Sicherung ihres Herrschaftsapparates durch staatliche Verfolgungsmaßnahmen zu ergreifen. Der Senat schließt dies aus dem Umstand, dass Exiltogoer sogar in Leserbriefen und Artikeln in togoischen Zeitungen häufig unter Nennung des Namens und aktuellen Wohnortes, teilweise mit Foto, die Regierung kritisieren, ohne dass Fälle bekannt geworden sind, dass diese Veröffentlichungen im Falle der Rückkehr zu Nachteilen oder Repressionen für den Verfasser oder ihm nahe stehende Personen geführt hätten. Das togoische Außenministerium hat das Auswärtige Amt in einer Verbalnote vielmehr darüber in Kenntnis gesetzt, dass diese Veröffentlichungen dort zur Kenntnis genommen würden. Sie wurden als Praxis von Personen bezeichnet, die "Schwierigkeiten haben, ihren Aufenthaltsstatus im jeweiligen Aufnahmeland zu bewahren bzw. zu erhalten" (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 23.02.2006, S. 14).

Schließlich ist die Klägerin auch nicht aufgrund ihrer einfachen Mitgliedschaft in der Oppositionspartei UFC der Gefahr einer politischen Verfolgung im Falle ihrer Rückkehr nach Togo ausgesetzt. Zwar berichtet die Schweizerische Flüchtlingshilfe in einer Auskunft vom 10.11.2006, dass es auch heute noch vereinzelt zu Übergriffen auf Mitglieder von Oppositionsparteien mit niedrigem politischem Profil kommt, weist aber zugleich darauf hin, dass Übergriffe vor allem durch Einzelpersonen aus dem Regierungsumfeld kommen, so dass - wovon im Übrigen auch das Auswärtige Amt ausgeht - von einer systematischen staatlichen Verfolgung von Oppositionellen nicht mehr gesprochen werden kann. Im Übrigen liegen auch der Schweizerischen Flüchtlingshilfe für den Zeitraum von September bis November 2006 keine neuen Informationen zu Übergriffen auf UFC-Mitglieder vor, so dass es der Senat vor diesem Hintergrund für unwahrscheinlich hält, dass gerade die Klägerin, die ihre politischen Aktivitäten in der UFC in Deutschland nicht fortgesetzt hat, in Togo politisch verfolgt wird.

Schließlich ergeben sich auch aus der Asylantragstellung der Klägerin und ihrem langjährigen Auslandsaufenthalt keine besonderen persönlichen Umstände, die ein Abschiebungsverbot im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG begründen könnten.

Zwar ist nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 23.02.2006 nicht auszuschließen, dass Grenzkontroll- oder andere Beamte Rückkehrer in Einzelfällen am Flughafen unkorrekt behandeln. Allen konkret vorgetragenen Behauptungen, rückgeführte togoische Staatsangehörige seien nach ihrer Rückkehr Opfer staatlicher Repressionen geworden, ist das Auswärtige Amt nachgegangen, ohne dass sich diese bislang bei der Nachprüfung bestätigt hätten.