OVG Sachsen

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Zitieren als:
OVG Sachsen, Beschluss vom 12.06.2008 - A 5 B 146/06 - asyl.net: M13485
https://www.asyl.net/rsdb/M13485
Leitsatz:

Falun-Gong-Anhängern, die Falun Gong öffentlich oder in Gruppen Gleichgesinnter praktizieren oder die als Falun-Gong-Anhänger öffentlich bekannt geworden sind, droht bei Rückkehr nach China mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung; bei anderen einfachen Falun-Gong-Anhängern kann Verfolgung zwar nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, sie droht aber nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit.

 

Schlagwörter: China, Berufungszulassungsantrag, grundsätzliche Bedeutung, Falun Gong, Anhänger, Mitglieder, herabgestufter Wahrscheinlichkeitsmaßstab, Verfolgungssicherheit, beachtlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstab, Strafverfolgung, Umerziehungslager, Gruppenverfolgung, abgelehnte Asylbewerber, religiös motivierte Verfolgung, Religion, Verfolgungshandlung, Befragungen, Ermahnungen, Überwachung im Aufnahmeland, Demonstrationen, exilpolitische Betätigung
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1; AsylVfG § 78 Abs. 3 Nr. 1
Auszüge:

Falun-Gong-Anhängern, die Falun Gong öffentlich oder in Gruppen Gleichgesinnter praktizieren oder die als Falun-Gong-Anhänger öffentlich bekannt geworden sind, droht bei Rückkehr nach China mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung; bei anderen einfachen Falun-Gong-Anhängern kann Verfolgung zwar nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, sie droht aber nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Der zulässige Antrag des Klägers hat keinen Erfolg, weil die Rechtssache die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) nicht hat.

Die erste Frage würde sich in dieser Weite im Berufungsverfahren nicht stellen. Die Falun-Gong-Bewegung hat keine feste Organisationsstruktur und keine Mitgliedschaft (vgl. z.B. die Internet-Seite des Falun-Dafa-Informationszentrums: www.faluninfo.de). Bezieht man die Frage auf Falun-Gong-Anhänger, ist zu unterscheiden zwischen Anhängern, die Falun Gong öffentlich oder auch in Gruppen Gleichgesinnter praktizieren oder als Falun-Gong-Anhänger öffentlich bekannt geworden sind, und einfachen Anhängern.

Ersteren droht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in China staatliche Verfolgung (vgl. Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik China, Stand: Februar 2008 - 508-516.80/3 CHN -; BayVGH, Urt. v. 16.8.2007 - 2 B 03.30385 - sowie die vom Kläger angeführten Entscheidungen: VG Meinigen, Urt. v. 14.12.2000 - 5 K 20111/00.Me -; VG Stuttgart, Urt. v. 5.3.2001 - A K 11993/00 -; VG Potsdam, Urt. v. 15.3.2002 - 2 K 1018/00.A - und VG Cottbus, Urt. v. 12.7.2001 - 6 [5] K 406/00.A; jeweils zitiert nach juris).

Einfach praktizierenden Falun Gong Anhängern, die aus der Bundesrepublik nach China zurückkehren und den chinesischen Behörden nicht bekannt geworden sind, drohen dagegen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit keine Verfolgungsmaßnahmen (BayVGH a.a.O.). Zwar werden auch lediglich einfach praktizierende Anhänger zum Teil Gerichtsverfahren unterworfen oder in Umerziehungslager überstellt (vgl. Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik China, Stand: Februar 2008 - 508-516.80/3 CHN -). Nach den vorliegenden Erkenntnismitteln betrifft dies jedoch nur Einzelfälle. Für eine flächendeckende Verfolgung einfach praktizierender Anhänger liegen keine Erkenntnisse vor. Vielmehr ist bislang vor allem der Fall Jiang R. bekannt geworden. Auch der Kläger zeigt in seinem Zulassungsantrag keine Erkenntnismittel oder Entscheidungen auf, die auf die für eine Gruppenverfolgung erforderliche Verfolgungsdichte (vgl. hierzu: BVerwG, Urt. v. 5.7.1994 - 9 C 158.94 -, zitiert nach juris) schließen lassen.

Somit kann zwar bei einfachen Falun-Gong-Anhängern die Möglichkeit einer politischen Verfolgung in China nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden. Sie ist andererseits aber auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Dies hat zur Folge, dass grundsätzlich nur diejenigen einfachen Falun-Gong-Anhänger, die China aufgrund bereits stattgefundener oder unmittelbar drohender politischer Verfolgung verlassen haben, Anspruch auf Abschiebungsschutz haben. Vorverfolgt in die Bundesrepublik Eingereisten ist eine Rückkehr in ihr Heimatland nur dann zuzumuten, wenn die Möglichkeit einer politischen Verfolgung mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden kann (sog. "herabgestufter Wahrscheinlichkeitsmaßstab", vgl. BVerfG, Beschl. v. 2.7.1980, BVerfGE 54, 341, 361 f.; BVerwG, Urt. v. 27.4.1982, BVerwGE 65, 250).

Nicht vorverfolgt ausgereisten Falun-Gong-Anhängern droht indes allein aufgrund ihrer Anhängerschaft nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung. Hiervon geht auch die vom Kläger zitierte Rechtsprechung aus. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe verneint in seinem Urteil vom 5.4.2001 - A 11 K 11473/00 - (zitiert nach juris) ausdrücklich eine Gruppenverfolgung von Falun-Gong-Anhängern. Die vom Kläger angeführten Urteile der Verwaltungsgerichte Meiningen, Potsdam und Cottbus (a.a.O.) beziehen sich auf vorverfolgt ausgereiste Falun Gong Anhänger, im Fall des Verwaltungsgerichts Potsdam darüber hinaus auf einen Funktionsträger, der in seinem Heimatort in China eine Falun-Gong-Gruppe gegründet hat. Der Fall des Verwaltungsgerichts Stuttgart (a.a.O.) betraf eine Asylantragstellerin, deren Zugehörigkeit zu Falun Gong und deren Teilnahme an vielen gemeinschaftlichen Übungen in Deutschland durch Zeitungsfotos öffentlich bekannt geworden sind.

Die zweite vom Kläger aufgeworfene Frage, ob einfach bekennenden Mitgliedern der Falun-Gong-Bewegung im Falle ihrer Rückkehr nach China mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische oder religiöse Verfolgung droht, lässt sich deshalb ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens für nicht öffentlich in Erscheinung getretene Anhänger verneinen. Hiervon geht auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof aus (vgl. Urt. v. 16.8.2007 - 2 B 03.30385 -, zitiert nach juris). Abweichende Rechtsprechung oder Erkenntnismittel sind nicht ersichtlich.

Bei der dritten Frage, ob ein abgelehnter chinesischer Asylbewerber im Falle seiner Rückkehr nach China die begründete Furcht haben muss, dass er Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt ist, wenn er bei einer möglichen Befragung die Zugehörigkeit zur Falun-Gong-Bewegung wahrheitsgemäß beantwortet, legt der Kläger die Entscheidungserheblichkeit der Frage nicht ausreichend dar. Er führt nichts dazu aus, dass das offene Eintreten für Falun Gong substanzieller Inhalt seines Bekenntnisses ist.