Ein Erlass des Landesinnenministeriums kann die bundesrechtlichen Zuständigkeitsvorschriften des AsylbLG nicht abändern.
Ein Erlass des Landesinnenministeriums kann die bundesrechtlichen Zuständigkeitsvorschriften des AsylbLG nicht abändern.
(Amtlicher Leitsatz)
Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Die Klägerin hat unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung der für die Hilfeempfängerin C. aufgewendeten Kosten.
1. Ein Erstattungsanspruch aus § 105 Abs. 1 S. 1 SGB X scheidet aus, weil die Beklagte für die erbrachten Leistungen nicht zuständig war.
§ 105 Abs. 1 S. 1 SGB X legt fest, dass der zuständige oder zuständig gewesene Leistungsträger erstattungspflichtig ist, wenn ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne auf Grund gesetzlicher Vorschriften zur vorläufigen Leistung verpflichtet gewesen zu sein.
Eine Zuständigkeit der Beklagten ergibt sich weder aus § 10 a Abs. 1 S. 2 AsylbLG (dazu nachfolgend unter a)), noch aus § 10 Abs. 1 S. 3 AsylbLG (dazu nachfolgend unter b)).
a) Nach § 10 a Abs. 1 S. 1, 2 AsylbLG ist für die Leistungen nach diesem Gesetz die Behörde zuständig, in deren Bereich der Leistungsberechtigte auf Grund der Entscheidung der zentralen Verteilungsstelle verteilt oder von der im Land zuständigen Behörde zugewiesen worden ist. Im Übrigen ist die Behörde zuständig, in deren Bereich sich der Leistungsberechtigte tatsächlich aufhält.
Da Frau D. weder verteilt noch zugewiesen wurde, richtet sich die Zuständigkeit gemäß Satz 2 nach ihrem tatsächlichen Aufenthalt. Diesen hatte sie zum Zeitpunkt der Leistungsgewährung durch die Klägerin in deren Bereich und nicht in dem der Beklagten. Für den Zeitraum, während dessen Frau D. sich im Bereich der Beklagten aufhielt, haben weder sie noch das autonome Frauenhaus Sozialleistungen beantragt. Deshalb ist keine Zuständigkeit der Beklagten begründet worden.
Die Feststellung im Erlass des Niedersächsischen Innenministeriums vom 01.08.2002, dass in Niedersachsen der tatsächliche Aufenthaltsort gemäß § 10 a Abs. 1 S. 2 AsylbLG der Ort sei, an dem das Opfer von Menschenhandel von der Polizei aufgegriffen und in Gewahrsam genommen wird, steht dem nicht entgegen. Dieser Erlass entfaltet zumindest nach außen keine Bindungswirkung. Er vermag die bundesrechtliche Regelung der Zuständigkeit in § 10 a Abs. 1 AsylbLG nicht zu verändern. Zwar kann in der Tat am Aufgriffsort nach § 10 a Abs. 1 S. 2 AsylbLG eine Zuständigkeit der dortigen Behörde begründet werden, wenn dort Sozialleistungen beantragt werden. Diese Zuständigkeit endet indes, sobald der Hilfeempfänger den Zuständigkeitsbereich der Behörde tatsächlich verlässt.
b) Die Beklagte ist auch nicht gemäß § 10 a Abs. 1 S. 3 AsylbLG zuständig gewesen.
§ 10 a Abs. 1 S. 3 AsylbLG bestimmt, dass die Zuständigkeit nach § 10 a Abs. 1 S. 2 AsylbLG bis zur Beendigung der Leistung auch dann bestehen bleibt, wenn die Leistung von der zuständigen Behörde außerhalb ihres Bereichs sichergestellt wird. Hier fehlt es wie soeben ausgeführt bereits an einer ursprünglichen Zuständigkeit der Beklagten.
Darüber hinaus hat die Beklagte die Leistung an Frau D. aber auch nicht außerhalb ihres Bereichs sichergestellt. Die Beklagte hat zutreffend darauf hingewiesen, dass eine Zuständigkeit nach dieser Vorschrift nur bestehen kann, wenn die zunächst zuständige Behörde die Leistung auch nach der Beendung des tatsächlichen Aufenthalts des Hilfeempfängers in ihrem Zuständigkeitsbereich tatsächlich fortführt oder jedenfalls zum Ausdruck bringt, dass sie für den gesamten Bedarf auch am neuen Wohnort aufkommen will (vgl. zur ersten Alternative im Hinblick auf die ähnliche Regelung in § 97 Abs. 1 S. 2 BSHG: Urt. des BVerwG v. 20.09.2001, Az. 5 C 6/01, BVerwGE 115, 142ff.; zur zweiten Alternative: Urt. d. Sächs. OVG v. 01.11.2004, Az. 4 B 74/03, FEVS 56, 445ff.; GK AsylbLG, 31. EL 2006, § 10 a, Rn. 37).
Da die Beklagte sich hier von Anfang an gegen eine Übernahme des Hilfefalles verwahrt hat, hat sie die Leistung weder fortgeführt noch zum Ausdruck gebracht, dass sie dies anstrebt.
Eine Regelungslücke für Personen, die Leistungen nach dem AsylbLG nur aufgrund ihres Status als Opfer von Menschenhandel erhalten, ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht ersichtlich. Zwar greift der in §§ 10 a Abs. 2, 10 b Abs. 1, 2 AsylbLG normierte Schutz der Einrichtungsorte bei der Unterbringung von Opfern von Menschenhandel in auswärtigen Frauenhäusern nicht. Dennoch folgt in diesen Fällen aus den vorhandenen Normen eine klare Zuständigkeit.
2. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Kostenerstattung aus § 10 b Abs. 3 S. 1 AsylbLG a.F. gegen die Beklagte.
Der bis zum 30.06.2005 geltende § 10 b Abs. 3 S. 1 AsylbLG verpflichtete die Behörde des bisherigen Aufenthaltsortes, der nunmehr zuständigen Behörde die dort erforderlichen Leistungen außerhalb von Einrichtungen im Sinne des § 10 a Abs. 2 S. 1 zu erstatten, wenn ein Leistungsberechtigter ohne Verstoß gegen eine asyl- oder ausländerrechtliche räumliche Beschränkung vom Ort seines bisherigen gewöhnlichen Aufenthaltes verzieht. Die Voraussetzungen dieses Anspruchs sind schon deshalb nicht erfüllt, weil Frau D. in E. keinen gewöhnlichen Aufenthalt begründet hatte und somit nicht von dort verziehen konnte. Nach der Legaldefinition in § 10 a Abs. 3 S. 1 AsylbLG gilt als gewöhnlicher Aufenthalt der Ort, an dem sich jemand unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Frau D. war nur für ein Vorstellungsgespräch nach E. gekommen und hatte beabsichtigt, danach zunächst wieder an ihren Heimatort in Polen zurückzukehren. Entgegen ihren Plänen wurde sie dann für wenige Tage gegen ihren Willen in E. festgehalten.