VG Ansbach

Merkliste
Zitieren als:
VG Ansbach, Urteil vom 03.04.2008 - AN 18 K 07.30663 - asyl.net: M13281
https://www.asyl.net/rsdb/M13281
Leitsatz:
Schlagwörter: Iran, Widerruf, Flüchtlingsanerkennung, Monarchisten, Persepolis, Flugblätter, Regimegegner, Menschenrechtslage, exilpolitische Betätigung
Normen: AsylVfG § 73 Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 1
Auszüge:

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat vorliegend zu Recht die Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter widerrufen und in rechtmäßiger Weise festgestellt, dass weder die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG noch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen; der Kläger wird hierdurch nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und unter Zugrundelegung der verfahrensgegenständlichen Erkenntnisquellen ist vorliegend festzustellen, dass die zur Asylanerkennung geführt habenden vorgetragenen Aktivitäten für die in der Bundesrepublik Deutschland tätige Exilorganisation "Persepolis", wonach er im Iran von einem Verbindungsmann Material der Organisation zur Vervielfältigung und Verteilung erhalten habe, das er dann in der leeren Wohnung zurückgelassen habe, und wonach dieses dann dort gefunden worden sei, zum jetzigen Zeitpunkt den Kläger auch unter Anwendung des herabgesetzten Wahrscheinlichkeitsmaßstabes nicht mehr in asylerheblicher Weise gefährden würden.

Zum einen hat der Kläger in der jetzigen mündlichen Verhandlung diese im damaligen Asylanerkennungsverfahren vorgetragenen Aktivitäten nicht mehr als Beleg dafür angeführt, dass er zum jetzigen Zeitpunkt deswegen im Iran gefährdet wäre. Zum anderen ist insoweit auf die allgemeine Auskunftslage zu verweisen, so wie sie sich insbesondere aus dem zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Lagebericht Iran des Auswärtigen Amtes vom 4. Juli 2007 ergibt. Danach hat sich bei der Frage der Verfolgungsgefahr die innenpolitische Lage im Iran insoweit geändert, als nach den Feststellungen des Auswärtigen Amtes in den Jahren nach der Revolution außerordentlich streng gegen politische Gruppen, die, wie die Monarchisten, unterhalb der Schwelle des bewaffneten Kampfes das Regime in Frage gestellt haben, vorgegangen wurde, während dessen sich die Situation in den letzten Jahren teilweise entspannt habe. Dies deckt sich auch mit der Prognose, die der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 23. Oktober 2007, Az. 14 B 05.30975, in einem dort streitgegenständlichen Widerrufsverfahren angestellt hat, wonach wegen der Ereignisse, die zur Anerkennung des dortigen Klägers geführt hätten und die – wie im hier vorliegenden Fall – mehr als 20 Jahre zurückliegen, schon aus diesem Grunde nicht zu befürchten steht, dass ein anerkannter Asylberechtigter deswegen noch mit Sanktionen zu rechnen hätte, und der Bayerische Verwaltungsgerichtshof zu dem Schluss kommt, dass ein erhöhtes Interesse iranischer Stellen an der Verfolgung des dortigen Klägers nicht bestehe.

Von solch einem mangelnden erhöhten Interesse des iranischen Regimes ist auch im Falle des Klägers auszugehen. Eine derartige Systemkritik, wie sie in den Jahren nach der Revolution in solchen Flugblättern, insbesondere monarchistischer Kreise, erhoben worden ist, führt zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr zu politisch motivierten Verfolgungsmaßnahmen. Insoweit ist darauf zu verweisen, dass nach den Feststellungen des Auswärtigen Amtes im oben zitierten Lagebericht vergleichbare private oder öffentliche Äußerungen von Unzufriedenheit und Kritik an der Regierung oder der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lage in der Regel keine staatlichen Verfolgungsmaßnahmen auslösen.

Hinzu kommt im Falle des Klägers, dass von Seiten des iranischen Regimes die "Monarchisten" nicht mehr als ernsthafte und ernst zu nehmende Opposition im Lande angesehen werden. Deren Aktivitäten sind in den Augen der iranischen Sicherheitsbehörden nicht geeignet, zu einer Destabilisierung des politischen Systems im Iran beizutragen oder eine solche Destabilisierung herbeizuführen. Entgegen der Hoffnung, die der Kläger hegt, dass die monarchistischen Aktivitäten geeignet sind, der iranischen Bevölkerung zu suggerieren, dass der Schah Gutes für den Iran geleistet habe, kann aus folgenden Gründen davon aber beachtlich nicht ausgegangen werden: Das Gesamtdurchschnittsalter der iranischen Bevölkerung beträgt 25,8 Jahre, so dass weit mehr als die Hälfte der iranischen Bevölkerung den Schah nicht mehr selbst erlebt hat. Im Übrigen ist in seiner zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Stellungnahme des Deutschen Orient-Instituts vom 3. Februar 2006 an das VG München folgend davon auszugehen, dass im Iran selbst die Monarchie nicht mehrheitsfähig ist und zwar weder in der eher klassischen Form der orientalischen Despotie, die die iranischen Monarchisten im Ausland so nicht vertreten, aber auch nicht in der Form einer konstitutionellen Monarchie, wofür die Organisation Persepolis, der der Kläger nach dem vorgelegten Mitgliedsausweis angehört, eintritt. Das Deutsche Orient-Institut verweist darauf, dass eigentlich im Iran niemand den Sohn des gestürzten Schahs als Thronfolger sehen will und niemand auch im Ernst mit der Wiedererrichtung der Monarchie in welcher staatsrechtlichen Form auch immer rechnet. Im Weiteren folgert das Deutsche Orient-Institut, dass, auch wenn die Monarchisten sich im Westen als Verfechter demokratischer Errungenschaften und Lebens- und Gesellschaftsformen darstellten, dies letztlich politisch im Iran keinen Einfluss habe, da man dort auch und gerade in Kreisen, die dem herrschenden Mullah-Regime feindlich gegenüberstünden, keine Wiederholung oder Kopie westlicher Verhältnisse, die dort im allgemeinen mit amerikanischen Verhältnissen gleichgesetzt würden, wünsche. Im Iran wolle die Bevölkerung mehr persönliche Freiheit, die Bigotterie der herrschen Mullahs wolle man abschaffen, man wolle bessere wirtschaftliche Verhältnisse, man wolle die unerträgliche Einschränkung der persönlichen Lebensführung durch religiös motivierte Verhaltensmaßnahmen abschaffen. Auch wenn dieser Wille dem Deutschen Orient-Institut in der oben zitierten Stellungnahme folgend durchaus im Iran in großen Teilen der dortigen Gesellschaft konsensfähig sei, ergebe sich daraus eben in keiner Weise eine Anlehnung oder gar eine Beförderung der politischen Ziele der Exilmonarchisten.

Ist somit der Schluss gerechtfertigt, dass die monarchistische Bewegung im derzeitigen Iran im Sinne eines Umsturzes des politischen Systems nichts bewegen kann, so ist im Gegenzug die Annahme gerechtfertigt, dass das Verfolgungspotential für diejenigen, die sich derzeit der monarchistischen Sache im Iran verschrieben haben, als im Ergebnis relativ gering einzuschätzen ist.