VG Ansbach

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Zitieren als:
VG Ansbach, Urteil vom 03.04.2008 - AN 18 K 08.30089 - asyl.net: M13277
https://www.asyl.net/rsdb/M13277
Leitsatz:
Schlagwörter: Iran, Widerruf, Asylanerkennung, Gefahr für die Allgemeinheit, Straftat, Strafurteil, Totschlag, Wiederholungsgefahr, Monarchisten, exilpolitische Betätigung, Flugblätter
Normen: AsylVfG § 73 Abs. 1; GG Art. 16a Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 8; AufenthG § 60 Abs. 1
Auszüge:

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat vorliegend zu Recht die Asylanerkennung widerrufen und in nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG offensichtlich nicht gegeben sind und dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen; der Kläger wird hierdurch nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

1) Rechtsgrundlage für den in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides ausgesprochenen Widerruf ist § 73 Abs. 1 AsylVfG.

Nach § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG findet § 60 Abs. 1 keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist; zugleich wird durch § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG auch ein auf Art. 16 a Abs. 1 GG gestützter Asylanspruch ausgeschlossen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.3.1999, 9 C 31.98; Urteil vom 1.11.2005, 1 C 21.04).

Auch wenn das Asylrecht keinen Schrankenvorbehalt enthält, so ist doch das Bestehen einer "Opfergrenze" zu berücksichtigen, die dann erreicht bzw. überschritten ist, wenn der Asylberechtigte eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer schwerwiegenden Straftat zu einer langjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden ist (vgl. BayVGH, Urteil vom 23.10.2007, 14 B 05.30975).

Die Annahme der Ermächtigung zum Widerruf in Fällen, in welchen vom Ausländer nach Maßgabe des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG eine Gefahr für die Allgemeinheit ausgeht, steht auch im Einklang mit der Genfer Flüchtlingskonvention, deren Artikel 33 Abs. 2 vorsieht, das sich auf die Vergünstigung des Refoulement-Verbotes des Art. 33 Abs. 1 GFK ein Flüchtling, der aus schwerwiegenden Gründen als Gefahr für die Sicherheit des Landes zu betrachten ist, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig verurteilt wurde, nicht berufen kann.

a) Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG sind nach Auffassung der Kammer vorliegend zweifelsohne erfüllt.

Der Kläger stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit dar, weil er wegen eines Verbrechens des Totschlags rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren und damit weit über das nach § 60 Abs. 8 Satz 1 2. Alternative AufenthG erforderliche Mindestmaß von drei Jahren hinaus verurteilt wurde.

Alleine diese rechtskräftige Verurteilung führt jedoch noch nicht automatisch zum Widerruf der Asylanerkennung, sondern weiter erforderlich ist das Bestehen einer Wiederholungsgefahr im Einzelfall. Dies bedeutet, dass in Zukunft eine Gefahr für die Allgemeinheit durch neue vergleichbare Straftaten des Ausländers ernsthaft drohen muss; insoweit genügt eine lediglich entfernte Möglichkeit weiterer Straftaten nicht.

Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten ernsthaft droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung sowie das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts ebenso wie die Persönlichkeit des Täters, seine Entwicklung und seine Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt. Dabei ist die der gesetzlichen Regelung zu Grunde liegende Wertung zu beachten, wonach Straftaten, die so schwerwiegend sind, dass sie zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren geführt haben, typischerweise mit einem hohen Wiederholungsrisiko behaftet sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.11.2000, 9 C 6/00).

Unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Klägers, der konkreten Tatsituation, seinem gesamten bisherigen strafrechtlichen Inerscheinungtreten ist vorliegend die bereits durch die Schwere der Tat indizierte Wiederholungsgefahr auch hinreichend konkret.

2) Im streitgegenständlichen Bescheid wurde durch die Beklagte auch zutreffend festgestellt, dass beim Kläger die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG offensichtlich nicht vorliegen.

Im Hinblick auf die – jedenfalls zum heutigen Zeitpunkt – weitgehende Bedeutungslosigkeit der monarchistischen Bewegung im Iran und unter Berücksichtigung, dass sich der Kläger eigenen Vorbringen zufolge letztmals 1994 durch Weitergabe von Flugblättern in eindeutig nicht exponierter Weise exilpolitisch betätigt hat sowie unter Berücksichtigung der Angabe des Klägers, dass zwischenzeitlich all sein beschlagnahmtes Vermögen durch den iranischen Staat wieder freigegeben worden sei, und unter Anwendung der ständigen Rechtsprechung des BayVGH, wonach eine Gefahr politischer Verfolgung nur dann anzunehmen ist, wenn der iranische Bürger bei seinen Aktivitäten besonders hervorgetreten ist und sein Gesamtverhalten ihn den iranischen Stellen als ernsthaften, auf die Verhältnisse im Iran einwirkenden Regimegegner erscheinen lässt (vgl. BayVGH, zuletzt Beschluss vom 13.3.2008, 14 ZB 08.30083), steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger weder zum jetzigen Zeitpunkt noch in überschaubarer Zukunft im Hinblick auf seine vor mehr als 20 Jahren im Heimatland durchgeführten Aktivitäten für die monarchistische Bewegung sowie unter Berücksichtigung der hier in der Bundesrepublik Deutschland keineswegs herausragenden exilpolitischen Betätigungen bei einer Rückkehr in den Iran mit einer dem Bereich des § 60 Abs. 1 AufenthG unterfallenden relevanten Verfolgung zu rechnen hat.