VG Dresden

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Zitieren als:
VG Dresden, Beschluss vom 17.04.2008 - 3 L 145/08 - asyl.net: M13238
https://www.asyl.net/rsdb/M13238
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Aufenthaltserlaubnis, nachträgliche Befristung, Verlängerungsantrag, Fortgeltungsfiktion, verspäteter Antrag, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), Suspensiveffekt
Normen: VwGO § 80 Abs. 5; VwGO § 80 Abs. 1; AufenthG § 81 Abs. 4
Auszüge:

Die Anträge haben keinen Erfolg.

Dem Antragsteller kann zunächst nicht – wie unter Ziffer 2 seiner Klage/Antragsschrift vom 18. März 2008 beantragt – vorläufiger Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – durch die Feststellung gewährt werden, dass seine Klage vom 18. März 2008 (Az.: 3 K 456/08) aufschiebende Wirkung hat.

Der Antragsteller befand sich ursprünglich im Besitz einer bis zum ... Januar 2008 befristeten Aufenthaltserlaubnis, die mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 11. Juli 2007 nachträglich zeitlich befristet wurde. Widerspruch und Klage gegen eine solche Maßnahme haben gemäß § 80 Abs. 1 VwGO – unbeschadet von der gleichwohl eintretenden Wirksamkeit (§ 84 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes – AufenthG – Beendigung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts) – aufschiebende Wirkung dergestalt, dass die Ausreisepflicht des betroffenen Ausländers nicht vollziehbar ist (vgl. §§ 50 Abs. 1, 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG). Diese aufschiebende Wirkung hält auch über den Zeitpunkt des ursprünglichen Ablaufs des Aufenthaltstitels an, wenn (rechtzeitig) dessen Verlängerung beantragt wird und demzufolge die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 4 AufenthG eintritt, die bis zu einer Entscheidung der Behörde über den (Verlängerungs-) Antrag anhält.

Der vom Antragsteller gestellte Antrag auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis hat allerdings keine Fiktionswirkung ausgelöst. § 81 Abs. 4 AufenthG regelt, dass für einen Ausländer, der u.a. die Verlängerung seines Aufenthaltstitels beantragt, der bisherige Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend gilt. Nach der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drucks. 15, 420, 96, abgedruckt in: GK-AufenthG, Band II – Materialien zu § 81) soll die Fortgeltungsfiktion des bisherigen Aufenthaltstitels nur dann eintreten, wenn der Antrag rechtzeitig gestellt wird. Nach wohl überwiegender Auffassung kann ein verspäteter Antrag die Fortgeltungsfiktion nicht auslösen (vgl. Funke-Kaiser in: GK-AufenthG, § 81, Rdnr. 43 mit zahlreichen Nachweisen zum Sach- und Streitstand).

Allerdings umfasst die Norm nach der Rechtsprechung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts (vgl. Beschluss vom 22. Februar 2007, Az.: 3 BS 276/05; vgl. auch OVG NW, Beschluss vom 23. März 2006, Az.: 18 B 120/06, InfAuslR 2006, 448) ), "wie sich im Wege ihrer Auslegung ergibt, auch geringfügig verspätet eingegangene Anträge". Zwar seien Wortlaut und Entstehungsgeschichte der Norm in dieser Hinsicht nicht eindeutig. Nach der Auffassung des Senats führe jedoch eine teleologische Betrachtungsweise zu der Annahme, "dass Anträge, die zwar verspätet, aber noch in unmittelbarem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Ablauf eines Aufenthaltstitels gestellt wurden, der Norm des § 81 Abs. 4 AufenthG unterfallen und damit die Fortgeltungsfiktion vom Zeitpunkt des Ablaufs des bisherigen Aufenthaltstitels an auslösen".

Das Sächsische Oberverwaltungsgericht fordert dementsprechend einerseits einen sachlichen Zusammenhang zwischen abgelaufenem und neu beantragtem Aufenthaltstitel, der jedenfalls fehle, wenn ein Ausländer "untertaucht" und sich damit der für ihn geltenden ausländerrechtlichen Regelungen entziehe, womit auch der unmittelbare Bezug zu dem früheren Aufenthaltstitel entfalle. In zeitlicher Hinsicht sei andererseits nur eine geringfügige Verspätung geeignet, die Rechtsfolgen des § 81 Abs. 4 AufenthG auszulösen. Dabei habe im konkreten, vom Oberverwaltungsgericht entschiedenen, Fall bei "einer Verspätung von lediglich vier Tagen" offen bleiben können, "welche Zeitspanne darüber hinaus noch als geringfügig anzusehen" sei. Jedenfalls würde "das Regelwerk des Aufenthaltsgesetzes in Extremfällen außer Kraft gesetzt, in denen ein Ausländer selbst nach Jahren und bei völlig fehlenden Erfolgsaussichten rückwirkend zwingend eine lückenlose Fiktion eines Aufenthaltstitels erwirken könnte" (vgl. im Einzelnen und ausführlich: SächsOVG, Beschluss vom 22. Februar 2007, a.a.O.).

In Anwendung dieser Grundsätze hält die Kammer die Verspätung der Antragstellung nicht für lediglich geringfügig. Der Antrag ist damit nicht mehr als noch im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Ablauf des Aufenthaltstitels gestellt anzusehen. Zwar trägt der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers vor, dass der Antrag – wie in dem vom SächsOVG entschiedenen Fall – lediglich vier Tage nach Ablauf des ursprünglichen Titels gestellt worden sei. Diese Behauptung einer zunächst mündlichen Antragstellung ist allerdings nicht belegt.

Gegen eine Antragstellung bereits am 24. Januar 2008 spricht auch, dass der behauptete mündliche Antrag seitens des anwaltlich vertretenen Antragstellers nicht zeitnah schriftlich wiederholt oder bestätigt wurde.

Die Kammer geht davon aus, dass (frühestens) in diesem Schreiben ein Antrag auf Verlängerung des am. Januar 2008 abgelaufenen Titels gesehen werden kann. Bei einem solchen, erst nach sechs Wochen gestellten Antrag vermag das Gericht indes keinen unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Ablauf der vorhergehenden Aufenthaltserlaubnis mehr zu bejahen. Mit dem Sächsischen Oberverwaltungsgericht geht die Kammer davon aus, dass nur eine geringfügige Verspätung geeignet ist, die Rechtsfolgen des § 81 Abs. 4 AufenthG auszulösen. Bei einer "Verspätung" von mehr als sechs Wochen kann allein aufgrund des Zeitablaufs schon begrifflich nicht mehr von einer Verlängerung des ursprünglichen Titels gesprochen werden (vgl. Funke-Kaiser, a.a.O.).