VG Minden

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Zitieren als:
VG Minden, Beschluss vom 24.04.2008 - 8 K 1515/06.A - asyl.net: M13228
https://www.asyl.net/rsdb/M13228
Leitsatz:

Im Rahmen der Prozesskostenhilfe ist eine Geschäftsgebühr aus einem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren auf die Verfahrensgebühr anzurechnen.

 

Schlagwörter: Verfahrensrecht, Kostenrecht, Kosten, Geschäftsgebühr, Verfahrensgebühr, Anrechnung, Prozesskostenhilfe
Normen: ZPO § 114, VwGO § 166; VwGO § 164
Auszüge:

Im Rahmen der Prozesskostenhilfe ist eine Geschäftsgebühr aus einem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren auf die Verfahrensgebühr anzurechnen.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die gemäß §§ 165, 151 VwGO zulässige Erinnerung ist unbegründet.

Zutreffend hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle in dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 11.03.2008 122,85 EUR Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VVRVG nebst anteiliger Umsatzsteuer von den geltend gemachten Kosten abgesetzt, weil der Kläger bereits im vorausgegangenen Verwaltungsverfahren von seiner Prozessbevollmächtigten vertreten wurde. Diese Vorgehensweise findet ihre Stütze in Abs. 4 Satz 1 der Vorbemerkung Nr. 3 VVRVG, wonach die Geschäftsgebühr zur Hälfte, jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75, auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet wird, soweit wegen desselben Gegenstandes eine Geschäftsgebühr nach den Nrn. 2300 bis 2303 entsteht.

Ergänzend sei noch dargelegt, dass die vorgesehene Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr auf der Erwägung beruht, dass der Anwalt, der für seinen Mandanten im Verwaltungsverfahren schon tätig war und hierfür eine Geschäftsgebühr erhält, bereits in die Materie eingearbeitet ist, wenn sich bei gleichem Gegenstand ein gerichtliches Verfahren anschließt. In diesen Fällen erhält der Anwalt von seinem Mandanten die Geschäftsgebühr sowie die um die anteilige Geschäftsgebühr verminderte Verfahrensgebühr. Die Regelung soll den Mandanten vor zu hohem Rechtsanwaltshonorar und insbesondere davor schützen, dass der Rechtsanwalt allein im Hinblick auf seinen Vergütungsanspruch ein rechtliches Verfahren einleitet (vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 10.07.2006 - 4 C 06.1129 -, NJW 2007, 170; und Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 28.03.2008 - 10 OA 143/07 -).

Auch ergibt sich aus der Gesetzesbegründung zum Kostenrechtsmodernisierungsgesetz, dass der Gesetzgeber mit Blick auf einen erfahrungsgemäß geringeren Einarbeitungs- und Vorbereitungsaufwand des schon vorprozessual mit der Sache befassten und hierfür vergüteten Prozessbevollmächtigten dessen gerichtliche Verfahrensgebühr bereits in ihrer Entstehung um den in Vorbemerkung 3 Abs. 4 VVRVG beschriebenen Teil der vorprozessual verdienten Gebühren kürzen wollte. Es besteht kein Anlass, insofern von einem korrekturbedürftigen Redaktionsversehen des Gesetzgebers bei Abfassung der genannten Anrechnungsbestimmung auszugehen (so BGH, Beschluss vom 22.01.2008 - VIII ZB 57/07 -, aufgerufen in juris).

Vielmehr sollte eine vormals bestehende nicht zu rechtfertigende Gleichbehandlung des Rechtsanwalts, der unmittelbar einen Prozessauftrag erhält, mit dem Rechtsanwalt, der bereits außergerichtlich tätig gewesen ist und deshalb mit der Angelegenheit vertraut ist, beseitigt werden. Eine Kostenfestsetzung ohne anteilige Anrechnung der Geschäftsgebühr hätte nämlich zur Folge, dass der im Kostenpunkt unterlegene Beteiligte entweder dem im Verwaltungsverfahren vorbefassten Rechtsanwalt mit dem überschießenden Betrag ein vom Gesetz nicht vorgesehenes Erfolgshonorar verschafft oder entgegen der gesetzlichen Regelung die vom obsiegenden Beteiligten allein zu tragende Geschäftsgebühr anteilig erstattet (so Niedersächsisches OVG, a.a.O. Gründe dafür, dass die von diesem Zweck getragene Anrechnungsregelung im Prozesskostenhilfeverfahren keine Anwendung finden soll, sind nicht zu erkennen. Selbst wenn man die Auffassung teilt, dass die Regelung nur das Innenverhältnis zwischen Mandant und Anwalt betrifft (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25.04.2006 - 7 E 410/06 -, NJW 2006, 1991), so ist dies gerade berührt, denn die Staatskasse tritt mit der Gewährung der Prozesskostenhilfevergütung an die Stelle des Bedürftigen, gegenüber dem beauftragten Anwalt zahlungspflichtigen Mandanten (vgl. § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO). Eine andere Betrachtungsweise würde auch zu dem kaum gewollten Ergebnis führen, dass der im Rahmen der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt die volle Geschäftsgebühr auch dann von der Landeskasse beanspruchen könnte, wenn die bedürftige Partei ihm die Geschäftsgebühr bereits in voller Höhe bezahlt hat. Er könnte sich dann finanziell besser stehen, als wenn er eine nicht bedürftige Partei vertreten hätte, dieses Ergebnis lässt sich nur dadurch vermeiden, dass die Anrechnungsregelung Vorbemerkung 3 Abs. 4 VVRVG auch im Rahmen der Prozesskostenhilfevergütung Anwendung findet (so Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 02.11.2007 - 13 Ta 181/07 -).