OVG Saarland

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Zitieren als:
OVG Saarland, Beschluss vom 30.04.2008 - 2 B 214/08 - asyl.net: M13220
https://www.asyl.net/rsdb/M13220
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Abschiebungshindernis, inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse, beabsichtigte Eheschließung, Privatleben, EMRK, Aufenthaltsdauer, Integration, Straftaten, Lebensunterhalt, Suizidgefahr, Abschiebung, ärztliche Begleitung, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), einstweilige Anordnung
Normen: VwGO § 123 Abs. 1; AufenthG § 60a Abs. 2; EMRK Art. 8; GG Art. 6 Abs. 1
Auszüge:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 30.4.2008 - 10 L 409/08 - muss erfolglos bleiben. Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag, den Antragsgegner zu verpflichten, Abschiebemaßnahmen so lange auszusetzen "bis die Heirat durchgeführt werden kann und über eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 AufenthG entschieden wurde", zu Recht nicht entsprochen.

Dass der Antragsteller nach eigenem Bekunden beabsichtigt, Frau Z. zu heiraten, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Eine rechtliche Unmöglichkeit (§ 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG) lässt sich aus dem Sachvortrag nicht herleiten. Das hat das Verwaltungsgericht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats zutreffend ausgeführt. Die Aussetzung der Abschiebung eines "heiratswilligen" Ausländers unter dem Gesichtspunkt der als "Vorwirkung" der Ehe bereits vom Schutzbereich des Art. 6 GG mit umfassten Eheschließungsfreiheit setzt über das Bestehen ernsthafter Absichten der Partner hinaus voraus, dass eine mögliche Bleiberechte vermittelnde Eheschließung mit einem deutschen Staatsangehörigen "unmittelbar bevorsteht" (vgl. beispielsweise OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 24.4.2008 - 2 B 199/08 -, vom 26.11.2007 - 2 B 461/07 -, bei juris, vom 30.9.2003 - 2 W 62/03 -, mit zahlreichen Nachweisen auch aus der Rechtsprechung anderer Obergerichte, vom 12.12.2005 - 2 W 27/05 -, SKZ 2006, 63. Leitsatz Nr. 79 und vom 7.12.2006 - 2 W 33/06 -, SKZ 2007, 48, Leitsatz Nr. 65). Davon kann nicht ausgegangen werden. Nach eigenem Vorbringen sind die notwendigen Unterlagen unvollständig. Außerdem steht danach auch noch deren anschließend notwendige Überprüfung durch das zuständige Saarländische OLG aus.

Nach der Rechtsprechung des Senats kommt auch ein Anspruch des im Kindesalter eingereisten und in Deutschland aufgewachsenen Antragstellers auf der Grundlage des Art. 8 EMRK als so genannter "faktischer Inländer" nicht ernsthaft in Betracht. Von einer abgeschlossenen "gelungenen" Integration eines Ausländers in die Lebensverhältnisse in Deutschland, die nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) Grundvoraussetzung für die Annahme eines rechtlichen Abschiebungshindernisses auf der Grundlage des Art. 8 Abs. 1 EMRK ist, kann nicht bereits deswegen ausgegangen werden, weil dieser sich eine bestimmte Zeit im Aufnahmeland aufgehalten hat. Eine Aufenthaltsbeendigung kann vielmehr nur dann einen konventionswidrigen Eingriff in das "Privatleben" im Verständnis des Art. 8 Abs. 1 EMRK darstellen, wenn der Ausländer aufgrund seines (längeren) Aufenthalts über so "starke persönliche, soziale und wirtschaftliche Kontakte" zum "Aufnahmestaat" verfügt, dass er aufgrund der Gesamtentwicklung "faktisch zu einem Inländer" geworden ist, dem wegen der Besonderheiten seines Falles ein Leben in dem Staat seiner Staatsangehörigkeit, zu dem er keinen Bezug (mehr) hat, schlechterdings nicht mehr zugemutet werden kann. Das ist hier auch bei Berücksichtigung der Bindungen aufgrund des langjährigen Aufenthalts in Deutschland nicht der Fall. Der Antragsteller ist weder wirtschaftlich noch – wie die vielen, letztlich zu seiner Ausweisung Anlass gebenden, zweifellos auch seiner Lebensgefährtin bekannten erheblichen strafrechtlichen Verfehlungen belegen – sozial in die hiesigen Lebensverhältnisse integriert.

Soweit der Antragsteller einwendet, dass seine Reisefähigkeit noch nicht untersucht worden sei, und er auf erneute Selbstmordabsichten seinerseits hinweist, so hat der Antragsgegner auf telefonische Anfrage des Senats noch einmal ausdrücklich erklärt, dass eine lückenlose ärztliche Begleitung des Abschiebungsvorgangs sichergestellt sei und auch die deutsche Botschaft in Pristina die Inempfangnahme im Heimatland durch einen Arzt zugesichert habe, der gegebenenfalls die medizinischen Vorkehrung zu treffen hat. Daher ist davon auszugehen, dass der Antragsteller auch bei der Rückkehr nicht sich selbst überlassen bleiben sondern in fachkundige Obhut genommen werden wird.