OLG Hamm

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Zitieren als:
OLG Hamm, Beschluss vom 28.02.2008 - 3 Ss 429/07 - asyl.net: M13188
https://www.asyl.net/rsdb/M13188
Leitsatz:
Schlagwörter: Strafrecht, Aufenthaltsgestattung, Verfahrensrichtlinie, Verstoß gegen räumliche Beschränkung
Normen: AsylVfG § 85 Nr. 2; RL 2003/9/EG Art. 16 Abs. 3; RL 2003/9/EG Art. 7
Auszüge:

Art. 16 Abs. 3 der Richtlinie 2003/9/EG des Rates zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten (im Folgenden: Richtlinie) regelt nicht die hier in Rede stehende strafrechtliche Verfolgung eines Asylbewerbers wegen Verstoßes gegen eine räumliche Aufenthaltsbeschränkung, sondern die mögliche Sanktionierung von groben Verstößen gegen Vorschriften von Unterbringungszentren und von grob gewalttätigem Verhalten. Aus Art. 7 der Richtlinie ergibt sich, dass die Mitgliedstaaten die Bewegungsfreiheit von Asylbewerbern auf ein ihnen zugewiesenes Gebiet und unter bestimmten Voraussetzungen auf einen bestimmten Ort als Wohnsitz beschränken können, allerdings vorsehen sollen, dass befristete Genehmigungen zum Verlassen eines zugewiesenen Gebiets bzw. Wohnsitzes erteilt werden können. Zu der Frage einer strafrechtlichen Ahndung von Verstößen gegen eine räumlich beschränkte Aufenthaltsgestattung äußert sich die Richtlinie nicht, so dass entgegen der Ansicht der Revision nationale Vorschriften, wonach Verletzungen von Aufenthaltsbeschränkungen strafrechtlich verfolgt werden können, durch die Richtlinie nicht berührt werden. Dem entsprechend ist bei der Umsetzung der Richtlinie in der Bundesrepublik Deutschland durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.08.2007 (BGBl. 1 S. 1970), dass am 28.08.2007 in Kraft getreten ist. die Strafvorschrift des § 85 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG beibehalten worden. Ein Ausschluss strafrechtlicher Verfolgung von Verstößen gegen Aufenthaltsbeschränkungen lässt sich entgegen der Ansicht der Revision auch nicht aus den Artikeln 7 Abs. 4 und 16 Abs. 1 Buchstabe a) der Richtlinie herleiten. Denn diese Vorschriften beziehen sich nur auf die in der Richtlinie festgelegten Aufnahmebedingungen selbst, indem sie regeln, unter welchen Voraussetzungen die Vorteile, die einem Asylbewerber im Rahmen der Aufnahmebedingungen grundsätzlich zustehen sollen, von einer Bedingung abhängig gemacht oder eingeschränkt bzw. entzogen werden dürfen. Angesichts dessen kann es hier dahingestellt bleiben, ob der Europäischen Union überhaupt eine Strafrechtskompetenz zugesprochen werden kann (verneinend Tröndle/Fischer, StGB, 54. Aufl., vor § 3 Rdnr. 6).