VG Berlin

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Zitieren als:
VG Berlin, Beschluss vom 04.10.2007 - VG 23 V 18.07 - asyl.net: M13153
https://www.asyl.net/rsdb/M13153
Leitsatz:

Die Auslandsvertretungen der Bundesrepublik Deutschland sind verpflichtet, Visumsanträge entgegenzunehmen.

 

Schlagwörter: D (A), Verfahrensrecht, Visumsantrag, Antragstellung, Auslandsvertretung, Entgegennahme
Normen: VwGO § 161 Abs. 1; BGB § 130; VwVfG § 2 Abs. 3 Nr. 3; VwVfG § 24 Abs. 3; GG Art. 17; AufenthG § 82 Abs. 1
Auszüge:

Die Auslandsvertretungen der Bundesrepublik Deutschland sind verpflichtet, Visumsanträge entgegenzunehmen.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Nachdem die Beteiligten übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist durch Beschluss über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden (§ 161 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO). Diese Kosten fallen nach § 161 Abs. 3 VwGO der Beklagten zur Last. Ein zureichender Grund dafür, dass über die Visumsanträge des Klägers vom 4. und 11. Oktober 2005 im Zeitpunkt der Klageerhebung, am 1. Juli 2006, sachlich noch nicht entschieden worden war, lag nicht vor. Der Kläger hatte diese Anträge rechtswirksam gestellt, da die Anträge dem Verbindungsbüro Kosovo der Beklagten in Pristina als empfangsbedürftige Willenserklärungen entsprechend § 130 BGB ungeachtet der Weigerung dieses Verbindungsbüros, die Anträge und die mit ihnen vorgelegten Unterlagen entgegenzunehmen, zugegangen waren (vgl. BayVGH, Beschluss vom 10. Oktober 1979 - Nr. 12. Ce - 6181/79 -, BayVBl. 1979 S. 753, m. w. N.; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Auflage, § 24 Rn. 71). Es ist unerheblich, dass die genannten Unterlagen - nach Auffassung des Verbindungsbüros - unvollständig waren. Denn das Verbindungsbüro war nicht berechtigt, die Entgegennahme der Anträge und der Unterlagen deswegen zu verweigern. Es spielt keine Rolle, dass das Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG - nach § 2 Abs. 3 Nr. 3 VwVfG für die Tätigkeit der Auslandsvertretungen des Bundes nicht gilt. Denn die in § 24 Abs. 3 VwVfG niedergelegte, auf Art. 17 GG zurückgehende Verpflichtung der (zuständigen) Behörde, Erklärungen und Anträge ohne Rücksicht auf Zulässigkeit oder Begründetheit entgegenzunehmen, bestand für das Verbindungsbüro unabhängig von der Geltung des VwVfG. Diese Verpflichtung ist nämlich selbstverständlich (vgl. BayVGH, Beschluss vom 10. Oktober 1979 - Nr. 12. Ce - 6181/79 -, a.a.O.; Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 24 Rn. 71). Es ist nicht erkennbar, dass die besonderen äußeren Bedingungen und Voraussetzungen, unter denen die Tätigkeit der Vertretungen des Bundes im Ausland (auf fremdem Territorium, innerhalb eines anderen Rechtskreises) stattfindet, der Verpflichtung entgegenstehen. Das Vorbringen der Beklagten, dem Verbindungsbüro sei es bereits aus logistischen Gründen nicht möglich, unvollständige Anträge anzunehmen und vorzuhalten, bis die Unterlagen dann nach und nach (wenn überhaupt) nachgereicht würden, ändert an der Beurteilung nichts. Das Verbindungsbüro kann Visumsanträge, auf deren Stellung trotz des Hinweises auf die Unvollständigkeit der vorgelegten Unterlagen bestanden wird, ablehnen, ohne den Antragstellern zuvor Gelegenheit zur Ergänzung der vorgelegten Unterlagen zu geben. Die Beklagte hat für ihre pauschale Behauptung, das Verbindungsbüro verfahre ggf. auch so, keinen Beweis angetreten. Diese Behauptung, die die Beklagte erstmals mit Schriftsatz vom 21. September 2006 aufstellte, steht außerdem zumindest in Widerspruch zu dem vorgerichtlichen Schreiben des Verbindungsbüros vom 23. Februar 2006. Aus § 81 - gemeint ist wohl § 82 - Abs. 1 Satz 2 AufenthG - ergibt sich nichts Anderes, zumal diese Vorschrift nicht für die Auslandsvertretungen des Bundes, sondern nur für die Ausländerbehörde gilt. Es mag sein, dass die Vorgehensweise des Verbindungsbüros (Verweigerung der Annahme von Visumsanträgen, für die nicht vollständige Unterlagen vorgelegt werden [="Zurückweisung" der entsprechenden Antragsteller], Hinweis auf fehlende Unterlagen und Vergabe eines neuen, zeitnahen Termins zur Beantragung eines Visums) sich aus der Sicht der Beklagten bewährt hat. Das vermag aber nichts daran zu ändern, dass sie aus den genannten Gründen rechtswidrig ist.