VG Sigmaringen

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Zitieren als:
VG Sigmaringen, Beschluss vom 13.03.2008 - 5 K 396/08 - asyl.net: M12919
https://www.asyl.net/rsdb/M12919
Leitsatz:
Schlagwörter: Verfahrensrecht, Kosten, Gerichtskosten, Streitwert, Kostenfestsetzungsbeschluss, Rechtskraft, Nachfestsetzung
Normen: RVG § 30
Auszüge:

Die nach §§ 164, 165, 151, 147 VwGO zulässige Erinnerung der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 16.1.2008 ist unbegründet, da dieser auf den Kostenfestsetzungsantrag des Bevollmächtigten der Klägerin die sich aus der Berechnung aus einem höheren Gegenstandswert (3.000 EUR statt 1.500 EUR) ergebenden und von der Beklagten zu erstattenden Kosten zu Recht festgesetzt hat.

Zwar ist der Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten vom 28.9.2006, mit dem die von der Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten auf Grundlage eines Gegenstandswertes von 1.500 EUR berechnet wurden, in Rechtskraft erwachsen (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 17.2.1995 - 2 BvR 502/92, 2 BvR 648/92, 2 BvR 770/92, 2 BvR 800/92 -, JurBüro 1995, 583; OLG Hamburg, Beschluss vom 8.11.1985 - 8 W 280/05 -, MDR 1986, 244; Eyermann/Happ, VwGO, § 164 RdNr. 15; Kopp, VwGO, 15. Aufl., § 164 RdNr. 3). Die Rechtskraft reicht aber nur so weit, als über geltend gemachte Aufwendungen entschieden wurde, die also entweder zugesprochen oder aberkannt wurden. Rechtskraftfähig sind nur die einzelnen Posten, nicht der Gesamtbetrag. Bisher nicht angemeldete Kosten werden von der Rechtskraftwirkung nicht erfasst; insoweit ist die Zulässigkeit der Nachfestsetzung allgemein anerkannt (BVerfG, Beschluss vom 17.2.1995, a.a.O.; BayObLG, Beschluss vom 6.2.2004 - Verg 25/03 -, ZfBR 2004, 621 mit zahlreichen Nachweisen; Eyermann/Happ, VwGO, § 164, a.a.O). Dies gilt auch hinsichtlich der Nachfestsetzung für die Forderung von Mehrbeträgen von schon geltend gemachten Ansätzen (BayObLG, Beschluss vom 6.2.2004, a.a.O.; Beschluss vom 30.1.2007 - Verg 20/06 -; OLG Bamberg, Beschluss vom 14.6.1985 - 6 W 16/85 -; OLG Hamburg, Beschluss vom 17.8.1978 - 8 W 222/78 -, MDR 1979, 235; Stein/Jonas/Bork, ZPO, § 103 RdNr. 12), so dass die Rechtskraft des ursprünglichen Kostenfestsetzungsbeschlusses der Nachfestsetzung einer höheren, aus dem richtigen Gegenstandswert folgenden Verfahrens- und Terminsgebühr nicht entgegensteht (BayObLG, Beschlüsse vom 6.2.2004 und vom 30.1.2007, a.a.O.; OLG Hamm, Beschluss vom 18.2.1981 - 23 W 51/81 -, AnwBl. 1982, 74; Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl., § 104 RdNr. 21 Stichwort Streitwert).

Die Kammer vermag in der Geltendmachung der Nachfestsetzung durch den Bevollmächtigten der Klägerin – entgegen der Ansicht der Beklagten – keine unzulässige Rechtsausübung zu erkennen. Offensichtlich in Unkenntnis der geänderten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Gegenstandswert bei Klagen um den Widerruf der Voraussetzungen des § 51 AuslG hat der Bevollmächtigte der Klägerin – zudem auf Hinweis des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle – seinen ursprünglichen Kostenfestsetzungsantrag auf Grundlage eines Gegenstandswertes von 3.000 EUR zurückgenommen und dann einen erneuten Kostenfestsetzungsantrag auf Grundlage eines Gegenstandswertes von 1.500 EUR gestellt. Dass der Bevollmächtigte der Klägerin bereits im Zeitpunkt des geänderten Kostenantrags vom 21.9.2006 die neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes zur Auslegung des § 30 RVG hätte kennen müssen, wie die Beklagte meint, führt nicht dazu, dass der Antrag auf Nachfestsetzung treuwidrig ist. Vielmehr ist anerkannt, dass ein Irrtum einer Partei/eines Beteiligten über den Streitwert/Gegenstandswert bei einem Kostenfestsetzungsantrag durch eine Nachfestsetzung unabhängig davon korrigiert werden kann, ob die irrige Streitwertannahme bereits im abgeschlossenen Kostenfestsetzungsverfahren hätte aufgedeckt werden können (vgl. BayObLG, Beschluss vom 30.1.2007, a.a.O., OLG Hamm, Beschluss vom 18.2.1981, a.a.O.; Zöller/Herget, § 104 ZPO RdNr. 21 Stichwort Streitwert). Im Hinblick auf das Vorbringen der Beklagten sei nur am Rande angemerkt, dass der Hinweis des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 18.7.2006 - 1 C 15.05 (BVerwGE 126, 243) auf den Gegenstandswert von 3.000 EUR bei Klagen hinsichtlich der Rechtsstellung nach § 51 Abs. 1 AuslG/60 Abs. 1 AufenthG in zahlreichen Veröffentlichungen nicht wiedergegeben wurde (vgl. etwa die Wiedergabe des Urteils in der elektronischen Entscheidungssammlung juris; auch die Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts Nr. 42/2006 zu dem Urteil vom 18.7.2006 enthielt keinen derartigen Hinweis. Selbst in der amtlichen Entscheidungssammlung des Bundesverwaltungsgerichts BVerwGE 126, 243 ist das obiter dictum zur Höhe des Gegenstandswertes nicht abgedruckt.)