VG Dresden

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Zitieren als:
VG Dresden, Beschluss vom 14.03.2008 - 3 L 108/08 - asyl.net: M12917
https://www.asyl.net/rsdb/M12917
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Duldung, Ehegattennachzug, Abschiebungshindernis, inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse, Aufenthaltserlaubnis, Visumsverfahren, allgemeine Erteilungsvoraussetzungen, Eheschließung, Zumutbarkeit, Ausweisungsgrund, illegale Einreise, Straftat, Verstoß gegen Rechtsvorschriften, Asylantrag, Rechtsmissbrauch, Ausreisehindernis, Schutz von Ehe und Familie, Schwangerschaft, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren)
Normen: VwGO § 123 Abs. 1; AufenthG § 27; AufenthG § 10 Abs. 3; AufenthG § 5 Abs. 2; AufenthV § 39 Nr. 4; AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 2; AufenthG § 95 Abs. 1 Nr. 3; AufenthG § 55 Abs. 2 Nr. 2; AufenthG § 25
Auszüge:

Die Anträge haben keinen Erfolg.

Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.

Allerdings hat die Antragstellerin kein verfahrensbezogenes Aufenthaltsrecht und damit keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Sie hat weder einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis noch auf ermessensfehlerfreie (Neu-) Bescheidung ihres entsprechenden Antrags oder auf die Erteilung einer Duldung.

Der Antragstellerin kann eine Aufenthaltserlaubnis unter familiären Gesichtspunkten nach Maßgabe der §§ 27, 29, 30 des Aufenthaltsgesetzes – AufenthG derzeit nicht erteilt werden. Nachdem sie ihren Asylantrag zurückgenommen hat, darf ihr vor der Ausreise ein Aufenthaltstitel zum Ehegattennachzug nur erteilt werden, wenn insofern ein Anspruch besteht (vgl. § 10 Abs. 3 AufenthG). Einen solchen Anspruch besitzt die Antragstellerin nicht.

Soweit der Antragsgegner einen Verstoß gegen § 5 Abs. 2 AufenthG sieht, weil es an der Einreise ins Bundesgebiet mit dem dafür erforderlichen Visum fehlt, übersieht er bisher die Regelung des § 39 Nr. 4 AufenthV. Nach dieser Vorschrift kann ein Ausländer "über die im AufenthG geregelten Fälle hinaus" – und damit abweichend von den Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 AufenthG – "einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einholen ..., wenn er eine Aufenthaltsgestattung nach dem Asylverfahrensgesetz besitzt und die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 oder 2 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen", also etwa durch eine Heirat ein gesetzlicher Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erworben wurde (vgl. § 10 Abs. 1 AufenthG). Zum Zeitpunkt der Heirat der Antragstellerin verfügte sie über eine Aufenthaltsgestattung. Ein solcher Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ist allerdings ausgeschlossen, weil der Antragstellerin ein Ausweisungsgrund (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG) entgegen gehalten werden kann.

Die Antragstellerin ist vor der Stellung ihres Asylantrags illegal, nämlich ohne den nach § 4 AufenthG erforderlichen Aufenthaltstitel (vgl. § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG) in das Bundesgebiet eingereist. Dies stellt gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG einen Rechtsverstoß dar, der mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bestraft wird. Es handelt sich mithin nicht um einen lediglich geringfügigen oder vereinzelten Verstoß gegen Rechtsvorschriften und stellt somit einen Ausweisungsgrund im Sinne des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG dar.

Ob allein die illegale Einreise eines Asylbewerbers einen Ausweisungsgrund darstellen kann, erscheint zwar fraglich. Generell wird davon ausgegangen, dass einem Asylbewerber ein "verfassungsunmittelbares Recht auf Einreise und vorläufigen Aufenthalt" zusteht, allerdings nur, wenn der Asylantrag "bei der Einreise oder jedenfalls – falls dies ausnahmsweise einmal nicht möglich oder zumutbar sein sollte – unverzüglich nach der Einreise gestellt wird" (vgl. Funke-Kaiser in GK-AufenthG, § 14, Rdnr. 15,16). In diesem Sinne – wohl sogar weitergehend – GK-AuslR, § 46 AuslG, Rdnr. 76 (unter Hinweis auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Mai 1981, 1 C 169/79, BVerwGE 62, 215 ff.): Reist ein Asylbewerber ohne den erforderlichen Sichtvermerk in die Bundesrepublik Deutschland ein, so hat die Ausländerbehörde die Einreise grundsätzlich nicht als illegal zu werten. Dies gilt auch für einen Verstoß gegen die Pflicht, sich unverzüglich zu melden.

Dies kann allerdings dann nicht gelten, wenn der Ausländer – wie hier – offensichtlich gar nicht zur ernsthaften Durchführung eines Asylverfahrens nach Deutschland einreist, sondern dieses Verfahren allein als "Vehikel" für einen von vornherein geplanten asylfremden Zweck nutzt.

Es braucht daher an dieser Stelle nicht erörtert zu werden, ob es der Antragstellerin aufgrund besonderer Umstände nicht zugemutet werden kann, das Visumverfahren nachzuholen (vgl. § 5 Abs. 2 Satz 2). Denn in diesen Fall könnte die Behörde lediglich im Ermessensweg von der Voraussetzung der Visumpflicht abweichen. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen im Ermessensweg ist indes nach § 10 Abs. 3 AufenthG ausgeschlossen (s.o.).

Der Antragstellerin könnte danach allenfalls eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach Maßgabe des § 25 Abs. 5 AufenthG erteilt werden, da dies gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG zulässig wäre.

Vorliegend geht das Gericht bei Anwendung dieser Maßstäbe davon aus, dass der Antragstellerin die vorübergehende Ausreise und ihre Wiedereinreise zur Familienzusammenführung mit dem entsprechenden Visum (§ 4 Abs. 1 Nr. 1, § 6 AufenthG) zumutbar ist. Die Antragstellerin ist mit ihrem Ehemann erst seit etwas mehr als fünf Monaten verheiratet. Sie hat zwar geltend gemacht, dass sie inzwischen ein Kind erwarte. Dieses wird voraussichtlich jedoch erst im August 2008 geboren, die Schwangerschaft befindet sich noch in einem recht frühen Stadium. Es ist nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin nicht ggf. rechtzeitig vor der Geburt des Kindes mit einem ordnungsgemäßen Visum erneut in die Bundesrepublik einreisen könnte. Anhaltspunkte dafür, dass die Ehegatten derzeit besonders aufeinander angewiesen sein könnten, sind nicht ersichtlich. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass auch der Ehemann der Antragstellerin die vietnamesische Staatsangehörigkeit besitzt. Insoweit erscheint auch möglich, dass die eheliche Lebensgemeinschaft zumindest vorübergehend auch im gemeinsamen Heimatland der Ehepartner hergestellt werden könnte. Zumindest dürfte besuchsweisem Kontakten nichts entgegenstehen.