Die Regelungen der Qualifikationsrichtlinie, die den Rechtsstatus von Personen mit subsidiären Schutz betreffen, sind auch auf Personen anwendbar, deren Abschiebung nach nationalem Recht verboten ist; zur Verpflichtung in einer Gemeinschaftsunterkunft zu wohnen.
Die Regelungen der Qualifikationsrichtlinie, die den Rechtsstatus von Personen mit subsidiären Schutz betreffen, sind auch auf Personen anwendbar, deren Abschiebung nach nationalem Recht verboten ist; zur Verpflichtung in einer Gemeinschaftsunterkunft zu wohnen.
(Leitsatz der Redaktion)
Die zulässige Klage ist begründet, denn der Kläger wird durch die Zuweisungsentscheidung der Regierung von Unterfranken vom 16. April 2007 in seinen Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Abweichend von Abs. 1 kann Personen i.S.d. Art. 1 im begründeten Ausnahmefall nach Ermessen der Auszug aus der Gemeinschaftsunterkunft gestattet werden (bzw., wenn, wie vorliegend, der Betroffene noch nicht in einer solchen untergebracht ist, von der Unterbringung in einer staatlichen Gemeinschaftsunterkunft abgesehen werden). Die Frage, ob im Einzelfall der Regelfall nach Art. 4 Abs. 1 AufnG oder ein begründeter Ausnahmefall nach Art. 4 Abs. 4 Satz 1 AufnG vorliegt, ist dabei eine tatbestandliche Rechtsfrage, die der vollen Überprüfung durch die Verwaltungsgerichte unterliegt. Denn bei der Voraussetzung "begründeter Ausnahmefall" handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der für die Behörde keinen Beurteilungsspielraum enthält, sondern aufgrund der gegebenen Umstände des Einzelfalls nach objektiven Kriterien zu beurteilen ist (ständige Rechtsprechung des BayVGH, vgl. z.B. B.v. 23.02.2006 Nr. 21 B 06.303).
Im Vordergrund stehen dabei die vom Betroffenen geltend gemachten persönlichen Interessen, die gegen einen Umzug in eine staatliche Gemeinschaftsunterkunft sprechen, und das ihnen rechtlich zukommende Gewicht, die das vom Gesetzgeber in Art. 4 Abs. 1 AufnG als Regelfall vertypisierte und in § 8 Abs. 5 Spiegelstriche 1 bis 3 DVAsyl und Art. 4 Abs. 4 Satz 2 AufnG noch beispielhaft spezifizierte öffentliche Interesse an der Unterbringung dieses Personenkreises in einer staatlichen Gemeinschaftsunterkunft deutlich überwiegen müssen. Einen Beispielsfall für ein solches überwiegendes Privatinteresse, das einen begründeten Ausnahmefall darstellen kann, führt § 8 Abs. 6 DVAsyl an (vgl. BayVGH, B.v. 24.05.2004 Nr. 21 CS 04.87). Danach soll der Haushaltsgemeinschaft von Ehegatten sowie Eltern und ihren minderjährigen ledigen Kindern oder sonstigen humanitären Gründen von gleichem Gewicht Rechnung getragen werden. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BayVGH (vgl. z.B. B.v. 28.09.2006 Nr. 21 ZB 06.1558), der die Kammer gefolgt ist und die auch im streitgegenständlichen Bescheid ihren Niederschlag gefunden hat, bedeutet die Regelung des § 8 Abs. 6 DVAsyl aber lediglich, dass Ehegatten regelmäßig nicht in verschiedenen Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden sollen. An dieser Rechtsprechung hält die Kammer in Anbetracht der Umstände des vorliegenden Falles und unter Berücksichtigung der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (in Folgendem: Qualifikationsrichtlinie) nicht mehr fest. Dies ergibt sich aus Folgendem:
Entgegen der bisherigen Rechtsprechung begründet die eheliche Lebensgemeinschaft mit einem Ausländer, der selbst nicht verpflichtet ist, in einer Gemeinschaftsunterkunft zu wohnen, jedenfalls dann einen Ausnahmefall i.S.v. Art. 4 Abs. 4 Satz 1 AufnG i.V.m. § 8 Abs. 6 DVAsyl, wenn es sich bei dem Ehepartner um den Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 2 AufenthG (Konventionsflüchtlinge) oder § 25 Abs. 3 AufenthG (Personen mit subsidiärem Schutzstatus) handelt. Sie sind in den Anwendungsbereich der Qualifikationsrichtlinie einbezogen, so dass die sich aus dieser Richtlinie ergebenden Rechte auf die Auslegung von Art. 4 Abs. 4 Satz 1 AufnG i.V.m. § 8 Abs. 6 DVAsyl ausstrahlen. Art. 4 Abs. 4 Satz 1 AufnG i.V.m. § 8 Abs. 6 DVAsyl sind für diese Fälle richtlinienkonform so auszulegen, dass deren familiäre Lebensgemeinschaft mit ihren Familienangehörigen i.S.v. Art. 2h) der Richtlinie einen Ausnahmefall begründet.
Beruht die Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten gemäß § 25 Abs. 3 AufenthG, wie hier, auf einem Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, ergibt sich dies allerdings nicht unmittelbar aus der Qualifikationsrichtlinie, sondern mittelbar aus der aufenthaltsrechtlichen Gleichstellung der Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 und Satz 1 AufenthG im deutschen Recht.
Die Qualifikationsrichtlinie selbst enthält weder für Personen, die internationalen Schutz genießen, noch für deren Familienangehörige ein Recht auf unbeschränkten Zugang zu Wohnraum. Art. 31 RL 2004/83/EG schreibt lediglich vor, dass sie beim Zugang zu Wohnraum nicht schlechter gestellt werden dürfen als andere Drittstaatsangehörige, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Da Personen, die internationalen Schutz genießen, als Inhaber von Aufenthaltserlaubnissen gemäß § 25 Abs. 2 oder Abs. 3 AufenthG nicht in den Anwendungsbereich von Art. 1 AufnG i.V.m. § 1 AsylbLG fallen und deshalb nicht gesetzlich zum Wohnen in einer Gemeinschaftsunterkunft verpflichtet werden, sind sie selbst nicht schlechter gestellt. Im Vergleich zu anderen Drittstaatsangehörigen sind jedoch auch ihre Familienangehörigen i.S.v. Art. 2 h) RL 2004/83/EG, die gemäß Art. 23 Abs. 2 RL 2004/83/EG in den Anwendungsbereich von Art. 31 RL 2004/83/EG einbezogen sind, nicht schlechter gestellt, denn die Verpflichtung zur Wohnung in der Gemeinschaftsunterkunft gemäß Art. 1 AufnG knüpft nicht an ihre Beziehung zu Personen mit internationalem Schutz an, sondern an die Leistungsberechtigung nach § 1 AsylbLG. In die in § 1 Abs. 1 AsylbLG aufgelisteten aufenthaltsrechtlichen Kategorien fallen Angehörige von Personen mit internationalem Schutz zwar regelmäßig. Sie werden dabei jedoch nicht schlechter gestellt als andere Drittstaatsangehörige mit entsprechenden Aufenthaltspositionen. Sie sind ihnen gegenüber deshalb weder rechtlich noch tatsächlich schlechter gestellt.
Wie sich auch aus Erwägung 29 zur Qualifikationsrichtlinie ergibt, gebietet Art. 23 Abs. 2 RL 2004/83/EG auch nicht, dass den Angehörigen dieselben Vergünstigungen gewährt werden wie dem Familienmitglied, das den internationalen Schutz genießt. Vorgeschrieben ist keine völlige Gleichstellung, sondern lediglich die Sicherstellung eines angemessenen Lebensstandards. Da die Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft unzweifelhaft geeignet ist, einen angemessenen Lebensstandard i.S.d. Qualifikationsrichtlinie zu sichern, verstößt die zwingende Einweisung in eine Gemeinschaftsunterkunft für sich genommen nicht gegen Art. 23 Abs. 2 RL 2004/83/EG. Auch wenn Art. 23 Abs. 2 RL 2004/83/EG es den Mitgliedstaaten grundsätzlich ermöglicht, bei der Gewährung von Vergünstigungen zwischen den Personen mit internationalem Schutz und ihren Familienangehörigen zu differenzieren, gilt dies jedoch nicht uneingeschränkt. Die Möglichkeit der Ungleichbehandlung findet ihre Grenze nämlich dort, wo eine Schlechterstellung der Familienangehörigen dazu führt, dass das Familienmitglied mit internationalem Schutz aufgrund dieser Schlechterstellung die ihm eigentlich rechtlich zustehende Vergünstigung praktisch nicht bzw. nur unter Preisgabe des Familienverbands wahrnehmen kann. Bei der Auslegung von Art. 23 Abs. 2 RL 2004/83/EG ist das vom EuGH entwickelte Gebot der praktischen Wirksamkeit zugrunde zu legen. Dieses besagt, dass einer rechtlich verliehenen Vergünstigung nicht durch anderweitige rechtliche Regelungen jede praktische Wirksamkeit genommen werden darf (vgl. z.B. EuGH, U. v. 19. Oktober 2004, Az. C-200/02 und ausführlich: Schlussantrag des Generalanwalts beim EuGH v. 18. Mai 2004 im selben Verfahren m.w.N.). Denn es wäre unbillig, ein Recht zwar formal zu gewähren, dessen tatsächliche Ausübung jedoch zugleich unmöglich zu machen bzw. wesentlich zu erschweren. Die einer Person mit internationalem Schutz gewährte Freizügigkeit liefe regelmäßig ins Leere, wenn die Mitglieder seiner Kernfamilie zwingend in eine Gemeinschaftsunterkunft eingewiesen würden. Entsprechend dem Gebot der praktischen Wirksamkeit ist das dem international Geschützten gewährte Recht auf unbeschränkten Zugang zu Wohnraum bei der Einweisung seiner Familienangehörigen in eine Gemeinschaftsunterkunft zu berücksichtigen. Dieser Auslegung von Art. 23 Abs. 2 RL 2004/83/EG steht nicht entgegen, dass die Qualifikationsrichtlinie selbst kein Recht auf unbeschränkten Zugang zu Wohnraum vorsieht. Denn der nationale Gesetzgeber muss sich auch dann bei der Ausgestaltung der Rechtsstellung von Familienangehörigen im Sinne von Art. 2 h) RL 2004/83/EG daran festhalten lassen, was er den Personen mit internationalem Schutz an Vergünstigungen gewährt, wenn er bei der Umsetzung der Qualifikationsrichtlinie über die dort vorgeschriebenen Mindeststandards hinaus geht. Hinzukommt, dass eine Verpflichtung zur Wohnung in einer Gemeinschaftsunterkunft aufgrund von Sozialleistungsbezug für Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) gegen Art. 23 GFK verstieße (zum Verstoß von entsprechenden Wohnsitzauflagen vgl. BVerwG, U. v. 15. Januar 2008, Az. 1 C 17.07), so dass für diesen Personenkreis die Anwendung des Gebots der praktischen Wirksamkeit auch aus völkerrechtlichen Gründen geboten sein dürfte. Nichts anderes kann für Personen mit subsidiärem Schutz gelten. Sie sind hinsichtlich ihrer aufenthaltsrechtlichen Stellung sowohl in der Qualifikationsrichtlinie als auch im nationalen Recht den Konventionsflüchtlingen gleichgestellt. Konventionsflüchtlinge und Personen mit subsidiärem Schutzstatus sind im internationalen Schutz gemäß Art. 2 a) und dessen Ausgestaltung in Art. 23 bis 34 RL 2004183/EG unterschiedslos zusammengefasst, so dass sich das bei der Auslegung der Qualifikationsrichtlinie zu beachtende Gebot der Vereinbarkeit mit der Genfer Flüchtlingskonvention nicht nur auf Familienangehörige von Konventionsflüchtlingen erstreckt, sondern auch auf Personen mit subsidiärem Schutz und deren Kernfamilie. Insgesamt ergibt sich deshalb, dass die Freizügigkeit des Familienmitglieds, das internationalen Schutz genießt, bei der Einweisung dessen Angehöriger in eine Gemeinschaftsunterkunft berücksichtigt werden muss.
Die aufgrund Art. 23 Abs. 2 RL 2004/83/EG i.V.m. dem Prinzip der praktischen Wirksamkeit gebotene Berücksichtigung kann durch eine richtlinienkonforme Auslegung von Art. 4 Abs. 4 Satz 1 AufnG i.V.m. § 8 Abs. 6 DVAsyl im nationalen Recht umgesetzt werden. Wird der Freizügigkeit des Familienmitglieds im Rahmen einer Ermessensentscheidung gemäß Art. 4 Abs. 4 Satz 1 AufnG i.V.m. § 8 Abs. 6 DVAsyl Rechnung getragen, ist gewährleistet, dass die dem international Schutzberechtigten gewährte Vergünstigung nicht regelmäßig ins Leere läuft.
Dies gilt auch für den Kläger. Zwar erfüllt die Ehefrau des Klägers nicht die Voraussetzungen des Art. 2 f) i.V.m. Art. 15 RL 2004/83/EG. Das bei ihr gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG festgestellte Abschiebungsverbot beruht ausschließlich auf ihrer Krankheit und steht nicht in einem gemäß Art. 15 c) RL 2004/83/EG erforderlichen Zusammenhang zu einem bewaffneten Konflikt. Art. 2 e) i.V.m. Art 15 c) RL 2004/83/EG werden in § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG umgesetzt. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hingegen begründet ein eigenständiges Abschiebungsverbot des deutschen Rechts. Die Qualifikationsrichtlinie selbst gebietet es somit nicht, die Ehefrau des Klägers und ihn als ihren Angehörigen in ihren Anwendungsbereich einzubeziehen. Dass es den Mitgliedstaaten unbenommen bleibt, neben den in RL 2004/83/EG vorgesehen Tatbeständen weitere Abschiebungsverbote einzuführen, ohne sie zwangsläufig in den Geltungsbereich der Qualifikationsrichtlinie einbeziehen zu müssen, wird in Erwägung 9 zur Qualifikationsrichtlinie klargestellt. Dies hindert die Mitgliedstaaten jedoch nicht, im nationalen Recht eine Gleichstellung mit dem internationalen Schutz der Qualifikationsrichtlinie vorzusehen und damit einen weiteren Personenkreis aufgrund nationalen Rechts in die nach der Qualifikationsrichtlinie gewährte Rechtsstellung einzubeziehen. Sieht das nationale Recht eine solche Einbeziehung vor, gebietet es die Einheitlichkeit der nationalen Rechtsordnung und der nationalen Rechtsanwendung, dass die Ausstrahlungswirkung der Qualifikationsrichtlinie sich auch auf diesen Personenkreis erstreckt. So verhält es sich nämlich mit den Personen, bei denen ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG festgestellt wird. Zwar fallen sie nicht schon aus europarechtlichen Gründen in den Anwendungsbereich der Qualifikationsrichtlinie, der deutsche Gesetzgeber hat sie jedoch sowohl in § 25 Abs. 3 AufenthG als auch sonst aufenthaltsrechtlich den Personen mit subsidiärem Schutz im Sinne von Art. 2 f) gleichgestellt und damit zum Ausdruck gebracht, dass die Qualifikationsrichtlinie kraft nationalen Rechts auf sie erstreckt werden soll. Eine Differenzierung zwischen Personen mit einem Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG und solchen gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG wäre darüber hinaus durch die gemäß § 7 Abs. 4 DVAsyl zuständige Regierung in der Praxis kaum leistbar. Der Regierung liegen die für diese Unterscheidung notwendigen Asylakten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge regelmäßig nicht vor. Ihnen ist regelmäßig nur die Rechtsgrundlage der gewährten Aufenthaltserlaubnis bekannt, aus der sich gerade nicht erkennen lässt, worauf das im Asylverfahren festgestellte Abschiebungsverbot gestützt wurde.