VG Köln

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Zitieren als:
VG Köln, Urteil vom 13.02.2008 - 10 K 611/07 - asyl.net: M12876
https://www.asyl.net/rsdb/M12876
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Staatsangehörigkeitsrecht, Staatsangehörigkeit, deutsche Staatsangehörigkeit, Verlust, Einbürgerung, Israel, Einwanderung, Antrag
Normen: RuStAG § 25 Abs. 1; StAG § 25 Abs. 1
Auszüge:

Die Klage ist zulässig und begründet.

Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf Erteilung eines Staatsangehörigkeitsausweises nach § 30 Staatsangehörigkeitsgesetz - StAG - in der Fassung vom 19.08.2007 (BGBl. I S.1970) in Verbindung mit § 17 Abs.3 des Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit vom 22.02.1955 (BGBl. I 65) zu.

Der Kläger hat die deutsche Staatsangehörigkeit nicht gemäß § 25 Abs.1 RuStAG in der bis 1999 geltenden Fassung verloren.

Der Kläger hat die israelische Staatsangehörigkeit nicht auf Antrag erworben. Ausweislich der vorgelegten Bescheinigung beruht der Staatsangehörigkeitserwerb auf der Anwendung von § 2 b) (2) des israelischen Staatsangehörigkeitsgesetzes 5712 - 1952 - isr.StAG -. Der Erwerb der israelischen Staatsangehörigkeit aufgrund Rückkehr nach § 2 b) (2) isr.StAG in Verbindung mit dem Rückkehrgesetz 5710 - 1950 - RückkG - erweist sich als Erwerb kraft Gesetzes, der nicht zum Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit nach § 25 Abs.1 RuStAG führt (im Ergebnis ebenso BGH, Urteil vom 02.02.1994 - XII ZR 148/92 - juris; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 30.09.1968 - VI 394/68 -, DÖV 1969, 248; Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Stand 2007, Israel S.39; Silagi, Staatsangehörigkeitsverlust praeter legem in der bundesdeutschen Rechtspraxis, StAZ 2006, 134, 138; a.A. VG München, Urteil vom 24.09.2001 - M 25 K 99.500 -, juris).

Gemäß § 2 a) isr.StAG ist jeder Einwanderer nach dem RückkG israelischer Staatsangehöriger aufgrund der Rückkehr, es sei denn, er besitzt die israelische Staatsangehörigkeit schon durch Geburt. Nach § 2 b) (2) isr.StAG erwirbt die Staatsangehörigkeit aufgrund der Rückkehr, wer in Israel nach der Staatsgründung einwanderte, und zwar am Tag der Einwanderung. Gemäß § 2 c) isr.StAG gilt dies nicht für denjenigen ausländischen Staatsangehörigen, der vor oder bei der Einwanderung bzw. dem Erhalt der Einwanderungsbescheinigung oder innerhalb einer bestimmten Frist danach erklärt, dass er kein israelischer Staatsangehöriger sein will. Das RückkG verleiht jedem Juden und seinem Ehepartner das Recht zur Einwanderung in das Land Israel. Die Einwanderung erfolgt aufgrund eines Einwanderungsvisums, das demjenigen erteilt wird, der seinen Willen bekundet, sich in Israel niederzulassen.

Der Erwerb der israelischen Staatsangehörigkeit aufgrund Rückkehr erfolgt nicht auf Antrag im Sinne des § 25 Abs.1 RuStAG, denn er erfordert keine auf den Eintritt des Erwerbs gerichtete Erklärung. § 2 a), b) (2) isr.StAG selbst stellt eine solche tatbestandliche Voraussetzung nicht auf. Ein Rückgriff auf die Beantragung des Visums für eine - der unter Umständen in erheblichem zeitlichen Abstand nachfolgende - Einwanderung scheidet ebenfalls aus. Dieser Antrag bringt keinen auf den Erwerb der israelischen Staatsangehörigkeit gerichteten Willen zum Ausdruck. Er bezieht sich unmittelbar und abschließend auf einen anderen Sachverhalt, nämlich auf die Erlaubnis zur Einwanderung und den Willen zur Niederlassung. Wer in ein Land einwandern und sich dort niederlassen will, bringt damit nach allgemeinem Verständnis nicht zum Ausdruck, die Staatsangehörigkeit dieses Landes erwerben zu wollen, weil eine Niederlassung bei entsprechender Gestattung gemeinhin auch dem Ausländer möglich ist. Eine damit womöglich in gewissem Umfang einhergehende "Hinwendung" zu diesem Staat ist ein derart vages und unsicheres Kriterium, das angesichts des eindeutigen Wortlauts des § 25 Abs.1 RuStAG und der dem deutschen Staatsangehörigkeitsrecht eigenen Formenstrenge nicht geeignet ist, die Verlustfolgen des § 25 RuStAG eintreten zu lassen. Ein Antragserwerb lässt sich auch nicht in der Erwägung bejahen, die mit der Beantragung des Einwanderungsvisums abgegebene Willenserklärung habe eine Handlung zum Gegenstand, mit der der Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit zwar nicht unmittelbar bezweckt, aber automatisch verbunden sei (ebenso für Fälle des Staatsangehörigkeitserwerbs infolge des Eintritts in den Militär- oder Staatsdienst, der Übernahme eines Amtes oder der Eheschließung: Makarov/v.Mangoldt, Deutsches Staatsangehörigkeitsrecht, 12.Lieferung 1998, § 25 Rdnr. 32; Lichter/Hoffmann, Staatsangehörigkeitsrecht, 3.Auflage 1966, S. 158; Renner, Ist Papst Benedikt XVI. Deutscher geblieben?, ZAR 2005, 282, 285; Silagi a.a.O. S.140; a.A. OVG NRW, Beschluss vom 17.12.2007 - 12 A 5053/05 - allerdings für die Fallgestaltung, dass der unmittelbare Zusammenhang zwischen der begehrten Handlung und einem dafür erforderlichen Staatsangehörigkeitserwerb evident ist, der Staatsangehörigkeitserwerb also notwendige Voraussetzung und nicht Folge der begehrten Handlung ist).

Eine derartige Handhabung würde jeden Erwerbstatbestand, der vom ausländischen Recht als ipso-iure-Erwerb ausgestaltet ist und an einen anderen, vom Erwerber willentlich beeinflussten Lebensbereich anknüpft, den Folgen des § 25 RuStAG unterwerfen. Dies lässt sich mit dem eindeutigen Wortlaut des § 25 Abs.1 RuStAG, der einen eigenen Antrag, das heißt einen auf den Erwerb der anderen Staatsangehörigkeit gerichteten, erklärten Willen zwingend verlangt (vgl. Renner a.a.O.) und der darin zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Zielsetzung nicht vereinbaren. Das in § 2 Abs.2 c) isr.StAG eingeräumte Ausschlagungsrecht führt zu keiner anderen Betrachtungsweise. Die Nichtausübung eines solchen Rechts erfüllt nicht das Merkmal der in positiver Weise auf den Erwerb der Staatsangehörigkeit gerichteten Willensbetätigung und ist mithin kein Antrag im Sinne des § 25 Abs.1 RuStAG (vgl. OVG NRW, Urteil vom 15.06.1999 - 8 A 4522/98 -, juris, Lichter/Hoffmann a.a.O. S.157).