VG Minden

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Zitieren als:
VG Minden, Urteil vom 07.01.2008 - 7 K 2678/06 - asyl.net: M12724
https://www.asyl.net/rsdb/M12724
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Altfallregelung, Aufenthaltserlaubnis, Kinder, volljährige Kinder, Duldung, Ermessen, Ermessensreduzierung auf Null, allgemeine Erteilungsvoraussetzungen, Lebensunterhalt, Erwerbstätigkeit, Mitwirkungspflichten, Passbeschaffung, Verzögerung der Aufenthaltsbeendigung, Behinderung der Aufenthaltsbeendigung, Bosnien-Herzegowina, Bosnier, Beweislast, Republika Srpska
Normen: AufenthG § 104a Abs. 2; AufenthG § 5; AufenthG § 104a Abs. 1 S. 1 Nr. 4
Auszüge:

In der Sache selbst zeigt sich, dass die Voraussetzungen des § 104 a Abs. 2 AufenthG erfüllt sind:

Nach § 104 a Abs. 2 Satz 1 steht die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis dann, wenn - wie hier - die tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt sind, im Ermessen des Beklagten als allgemeine Ausländerbehörde. Hier zeigt sich jedoch, dass das dem Beklagten zukommende Ermessen auf Null reduziert ist, so dass der Kläger einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis hat: Dies ergibt sich zum einen bereits daraus, dass die Identität und die Staatsangehörigkeit des Klägers geklärt sind, dass kein Ausweisungsgrund vorliegt und dass die Passpflicht nach § 3 AufenthG erfüllt ist, so dass insoweit die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG vorliegen. Auch kann dem Kläger insoweit nicht entgegengehalten werden, dass er derzeit seinen Lebensunterhalt nicht durch seine eigene Erwerbstätigkeit bestreiten kann, da er - soweit ersichtlich - allein aufgrund des Verhaltens des Beklagten nicht mehr in der Lage war, seine bisherige Berufstätigkeit fortzusetzen. Auch hat der Kläger vorgetragen, nach Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis werde er seine bisherige Arbeitsstelle wieder einnehmen können. Zugunsten des Klägers spricht des Weiteren auch, dass er sich nach seinen Angaben, die vom Beklagten nicht bestritten werden, intensiv um seine Eltern kümmert, die offensichtlich aus Alters- und Krankheitsgründen auf eine Betreuung durch ihren Sohn angewiesen sind.

Schließlich kann dem Kläger auch nicht entgegengehalten werden, dass er erst im Laufe des Jahres 2007 einen Pass vorlegen konnte, da ihm insoweit entgegen der Ansicht des Beklagten keine mangelnde Mitwirkung oder Ähnliches vorgehalten werden kann. Es zeigt sich vielmehr, dass der Kläger jedenfalls ganz überwiegend alle ihm gesetzten Termine eingehalten hat und insbesondere auch an Botschaftsvorführungen teilgenommen hat; ebenso hat er verschiedentlich Anträge auf Ausstellung von Passersatzpapieren gestellt. Dadurch hat er die Anforderungen erfüllt, die nach der ständigen Rechtsprechung auch des erkennenden Gerichts an einen Ausländer zu stellen sind, der seine Identität und Staatsangehörigkeit nicht zweifelsfrei belegen kann. Insoweit ist anerkannt, dass Zweifel in Bezug auf die Identitätsaufklärung und die Unmöglichkeit der Passbeschaffung zulasten der Kläger gehen, weil sie für die ausschließlich ihrem Einflussbereich unterliegenden, ihnen günstigen Tatsachen darlegungs- und beweispflichtig sind und dies auch in Ansehung einer für sie möglicherweise schwierigen Beweissituation gilt (so etwa OVG NRW, Beschlüsse vom 14.03.2006 - 18 E 924/04 - und vom 21.03.2005 - 18 A 4184103 -).

Erst wenn ein Ausländer die aufgezeigten (üblichen) Mitwirkungshandlungen erfüllt hat, trägt die Ausländerbehörde die Darlegungs- und Beweislast dafür, welche konkreten weiteren nicht von vornherein aussichtslosen Mitwirkungshandlungen der Betroffene zur Beseitigung des Ausreisehindernisses noch unternehmen kann (so OVG NRW, Beschluss vom 14.03.2006, a.a.O.; vgl. auch die Urteile der Kammer vom 27.03.2006 - 7 K 5860103 - und vom 26.11.2007 - 7 K 914/07 -).

Bei Berücksichtigung dieser Rechtsprechung zeigt sich hier, dass dem Kläger unter keinem Gesichtspunkt vorgeworfen werden kann, dass er erst im Jahre 2007 in Besitz eines Reisepasses von Bosnien-Herzegowina gelangt ist. Zum einen hat er - wie oben dargelegt - jedenfalls ganz überwiegend all das erfüllt, was der Beklagte von ihm verlangt hat, insbesondere hat er auch zu keinem Zeitpunkt falsche Angaben zu seinen Personalien gemacht. Wenn des Weiteren berücksichtigt wird, dass im März 2002 vom bosnisch-herzegowinischen Generalkonsulat in Bonn mitgeteilt worden ist, dass der Kläger bei einer Überprüfung in Sarajewo dort nicht identifiziert und daher auch kein Passersatzpapier ausgestellt werden konnte, zeigt sich, dass dem Kläger nicht vorgehalten werden kann, sein Verhalten habe eine Rückführung nach Bosnien-Herzegowina verhindert. Wenn nämlich die zuständige ausländische Behörde, die vom Beklagten in ordnungsgemäßer Weise am Verwaltungsverfahren beteiligt worden ist, trotz Angabe der offensichtlich richtig Daten eines Ausländers mitteilt, dieser habe von ihr nicht identifiziert werden können, ist nicht zu erkennen, welche anderen Möglichkeiten ein Ausländer haben könnte, um auf legalem Wege in Besitz von den erforderlichen Personalpapieren zu kommen. Dies gilt insbesondere auch bei Berücksichtigung des Umstandes, dass im Lagebericht des Auswärtigen Amtes für Bosnien und Herzegowina vom 16.02.2002 zwar ausgeführt wird, dass aufgrund der Kriegsfolgen erhebliche Schwierigkeiten bestehen, aussagekräftige Personaldokumentg zu erhalten. Insbesondere hat danach ein Austausch zwischen den beiden Entitäten kaum stattgefunden. Es liegen jedoch ebenso keinerlei Hinweise dafür vor, dass dann, wenn schon die zuständigen Behörden nicht in der Lage sind, wahrheitsgemäße Angaben eines Staatsangehörigen inhaltlich zu überprüfen bzw. zu bestätigen, es einem Bosnier im Ausland möglich sein könnte, auf legalem Weg in den Besitz von entsprechenden Personalpapieren zu gelangen. Insoweit führt der Lagebericht aus, dass es Möglichkeiten gibt, die Staatsangehörigkeit in Bosnien-Herzegowina festzustellen. Dabei müsse bei der Gemeinde nachgefragt werden, in der der Betroffene geboren worden sei, da es kein zentrales Staatsangehörigkeitsregister gebe. Die Feststellung der Staatsangehörigkeit dauere erfahrungsgemäß mehrere Monate und sei seitens deutscher Behörden über den diplomatischen Weg möglich, hilfsweise über einen Vertrauensanwalt der Auslandsvertretung gegen Kostenzusage. Auch der Lagebericht vom 04.05.2004 führt aus, dass der Nachweis der Staatsangehörigkeit durch Bescheinigung derjenigen Behörden erfolgt, die da Geburtsregister führt, wobei die deutsche Botschaft teilweise Amtshilfe im Rahmen einer Staatsangehörigkeitsbescheinigung leisten könnte. Auch hierdurch wird in keiner Weise deutlich, dass der Kläger weitergehende Möglichkeiten als die zuständigen deutschen Behörden gehabt hätte, um in den Besitz von ordnungsgemäßen Personalpapieren zu gelangen. Dies gilt umso mehr, weil in beiden Lageberichten u.a. auch ausgeführt wird, welche Schwierigkeiten es im Verhältnis zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen und den zwei Landesteilen, nämlich der Republika Srpska und der Föderation BIH gibt. Auch dies spricht dagegen, dass es dem Kläger als Bosnier seinerzeit möglich gewesen wäre, in seinem Geburtsort, der im Bereich der Republika Srpska liegt, eine Geburtsurkunde zu erhalten. Von daher kann auch offenbleiben, ob der Kläger schon früher die Möglichkeit gehabt hätte, sich durch Einschaltung von Verwandten, Vertrauenspersonen oder auf sonstigem Weg in den Besitz von Personalpapieren zu gelangen; dass dies erst im Jahre 2007 möglich war, kann ihm bei der dargestellten Sachlage und insbesondere vor dem Hintergrund der Auskunft des Generalkonsulats von Bosnien-Herzegowina vom März 2002 nicht vorgehalten werden.