FG Köln

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Zitieren als:
FG Köln, Urteil vom 20.12.2007 - 14 K 2820/03 - asyl.net: M12693
https://www.asyl.net/rsdb/M12693
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Kindergeld, Aufenthaltsbefugnis, Altfälle, Übergangsregelung, Aufenthaltserlaubnis, subsidiärer Schutz, Erwerbstätigkeit, Grundsicherung für Arbeitssuchende, Arbeitslosengeld II, Verfassungsmäßigkeit, Gleichheitsgrundsatz
Normen: EStG § 62 Abs. 2 Nr. 1; EStG § 52 Abs. 61a; AufenthG § 25 Abs. 3; AuslG § 30; AufenthG § 101 Abs. 2; GG Art. 3 Abs. 1
Auszüge:

Die Klage ist unbegründet.

I. Gemäß § 62 Abs. 2 Nr. 1 EStG in der Fassung des Gesetzes zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss vom 13.12.2006 – AuslAnsprG – (Bundesgesetzblatt – BGBl – I 2006, 2915, Bundessteuerblatt – BStBl – I 2007, 62) erhält ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer Kindergeld, wenn er über eine Niederlassungserlaubnis verfügt. Auch aus einer Aufenthaltserlaubnis, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt oder berechtigt hat, kann sich unter den Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 Nr. 2 EStG ein Anspruch auf Kindergeld ergeben. Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG wegen eines Krieges im Heimatland oder nach den §§ 23a, 24, 25 Abs. 3 bis 5 AufenthG kann gemäß § 62 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. Nr. 2 Buchst. c EStG einen Kindergeldanspruch begründen, wenn sich der Ausländer seit mindestens drei Jahren rechtmäßig, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhält und im Bundesgebiet berechtigt erwerbstätig ist, laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) bezieht oder Elternzeit in Anspruch nimmt.

§ 62 Abs. 2 EStG in der Fassung des Gesetzes vom 13.12.2006 ist mit Wirkung vom 01.01.2006 in Kraft getreten und erfasst alle Sachverhalte, bei denen – wie im Streitfall – das Kindergeld noch nicht bestandskräftig festgesetzt worden ist (§ 52 Abs. 61a Satz 2 EStG).

Die der Klägerin am 23.09.1999 erteilte und danach stets verlängerte Aufenthaltsbefugnis (vgl. § 30 AuslG 1990) ist mit der in § 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c EStG genannten Aufenthaltserlaubnis im Sinne des § 25 Abs. 3 AufenthG vergleichbar. Die Aufenthaltsbefugnis galt ab 01.01.2005 nach der Fortgeltungsregelung des § 101 Abs. 2 AufenthG als Aufenthaltserlaubnis entsprechend dem ihrer Erteilung zugrunde liegenden Aufenthaltszweck und Sachverhalt fort. Der Klägerin wurde auch später eine Aufenthaltserlaubnis im Sinne des § 25 Abs. 3 AufenthG erteilt.

Zwar hielt die Klägerin sich zu Beginn des streitgegenständlichen Zeitraums seit mehr als drei Jahren rechtmäßig in Deutschland auf (§ 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a EStG). Sie war aber in diesem Zeitraum weder erwerbstätig noch hat sie Elternzeit in Anspruch genommen oder laufende Geldleistungen nach dem SGB III bezogen (§ 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b EStG). Die Klägerin hat ihren Lebensunterhalt aus Mitteln bestritten, die ihr nach den Regelungen des Bundessozialhilfegesetzes bzw. des SGB II (Arbeitslosengeld II) zur Verfügung gestellt worden sind.

Auch das Arbeitslosengeld II nach § 19 SGB II in der Fassung des Gesetzes vom 24.12.2003 (BGBl I 2003, 2848) ist mit den Geldleistungen nach dem SBG III, d.h. den Lohnersatzleistungen (Arbeitslosengeld I) nach § 117 SGB III in der Fassung des Gesetzes vom 07.12.2006 (BGBl I 2006, 2814), nicht vergleichbar. Das Arbeitslosengeld II ist seinem Charakter nach keine beitragsfinanzierte Leistung, sondern eine aus Steuermitteln finanzierte Transferleistung (vgl. Bundessozialgericht Urteil vom 23.11.2006, B 11b AS 1/06 R, SozR 4-4200 § 20 Nr. 3). Der Klägerin hat mangels Erfüllung arbeitslosenversicherungsrechtlicher Voraussetzungen jedoch nur ein Anspruch auf Leistungen unter Sozialhilfegesichtspunkten zugestanden.

II. Die Regelung des § 62 Abs. 2 EStG in der Fassung des Gesetzes vom 13.12.2006 begegnet nach Auffassung des Senats keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Senat sieht deshalb keine Veranlassung zu einer Vorlage beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG).

1. Der Senat ist der Auffassung, dass die Neuregelung des § 62 Abs. 2 EStG mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist.

2. Schließlich fügt sich § 62 Abs. 2 EStG in der Fassung des Gesetzes vom 13.12.2006 in das abgestimmte System des Verhältnisses von Steuerentlastung und Sozialleistung ein.

III. Der Senat folgt nicht der Auffassung des 10. Senats des FG Köln (vgl. Vorlagebeschluss an das BVerfG vom 09.05.2007, 10 K 1689/07, juris), der den Gesetzeswortlaut "eine berechtigte Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet" für zu unbestimmt hält. Der Senat ist in Übereinstimmung mit dem Niedersächsischen FG (Urteil vom 09.07.2007, 16 K 427/05, EFG 2007, 1787) der Auffassung, dass der Begriff der Erwerbstätigkeit in § 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b EStG dem in § 2 Abs. 2 AufenthG entspricht, da § 62 Abs. 2 EStG auch im Übrigen an die Begriffsdefinitionen des AufenthG anknüpft. Anders als der 10. Senat des FG Köln meint, bedurfte es keiner – mit einer klaren und knappen Gesetzesfassung angesichts der Vielzahl denkbarer Fallgestaltungen kaum zu erreichenden – näheren Beschreibung der Erwerbstätigkeit wie etwa von Art und Umfang (vgl. dazu FG Düsseldorf Urteil vom 29.05.2007, 10 K 174/06 Kg, EFG 2007, 1453) oder der Höhe der erzielten Einkünfte (vgl. dazu Hessisches FG Urteil vom 12.07.2007 2 K 66/07, juris; FG Düsseldorf Urteil vom 20.03.2007, 10 K 1510/04 Kg, EfG 2007, 1530).