SG Halle

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Zitieren als:
SG Halle, Urteil vom 30.01.2008 - S 13 AY 76/06 - asyl.net: M12540
https://www.asyl.net/rsdb/M12540
Leitsatz:

Die Kosten für die Passbeschaffung sind nicht in den Regelsätzen nach § 28 Abs. 3 SGB XII enthalten, so dass Hilfe in sonstigen Lebenslagen gem. § 2 Abs. 1 AsylbLG i. V. m. § 73 SGB XII gewährt werden kann.

 

Schlagwörter: D (A), Asylbewerberleistungsgesetz, Hilfe für Erwerbsunfähige, Hilfe in sonstigen Lebenslagen, Passbeschaffung, Kosten, Regelsätze, Mitwirkungspflichten
Normen: AsylbLG § 2 Abs. 1; SGB XII § 73; AufenthG § 3 Abs. 1; AufenthG § 48; SGB XII § 28 Abs. 3
Auszüge:

Die Kosten für die Passbeschaffung sind nicht in den Regelsätzen nach § 28 Abs. 3 SGB XII enthalten, so dass Hilfe in sonstigen Lebenslagen gem. § 2 Abs. 1 AsylbLG i. V. m. § 73 SGB XII gewährt werden kann.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

Anspruchsgrundlage für die begehrte Kostenübernahme ist daher § 2 Abs. 1 AsylbLG i.V.m. § 73 Satz 2 SGB XII. Danach können Leistungen auch in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Geldleistungen können als Beihilfe oder als Darlehen erbracht werden.

Nach § 3 Abs. 1 AufenthG dürfen Ausländer nur in das Bundesgebiet einreisen oder sich darin aufhalten, wenn sie einen anerkannten und gültigen Pass besitzen. Nach § 48 Abs. 1 AufenthG ist ein Ausländer verpflichtet, seinen Pass, Passersatz oder seinen Ausweisersatz den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden vorzulegen, auszuhändigen oder vorübergehend zu überlassen, soweit dies zur Durchführung oder Sicherung von Maßnahmen nach diesem Gesetz erforderlich ist. Gemäß § 48 Abs. 3 AufenthG ist der Ausländer verpflichtet, an einer Beschaffung eines Identitätspapiers mitzuwirken sowie alle Urkunden und sonstigen Unterlagen vorzulegen, auszuhändigen oder zu überlassen. Die Kläger trifft somit die Pflicht, einen gültigen Pass zu haben bzw. zu beantragen, so sind die zur Erfüllung dieser Pflicht erforderlichen Kosten der Passbeschaffung bzw. die Verhinderung drohender Bestrafung bzw. Leistungskürzung zum Bedarf in sonstigen "Lebenslagen" im Sinne des § 73 SGB XII zu rechnen.

Entgegen der Ansicht des Beklagten werden die streitgegenständlichen Kosten für die Beschaffung auch nicht von den, den Klägern gewährten Regelsätzen erfasst, denn hierunter fallen nur Aufwendungen, die durch die Regelsatzleistung abgedeckten Bedürfnisse des täglichen Lebens beinhalten. Hier handelt es sich jedoch um einen Bedarf "in sonstigen Lebenslagen", dem durch eine einmalige Beihilfe nach § 73 SGB XII Rechnung zu tragen ist. Die streitgegenständlichen Kosten zur Passbeschaffung können keine der Bedarfgruppen der Regelsatzverordnung zugeordnet werden, insbesondere handelt es sich nicht um die Befriedigung eines persönlichen Bedürfnisses des täglichen Lebens im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 der Regelsatzverordnung. Dies wäre nur dann der Fall, wenn es sich um Kosten handeln würde, die den Kläger nicht notwendig entstehen, sondern von ihrer freien selbstbestimmenden Lebensführung abhängen (BVerwG, Urteil vom 29.10.1997 - 5 C 34/95 - , BVerwGE 105, 281 (285 f)); dies ist im vorliegendem Fall nicht der Fall, denn die Notwendigkeit der Beantragung eines Passes und die dazu erforderlichen Kosten ergeben sich aus gesetzlichen Vorschriften und sind darüber hinaus mit Leistungskürzungen und Bußgeldern strafbewehrt.

Ferner folgt die Kammer der Einschätzung des Bundesministeriums des Innern vom 13.06.2007, dass der Regelsatz keine Gebühren für Personaldokumente umfasst. Grundlage für die Regelsatzbemessung sind nach § 28 Abs. 3 SGB XII die tatsächlichen, statistisch ermittelten Verbrauchsausgaben von Haushalten in unteren Einkommensgruppen; Datengrundlage ist die Einkommens- und Verbrauchstichprobe (EVS). Die EVS enthält auch grundsätzlich Gebühren für Ausweise. Aufgrund der Möglichkeit der Gebühren Befreiung für bedürftige Personen im Sinne der maßgeblichen Regelungen ist davon auszugehen, dass der überwiegende Teil der maßgeblichen Differenzgruppe der EVS jedoch keine Gebühren leisten müsste. Diese sind damit nicht mit in die Regelsatzbemessung eingeflossen, da hierfür keine Ausgaben bei der EVS erfasst wurden. Ferner spricht auch die Tatsache dagegen, dass Kosten für die Passbeschaffung in den Regelsätzen erfasst wurden, dass diese Aufwendungen zumindest für deutsche Staatsangehörige nur sehr selten anfallen, da ein Personalausweis regelmäßig eine Gültigkeitsdauer von 10 Jahren besitzt. Nach dem Wortsinn darf ein Bedürfnis des täglichen Lebens jedoch nicht nur in mehrjährigen Abständen auftreten und damit einen außerordentlich selten oder vereinzelt auftretenden Bedarf darstellen.

Daher können die Kosten, die darüber hinausgehend dadurch entstehen, dass die Kläger zur Erfüllung ihrer auf deutschen Gesetzen beruhenden Passpflichten höhere Kosten bei den Konsularbehörden ihres Heimatlandes begleichen müssen, nicht von den Regelsätzen gemäß § 28 Abs. 3 SGB XII mit umfasst sein und es handelt es sich daher um einen Bedarf in sonstigen Lebenslagen im Sinne des § 73 SGB XII.