VG Ansbach

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Zitieren als:
VG Ansbach, Urteil vom 28.11.2007 - AN 1 K 06.30871 - asyl.net: M12473
https://www.asyl.net/rsdb/M12473
Leitsatz:
Schlagwörter: Türkei, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Krankheit, psychische Erkrankung, posttraumatische Belastungsstörung, medizinische Versorgung, Finanzierbarkeit, Grüne Karte, yesil kart, Racheakte, Schutzbereitschaft, Schutzfähigkeit
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

Die zulässige, auf Verpflichtung des Bundesamtes zur Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 AufenthG gerichtete Klage ist nicht begründet.

Zum einen führt das Bestehen einer posttraumatischen Belastungsreaktion, ihr Vorliegen zu Gunsten der Klägerin unterstellt, nicht zur Zuerkennung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 AufenthG.

Das Gesundheitswesen der Türkei garantiert auch psychisch kranken Menschen den umfassenden Zugang zu Gesundheitsdiensten und Beratungsstellen. Die rein medikamentöse Versorgung von psychisch kranken Menschen – etwa nach einer Krankenhausbehandlung – gilt in der Türkei nicht zuletzt auch durch die so genannten Gesundheitszentren als gesichert, namentlich sind antipsychotische Medikamente und Antidepressiva erhältlich. Die Situation psychisch Kranker in der Türkei ist allerdings gekennzeichnet durch die Dominanz medikamentöser und krankenhausorientierter Betreuung bei gleichzeitigem Fehlen differenzierter ambulanter (Tageskliniken und/oder -stätten) und komplementärer Versorgungs- und Therapieangebote (z.B. Beratungsstellen, Kontaktbüros, betreutes Wohnen etc.).

Auch für spezielle Erkrankungen aus dem Formenkreis der posttraumatischen Belastungsstörung wird in der Rechtsprechung überwiegend davon ausgegangen, dass eine dem landesüblichen Standard entsprechende Behandlung in der Türkei grundsätzlich gewährleistet ist (vgl. BayVGH vom 7.6.2005 - 11 B 02.31096; OVG Münster vom 18.1.2005 - 8 A 1242/03.A; HessVGH vom 4.2.2004 - 6 UE 3933/00.A; VGH Baden-Württemberg vom 7.11.2002 - A 12 S 907/00).

Bedürftige, die die ärztliche Behandlung nicht selbst finanzieren können, haben das Recht, sich von der Gesundheitsverwaltung eine "Grüne Karte" ("yesil kart") ausstellen zu lassen, die zu kostenloser medizinischer Versorgung im staatlichen Gesundheitssystem berechtigt. Die Voraussetzungen, unter denen mittellose Personen in der Türkei die "Grüne Karte" erhalten, ergeben sich aus dem Gesetz Nr. 3816 vom 18. Juni 1992.

Zum anderen kann sich die Klägerin zur Begründung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 AufenthG auch nicht auf angeblich ihr wegen eines in Deutschland eingegangenen Verhältnisses zu einem verheirateten Mann drohende familiäre Racheakte berufen, da die türkische Polizei bemüht ist, durch Übergriffe aus privatem Anlass gefährdete Personen zu schützen (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 25.10.2007), so dass es der Klägerin zuzumuten ist, bei einer Rückkehr in ihr Heimatland gegen die befürchteten Nachstellungen den Schutz und die Hilfe der dazu bereiten und in der Lage befindlichen türkischen Staatsorgane in Anspruch zu nehmen.