VG Darmstadt

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Zitieren als:
VG Darmstadt, Beschluss vom 07.12.2007 - 8 G 1624/07 (2) - asyl.net: M12342
https://www.asyl.net/rsdb/M12342
Leitsatz:

Ein Daueraufenthaltsrecht nach §§ 2, 4a FreizügG/EU erwirbt ein Drittstaatsangehöriger nur, wenn er sich für die Dauer von 5 Jahren "als" Familienangehöriger eines Unionsbürgers im Bundesgebiet aufgehalten hat.

 

Schlagwörter: D (A), Ausweisung, langfristig aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige, Daueraufenthaltsrichtlinie, Unionsbürger, Familienangehörige, Daueraufenthalt, Aufenthaltsdauer, Beistandsgemeinschaft, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren)
Normen: AufenthG § 9a; FreizügG/EU § 6 Abs. 5; FreizügG/EU § 3 Abs. 2; FreizügG/EU § 4a Abs. 1; VwGO § 80 Abs. 5
Auszüge:

Ein Daueraufenthaltsrecht nach §§ 2, 4a FreizügG/EU erwirbt ein Drittstaatsangehöriger nur, wenn er sich für die Dauer von 5 Jahren "als" Familienangehöriger eines Unionsbürgers im Bundesgebiet aufgehalten hat.

(Amtlicher Leitsatz)

 

Soweit der Antragsteller die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner ebenfalls am 08.10.2007 erhobenen Klage, soweit sich diese gegen die mit dem Bescheid des Landrates des Landkreises Darmstadt-Dieburg verfügte Ausweisung richtet, begehrt, ist der Antrag zwar infolge der Anordnung des Sofortvollzuges nach § 80 Abs. 5 S. 1 2. Alt. VwGO statthaft, aber nicht begründet.

Der auf § 54 Nr. 1 2. Alt., § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 56 Abs. 1 Satz 2 und 5 AufenthG gestützten Ausweisung des Antragstellers steht auch nicht schon ein sich aus § 9a AufenthG (i.V.m. der Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25.11.2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen; Daueraufenthaltsrichtlinie) ergebender etwaiger Ausweisungsschutz entgegen. Dies ergibt sich schon daraus, dass der Antragsteller keinen Antrag auf Zuerkennung einer entsprechenden Rechtsstellung gestellt hat.

Der Antragsteller kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sein Aufenthalt im Bundesgebiet nur nach § 6 FreizügG/EU beendet werden dürfe und dass dessen Voraussetzungen in seinem Fall nicht vorlägen.

Der Vater des Antragstellers ist zwar britischer Staatsangehöriger und hielt sich im Zeitpunkt der Einreise des Antragstellers rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Auch war der Antragsteller am 22.01.1988 im Alter von 17 Jahren ins Bundesgebiet eingereist, mithin vor Vollendung des 21. Lebensjahres. Gleichwohl fällt der Antragsteller nicht unter den besonderen Schutz des § 6 Abs. 5 FreizügG/EU. Dies begründet sich daraus, dass der Antragsteller nur unter dessen Regelung fiele, wenn er als Familienangehöriger eines Unionsbürgers gemäß § 2 Abs. 1 und 2 Nr. 1 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt wäre, oder wenn er eine Rechtsposition nach § 4a FreizügG/EU erlangt hätte.

Beides ist jedoch nicht der Fall. So sind Abkömmlinge eines Unionsbürgers (und nur als solcher könnte der Antragsteller eine Freizügigkeitsberechtigung erlangt haben) gemäß der (richtlinienkonformen) Legaldefinition des § 3 Abs. 2 FreizügG/EU nur bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres Familienangehörige im Sinne des Gesetzes. Der Antragsteller hat aber bereits im Jahr 1991 das 21. Lebensjahr vollendet und ist demzufolge seitdem kein Familienangehöriger im Sinne des Freizügigkeitsgesetzes/EU i.V.m. der Freizügigkeitsrichtlinie mehr.

Der Antragsteller hat zur Überzeugung des Gerichts auch keine Rechtsposition aus § 4a FreizügG/EU erlangt, allein dessen Absatz 1 vorliegend einschlägig ist. Nach dessen Wortlaut erwerben die Familienangehörigen eines Unionsbürgers ein unabhängiges Aufenthaltsrecht, die sich seit 5 Jahren ständig rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten haben. Mit diesem Wortlaut erfasst diese Regelung nur aktuelle Familienangehörige.

Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob die Eigenschaft "Familienangehöriger" noch im Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 4a FreizügG/EU bzw. des Ablaufens der Umsetzungsfrist der Freizügigkeitsrichtlinie fortbestanden haben muss, oder ob es genügt, dass der Ausländer für die Dauer von 5 Jahren einen rechtmäßigen Aufenthalt "als" Familienangehöriger eines Unionsbürgers hatte. Hierauf kommt es vorliegend nicht an, weil sich der Antragsteller nach seiner Einreise am 22.01.1988 bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres nur für 3 Jahre und 8 Monate rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat.

Dem Erwerb eines Daueraufenthaltsrechtes nach § 4a Abs. 1 FreizügG/EU steht zudem auch entgegen, dass der Antragsteller nicht im Sinne des § 3 FreizügG/EU zu seinem Vater nachgezogen ist. Nachzug in diesem Sinne setzt nämlich die Begründung, wenn nicht schon einer häuslichen, so doch einer engeren familiären Beistandsgemeinschaft voraus. Dies ergibt sich auch aus einem Rückgriff auf Art. 16 Abs. 2 der Freizügigkeitsrichtlinie, nach dem ein Familienangehöriger eines Unionsbürgers ein Daueraufenthaltsrecht erwirbt, wenn er "sich rechtmäßig fünf Jahre lang ununterbrochen mit dem Unionsbürger im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten" hat. Das Bestehen einer solchen Beistandsgemeinschaft zwischen dem Antragsteller und seinem Vater im Bundesgebiet ist aber auch nicht ansatzweise ersichtlich. Der Antragsteller war im Gegenteil offenkundig von Anbeginn relativ auf sich allein gestellt.