SG Osnabrück

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Zitieren als:
SG Osnabrück, Beschluss vom 08.01.2008 - S 16 AY 24/07 ER - asyl.net: M12306
https://www.asyl.net/rsdb/M12306
Leitsatz:

Die 48-Monats-Frist des § 2 Abs. 1 AsylbLG ist auch anwendbar, wenn die 36-Monats-Frist des § 2 Abs. 1 AsylbLG a. F. bereits erfüllt war.

 

Schlagwörter: D (A), Asylbewerberleistungsgesetz, 48-Monats-Frist, Rückwirkung, Anwendungszeitpunkt, Verfassungsmäßigkeit, Vertrauensschutz, Übergangsregelung, Rückwirkung, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren)
Normen: AsylbLG § 2 Abs. 1; SGG § 86b Abs. 2
Auszüge:

Die 48-Monats-Frist des § 2 Abs. 1 AsylbLG ist auch anwendbar, wenn die 36-Monats-Frist des § 2 Abs. 1 AsylbLG a. F. bereits erfüllt war.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.

Die Voraussetzungen des § 86 Abs. 2 S. 2 SGG sind vorliegend nicht erfüllt.

Die Antragstellerin ist - unstreitig - leistungsberechtigt nach dem AsylbLG. Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten im Sinne des § 2 Abs. 1 AsylbLG wird ihr nicht vorgeworfen. Leistungen nach § 3 AsylbLG hat sie - ebenfalls unstreitig - über einen Zeitraum von 36 Monaten erhalten. Darüber hinaus hat die Antragstellerin aber bis zur Umstellung am 01.11.2007 erst sieben Monate Leistungen nach § 2 AsylbLG erhalten, sodass insgesamt noch kein Bezug von Leistungen nach dem AsylbLG von 48 Monaten vorliegt.

(2) Die getroffene Regelung bewirkt keine sog. "echte" Rückwirkung, da eine solche nur gegeben sein kann, wenn in einen bereits abgeschlossenen Sachverhalt eingegriffen wird, die Rechtsfolge also schon für einen vor dem Zeitpunkt der Verkündung der Norm liegenden Zeitraum eintreten soll (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.08.2006, Az.: 2 BvR 226/06).

Dies ist vorliegend nicht der Fall, da nicht in den Leistungsbezug vor der Gesetzesänderung eingegriffen wird (ebenso zur AsylbLG-Novelle 1997: Sächsisches OVG, Beschluss vom 18. August 1997, Az.: 2 S 361/97).

(3) Auch von einer zu beanstandenden unechten Rückwirkung kann nicht ausgegangen werden: Die Zulässigkeit einer tatbestandlichen Rückanknüpfung (sog. "unechte" Rückwirkung), bei der die Rechtsfolge an einen vor der Verkündung der Norm liegenden Sachverhalt anknüpft, ist von der Abwägung zwischen dem Gewicht der berührten Vertrauensschutzbelange und der Bedeutung des mit der Rückanknüpfung verfolgten gesetzgeberischen Anliegens für das Gemeinwohl abhängig (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.08.2006, Az.: 2 BvR 226/06). Ist nach dieser Abwägung das Vertrauen in den Bestand der begünstigenden Regelung nicht generell schutzwürdiger als das öffentliche Interesse an einer Änderung, so ist die Regelung mit der Verfassung vereinbar (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15.05.1985, Az.: 2 BvL 24/82).

Dies konnte die Kammer aber dahinstehen lassen, da - auch bei Vorliegen einer unechten Rückwirkung - diese zumindest nach den oben genannten Definitionen verfassungsrechtlich gerechtfertigt wäre: Gegen einen Vorrang der Interesses der Leistungsempfänger spricht dabei zum einen, dass die Leistungsempfänger nach der Konzeption des Gesetzes gerade keinen gefestigten Aufenthalt im Bundesgebiet haben (vgl. Sächsisches OVG, Beschluss vom 18. August 1997, Az.: 2 S 361/97).

Hinzu kommt, dass es sich bei den Leistungen nach denn AsylbLG um Leistungen zur Behebung einer gegenwärtigen Notlage handelt. Der Bezug richtet sich also stets nach der gerade vorliegenden Situation. Gerade diese Konzeption der Leistungen nach dem AsylbLG spricht entscheidend gegen einen Vertrauensschutz gegen eine tatbestandliche Rückanknüpfung.

b) Ein Anspruch auf entsprechende Leistungen nach dem SGB XII ergibt sich vorliegend nicht aus einer analogen Anwendung der in § 2 AsylbLG geregelten leistungsrechtlichen Privilegierung.

Zwar bejaht die erkennende Kammer eine solche Analogie für den Fall, dass vor der "Rückstufung" bereits zwölf Monate Leistungen nach § 2 AsybLG bezogen wurden (vgl. SG Osnabrück, Beschluss vom 27.12.2007, Az.: 16 AY 28/07 ER), dies ist hier jedoch nicht der Fall. Im vorliegenden Fall liegen zwischen der Leistungsumstellung auf die Leistungen nach 2 AsylbLG a. F. zum 01.04.2007 und der neuerlichen Umstellung ("Rückstufung") zum 01.11.2007 nur sieben Monate des Bezuges von Leistungen nach § 2 AsylbLG.

Die für eine Analogie notwendige planwidrige Regelungslücke liegt zwar auch für diesen Fall wohl vor (vgl. dazu ausführlich: SG Osnabrück, Beschluss vom 27.12.2007, Az.: 16 AY 28/07 ER), dies kann jedoch letztlich dahinstehen, da zumindest keine vergleichbare Interessenslage gegeben ist (vgl. zu dieser Voraussetzungen der Analogie statt vieler: BSG, Urteil vom 27.06.2007, Az.: B 6 KA 24/06 R). Grund für die leistungsrechtliche Privilegierung ist in erster Linie, dass ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr von einem rein vorübergehenden Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland ausgegangen werden kann (vgl. hierzu: Hohm in: GK AsylbLG, § 2, Rdnr. 33 in Bezug auf die Bundestagsdrucksache (BT-Drucks.) 13/5008, S 15, so auch BT-Drucks. 16/5065, S. 232 zur vorliegenden Änderung). Mit Änderung des § 2 AsylbLG hat der Gesetzgeber aber den klaren Willen geäußert, dass dies - im Gegensatz zur vorherigen Version des Gesetzes - erst nach vier Jahren der Fall sein soll. Die Interessenlage ist mit der Neuregelung also nur dann vergleichbar, wenn insgesamt schon vier Jahre Leistungen nach dem AsylbLG bezogen wurden.