VG Schleswig-Holstein

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Zitieren als:
VG Schleswig-Holstein, Urteil vom 08.10.2007 - 15 A 121/07 - asyl.net: M12251
https://www.asyl.net/rsdb/M12251
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Ausweisung, Zuständigkeit, örtliche Zuständigkeit, Inhaftierung, Haftort, Wohnort, Ausländerbehörde, zwingende Ausweisung, besonderer Ausweisungsschutz, Widerruf, Flüchtlingsanerkennung, Europäische Menschenrechtskonvention, Privatleben, Verhältnismäßigkeit
Normen: VwVfG § 166 Abs. 1; AufenthG § 53 Nr. 1; AufenthG § 56 Abs. 1 S. 1 Nr. 5; EMRK Art. 8
Auszüge:

Die Anfechtungsklage ist zulässig, aber unbegründet.

1.) Die Ausweisungsverfügung erging verfahrensfehlerfrei, insbesondere handelte der Beklagte entgegen der Argumentation des Klägers als eine örtlich zuständige Ausländerbehörde.

Die Frage der örtlichen Zuständigkeit der Ausländerbehörde beurteilt sich angesichts hierzu fehlender spezieller Regelungen im Aufenthaltsgesetz nach dem Allgemeinen Verwaltungsgesetz für das Land Schleswig-Holstein (Landesverwaltungsgesetz, LvwG). Da die Ausländerbehörde eine Kreisordnungsbehörde im Sinne von § 164 Abs. 1 Ziffer 2 LvwG iVm § 3 der Ausländer- und Aufnahmeverordnung vom 19.1.2000 (GVOBl. 2000, S. 101) ist, beurteilt sich die örtliche Zuständigkeit entgegen der Auffassung des Klägers nicht nach § 31 Abs. 1 LVwG, sondern nach der spezielleren Regelung in § 166 Abs. 1 LVwG (so z. B. auch OVG Münster, B.v. 10.7.1997, NVwZ-RR 1998, 201 ff. zum vergleichbaren Verwaltungsverfahrensrecht in NRW). Danach ist örtlich zuständig die Behörde, in deren Bezirk die zu schützenden Interessen verletzt oder gefährdet werden. Dies ist im ausländerrechtlichen Verfahren bezüglich inhaftierter Ausländer in erster Linie der Haftort. Örtlich zuständig war also zum hier maßgebenden Zeitpunkt der Ausweisungsverfügung die Stadt ..., da sich der Kläger dort damals in Haft befand. Daneben war aber auch der ... zuständige Ausländerbehörde, da ein zu schützendes Interesse auch für . . . und damit den Bezirk des Beklagten anzunehmen war. Bestehen hinlängliche Anhaltspunkte dafür, dass der inhaftierte Ausländer an seinen Wohn- oder Aufenthaltsort vor der Inhaftierung zurückkehren wird, etwa weil er seine dortige Wohnung beibehalten oder familiären bzw. sonstige Bindungen dorthin aufrechterhalten hat, so ist neben der für den Haftort zuständigen Ausländerbehörde zusätzlich auch die Ausländerbehörde örtlich zuständig, in deren Bezirk der frühere Wohn- oder Aufenthaltsort liegt (so zutreffend z.B. OVG Münster, aaO, S. 202). Vorliegend bestanden zum Zeitpunkt der Ausweisung hinlängliche Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger nach der Inhaftierung nach ... zurückkehren würde, auch wenn er seine dortige Wohnung nach der Inhaftierung aufgegeben hat.

2.) Die Ausweisung ist auch in materieller Hinsicht fehlerfrei.

Gemäß § 53 Nr. 1 Alt. 1 AufenthG wird ein Ausländer ausgewiesen, wenn er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist.

Ein besonderer Ausweisungsschutz gemäß § 56 AufenthG steht dem Kläger nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides offensichtlich nicht zu.

Ohne Erfolg beruft sich der Kläger in diesem Zusammenhang darauf, der Beklagte habe missbräuchlich die Entscheidung über eine Ausweisung verzögert und deshalb sei nicht von einer Ist-Ausweisung nach § 53 AufenthG auszugehen. Gegen die Verfahrensweise des Beklagten ist nichts einzuwenden. Der mit der Verurteilung verbundene Ausweisungstatbestand ist nicht zeitlich beschränkt, so dass ein vorübergehendes Unterbleiben einer Ausweisungsentscheidung nicht dazu führt, dass eine Ausweisung für alle Zukunft ausgeschlossen ist.

Auch Art. 8 EMRK steht der Ausweisungsverfügung eindeutig nicht entgegen.

Eine Ausweisung ist mit Art. 8 EMRK vereinbar, wenn eine Abwägung zwischen dem durch Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützten Interesse des Ausländers an seinem ungestörten Privat- und Familienleben und den nach Art. 8 Abs. 2 EMRK berücksichtigungsfähigen Ausweisungsgründen ergibt, dass die Ausweisungsgründe schwerer wiegen. Eine Ausweisung zur Verhinderung strafbarer Handlungen ist dabei umso eher gerechtfertigt, je schwerwiegender die vom Ausländer bereits begangenen Straftaten und je weniger eng seine familiären Bindungen sind. Eine Ausweisung kommt daher insbesondere in Betracht, wenn der Ausländer schwerwiegende Straftaten – insbesondere Drogendelikte – begangen hat, volljährig ist, die Verhältnisse im Heimatstaat kennt und die Heimatsprache beherrscht (vgl. Ziff. 53.0.5.3.2. der vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Inneren zum AufenthG und zum FreizügG/EU v. 22.12.04).

Dies ist vorliegend der Fall. Der volljährige Kläger hat eine besonders schwerwiegende Straftat, nämlich ein Verbrechen aus dem Bereich der Drogendelikte begangen, nachdem er bereits zuvor mehrfach in erheblicher Weise straffällig geworden war (u.a. Diebstahl, Fahren ohne Fahrerlaubnis etc.).