VG Ansbach

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Zitieren als:
VG Ansbach, Urteil vom 16.10.2007 - AN 19 K 07.01654 - asyl.net: M12217
https://www.asyl.net/rsdb/M12217
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Ausweisung, Unionsbürger, Altfälle, Übergangsregelung, Sperrwirkung, Wirkungen der Ausweisung, Straftat, Zukunftsprognose, gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung, Ermessen, Widerruf
Normen: VwGO § 43 Abs. 1; FreizügG/EU § 6 Abs. 1; FreizügG/EU § 7 Abs. 2; FreizügG/EU § 6 Abs. 2; VwVfG § 49
Auszüge:

Die Klage ist jedoch nicht begründet, da der Ausweisungsbescheid der Beklagten vom 17. Januar 2006 nicht unwirksam (geworden) ist und der Kläger keinen Anspruch auf eine Aufhebung des Befristungsbescheids vom 15. Mai 2007 hat. Auch ist die Ablehnung eines Widerrufs des Ausweisungsbescheides vom 17. Januar 2006 gemäß Art. 49 BayVwVfG nicht zu beanstanden und ebenso nicht, dass die Beklagte ein Wiederaufgreifen des Verfahrens über die Ausweisung nach Art. 51 (Abs. 1 bis 3) BayVwVfG abgelehnt hat.

Der vom Kläger geltend gemachte Feststellungsanspruch hinsichtlich des Ausweisungsbescheids scheitert daran, dass dieser Bescheid offensichtlich nicht von Anfang an unwirksam war und auch nicht am 1. Januar 2007 unwirksam geworden ist, also mit dem Beitritt Rumäniens zur Europäischen Union. Dieser Beitritt hat generell die Anwendbarkeit des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) zur Folge, da insoweit nämlich allein an die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedsstaats der Europäischen Union ("Unionsbürgerschaft") angeknüpft wird (§ 1 FreizügG/EU). Ausgewiesen wurde der Kläger seinerzeit auf Grund der unbestritten anwendbaren und auch zutreffend angewandten Vorgaben des Aufenthaltsgesetzes. Aus der erfolgten Ausweisung resultiert ein – zunächst auf Dauer angelegtes – Einreise- und Aufenthaltsverbot (§ 11 Abs. 1 AufenthG). Eine Rechtsvorschrift (unmittelbar) dahingehend, dass das im Fall des Klägers bestehende Einreise- und Aufenthaltsverbot ab dem 1. Januar 2007 nicht mehr gilt, ist nicht ersichtlich. Entsprechendes kann auch nicht daraus abgeleitet werden, dass der Kläger ab dem 1. Januar 2007 bzw. mit der Wirksamkeit des Beitritts von Rumänien zur Europäischen Union generell der Anwendung des Freizügigkeitsgesetzes/EU unterfällt, da nämlich die Wirkungen der ehedem verfügten Ausweisung trotzdem fortgelten. Die Sperrwirkungen der Ausweisung des Klägers nach dem Aufenthaltsgesetz sind nicht kraft für ihn nunmehr geltenden Gemeinschaftsrechts (Anwendbarkeit des Freizügigkeitsgesetzes/EU) gleichsam automatisch weggefallen (siehe OVG Hamburg, Urteil vom 22.3.2005 - 3 Bf 294/04 - zum Fall eines ausgewiesenen chilenischen Staatsangehörigen, der eine Frau mit britischer Staatsangehörigkeit geehelicht hatte und sich von daher auf das ihm nunmehr zustehende Freizügigkeitsrecht berief). Nach zutreffender Rechtsauffassung gilt die ehedem rechtmäßig verfügte Ausweisung ab dem 1. Januar 2007 als Feststellung des Verlusts des Rechts auf Einreise und Aufenthalt nach § 6 Abs. 1 FreizügG/EU fort.

Ohne Erfolg bleibt die Klage auch insoweit, als sie gegen den Befristungsbescheid vom 15. Mai 2007 gerichtet ist und mit ihr begehrt wird, die Wirkungen der Ausweisung auf den 1. Januar 2007 zu befristen und hilfsweise darauf, im Weg einer entsprechenden Verpflichtung der Beklagten eine Befristung auf einen früher liegenden Zeitpunkt zu erhalten als denjenigen, den die Beklagte festgesetzt hat. Das aus der Ausweisung des Klägers resultierende Einreise- und Aufenthaltsverbot ist nunmehr nach § 7 Abs. 2 FreizügG/EU zu befristen, da die erfolgte Ausweisung ab dem 1. Januar 2007 als Verlust des Rechts auf Einreise und Aufenthalt nach § 6 FreizügG/EU fortgegolten hat und der Kläger nunmehr unter den Anwendungsbereich des Freizügigkeitsgesetzes/EU fällt, da insoweit nur an die jeweilige Staatsangehörigkeit angeknüpft wird (§ 1 FreizügG/EU). Vom Europarecht her ist insoweit für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblicher Zeitpunkt grundsätzlich derjenige der gerichtlichen Entscheidung. In sachlicher Hinsicht kommt es darauf an, ob die Gründe für eine Fernhaltung des betroffenen Unionsbürgers noch fortbestehen, wobei die in § 6 FreizügG/EU (in der Neufassung auf Grund des Gesetzes vom 19.8.2007) genannten Kriterien Anwendung finden. Nach diesen Maßgaben ist die von der Beklagten getroffene Entscheidung – die Fernhaltung des Klägers vom Bundesgebiet für zehn Jahre – nicht zu beanstanden, wobei insoweit eine Ermessensentscheidung in Rede steht, die vom Gericht nur nach Maßgabe von § 114 VwGO überprüft werden kann. Maßgeblich für die Aufrechterhaltung der Wirkungen der Ausweisung ist die zu treffende Gefahrenprognose, ob nämlich die der Straftat zu Grunde liegenden Umstände ein persönliches Verhalten erkennen lassen, das noch gegenwärtig eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt und zwar eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (§ 6 Abs. 2 FreizügG/EU). Diese Voraussetzungen für eine weitere Fernhaltung des Klägers vom Bundesgebiet sind vorliegend erfüllt. Der Kläger ist schwer straffällig geworden und hat bei seinen Straftaten erhebliche kriminelle Energie an den Tag gelegt.