OLG München

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Zitieren als:
OLG München, Beschluss vom 22.11.2007 - 34 Wx 86/07 - asyl.net: M12148
https://www.asyl.net/rsdb/M12148
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Abschiebungshaft, Anhörung, Landgericht, Beschwerde, Sachaufklärungspflicht, rechtliches Gehör
Normen: FreihEntzG § 5 Abs. 1; FreihEntzG § 7 Abs. 5; FGG § 12
Auszüge:

Die zulässige sofortige weitere Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

4. Die Entscheidung des Landgerichts über die weitere Aufrechterhaltung der Haft leidet an nicht mehr heilbaren Verfahrensmängeln. Sie kann daher keinen Bestand haben.

a) Die Aufrechterhaltung der Haft ist deshalb verfahrensfehlerhaft, weil das Landgericht von der hier unentbehrlichen erneuten Anhörung des Betroffenen (§ 5 Abs. 1 FreihEntzG) abgesehen hat. Die von der Beschwerdekammer genannten Gründe tragen dies nicht.

Auch in der Beschwerdeinstanz ist der Ausländer grundsätzlich mündlich anzuhören (§ 5 Abs. 1 Satz 1, § 7 Abs. 5 FreihEntzG; vgl. BayObLGZ 1999, 12/13; OLG Düsseldorf FGPrax 1998, 200; OLG Naumburg FGPrax 2000, 211/212). Das Landgericht darf hiervon nur ausnahmsweise absehen, nämlich wenn ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, dass die erneute Anhörung zur Aufklärung des Sachverhalts nichts beitragen werde (vgl. BGH NJW 1995, 2226; OLG Celle InfAuslR 2001, 346/347; KG FGPrax 1998, 242). Noch weiter geht das Oberlandesgericht Köln (Beschluss vom 23.5.2005, 16 Wx 89/05), das fordert, dass mit Sicherheit auszuschließen ist, dass von einer Anhörung bedeutsame Erkenntnisse zu erwarten sind.

Das Vorbringen neuen Tatsachenstoffes durch den Verfahrensbevollmächtigten in der Beschwerdebegründung machte eine Anhörung des Betroffenen durch das Landgericht vor der Beschwerdeentscheidung unverzichtbar. Die Anhörung ist, abgesehen von der mit ihr verbundenen Gewährung rechtlichen Gehörs, auch ein wichtiges Mittel der Sachaufklärung nach § 12 FGG (BayObLG vom 30.1.2002, 3Z BR 244/01). Nur durch den persönlichen Eindruck von der Person des Betroffenen wäre hier eine Entscheidung darüber möglich gewesen, ob es sich bei der nicht rechtzeitigen Ausreise um eine Verkettung unglücklicher Umstände oder um eine bewusste Irreführung der Ausländerbehörde mit dem Ziel, sich einer Abschiebung zu entziehen, gehandelt hatte. Eine Bezugnahme auf die amtsgerichtliche Anhörung war schon deshalb ausgeschlossen, da erst in der Beschwerdebegründung die Umstände der nicht erfolgten fristgemäßen Ausreise aus der Sicht des Betroffenen vorgetragen wurden. Darüber hinaus hat das Landgericht die Haftanordnung zusätzlich auf einen weiteren Haftgrund, nämlich den des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG, gestützt.

Die unterbliebene Anhörung kann auch nicht dadurch gerechtfertigt werden, dass der Betroffene bereits am Tag nach der landgerichtlichen Entscheidung abgeschoben werden sollte (vgl. dazu BVerfG vom 7.9.2006, 2 BvR 129/04).

Die Anhörung kann nicht nachgeholt werden, da der Betroffene mittlerweile abgeschoben ist. Daher muss zu seinen Gunsten davon ausgegangen werden, dass die ohne Anhörung ergangene Entscheidung des Landgerichts auf diesem Verfahrensfehler beruht, so dass der Senat selbst die Rechtswidrigkeit festzustellen hat und eine Zurückverweisung an das Landgericht nicht in Betracht kommt (vgl. OLG Hamburg vom 21.11.2006, 2 Wx 129/06 Rn. 46, zitiert nach juris).