VGH Baden-Württemberg

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Zitieren als:
VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 26.11.2007 - 11 S 2492/07 - asyl.net: M12079
https://www.asyl.net/rsdb/M12079
Leitsatz:

Die Klage eines abgelehnten Asylbewerbers, der im Besitz einer mit Wohnsitzauflage verfügten Duldung ist, auf "landkreisinterne Umverteilung", ist sachdienlich als Klage auf Aufhebung oder Änderung der Wohnsitzauflage auszulegen und daher keine asylverfahrensrechtliche Streitigkeit.

 

Schlagwörter: D (A), Duldung, Wohnsitzauflage, Umverteilung, abgelehnte Asylbewerber, Streitwert, Streitigkeit nach dem Asylverfahrensgesetz, Beschwerdeausschluss, räumliche Beschränkung, Auflage
Normen: AsylVfG § 80; GKG § 52 Abs. 2; AsylVfG § 56 Abs. 3; AufenthG § 61 Abs. 1
Auszüge:

Die Klage eines abgelehnten Asylbewerbers, der im Besitz einer mit Wohnsitzauflage verfügten Duldung ist, auf "landkreisinterne Umverteilung", ist sachdienlich als Klage auf Aufhebung oder Änderung der Wohnsitzauflage auszulegen und daher keine asylverfahrensrechtliche Streitigkeit.

(Amtlicher Leitsatz)

 

Die gemäß § 33 Abs. 3 Satz 3, § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO fristgerecht erhobene Beschwerde ist statthaft und auch sonst zulässig. Der angegriffene Beschluss ist nicht gemäß § 80 AsylVfG unanfechtbar. Die Beschwerde ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Gegenstandswert mit 1.500,- EUR zu niedrig festgesetzt, denn eine Streitigkeit ("sonstiges Klageverfahren") nach dem Asylverfahrensgesetz im Sinne des § 30 Satz 1 Hs. 2 RVG lag nicht vor. Da der Sach- und Streitstand für die Bestimmung eines anderen Gegenstandswertes keine genügenden Anhaltspunkte bietet, ist für die hier gegebene ausländerrechtliche Streitigkeit der Auffangwert des § 52 Abs. 2 GKG in Höhe von 5.000,-- EUR festzusetzen (vgl. zum Streitwert bei Verfahren betreffend Nebenbestimmungen: VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 03.08.2007 - 13 S 1445/07 - InfAuslR 2007, 387).

Das Klageverfahren betraf eine ausländerrechtliche Streitigkeit und keine solche nach dem Asylverfahrensgesetz. Denn der Kläger begehrte bei sachdienlicher Auslegung seines Klageantrags auf "Umverteilung nach Zell" (§§ 86 Abs. 3, 88 VwGO) der Sache nach allein die Aufhebung oder Änderung der seiner Duldung beigefügten Wohnsitzauflage, wonach er in der Gemeinschaftsunterkunft Rheinfelden wohnen musste. Wäre diese Wohnsitzauflage, für die die Beklagte gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 2 AAZuVO zuständig war, aufgehoben worden, hätte er zu seiner Familie nach Zell umziehen können. Dem Kläger war aufgrund seines Asylantrags vom 17.08.2004 zunächst eine Aufenthaltsgestattung erteilt worden. Diese war kraft Gesetzes räumlich auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, in dem die für die Aufnahme des Ausländers zuständige Aufnahmeeinrichtung liegt, hier (Aufnahmeeinrichtung Rheinfelden) mithin auf den Landkreis Lörrach, der sowohl Rheinfelden als auch Zell umfasst (vgl. § 56 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG, § 2 Nr. 3 AAZuVO, §§ 13 Abs. 1 Nr. 1, 10 Abs. 1 LVG). Der Umstand, dass diese räumliche Beschränkung des Aufenthalts auf den Landkreis Lörrach nach dem Erlöschen der Aufenthaltsgestattung (§ 67 Abs. 1 Nr. 6 AsylVfG) aufgrund der Regelung des § 56 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG in Kraft blieb, spielte hinsichtlich des Wohnortwechsels innerhalb des Landkreises keine Rolle. Für die begehrte "Umverteilung" von Rheinfelden nach Zell war es auch ohne Relevanz, dass die dem Kläger nach Eintritt der Bestandskraft des ablehnenden Bundesamtsbescheids vom 01.03.2005 erstmals am 31.07.2006 erteilte Duldung nicht zum Erlöschen der räumlichen Beschränkung seines Aufenthalts auf den Landkreis Lörrach führte, weil eine Duldung gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 AufenthG kein Aufenthaltstitel im Sinne des § 56 Abs. 3 Satz 2 AsylVfG ist (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 25.08.2006 - 8 TG 1617/06.A - AuAS 2006, 257).

Zur "landkreisinternen Umverteilung" des Klägers zu seiner Familie bedurfte es mithin auch nicht etwa des Erlasses einer Aufhebungsverfügung der räumlichen Beschränkung des geduldeten Aufenthalts (vgl. Hamb. OVG, Beschluss vom 19.10.2005 - 4 Bs 215/05 - juris), die die gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG vorgesehene räumliche Beschränkung auf das Gebiet des Landes Baden-Württemberg nach sich gezogen hätte, oder jedenfalls der Anordnung einer räumlichen Beschränkung der Duldung auf den Bezirk einer anderen Ausländerbehörde.