OVG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 03.12.2007 - 18 B 1603/07 - asyl.net: M12053
https://www.asyl.net/rsdb/M12053
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Ausweisung, zwingende Ausweisung, Bewährung, Generalprävention, Privatleben, Europäische Menschenrechtskonvention, Verhältnismäßigkeit, Integration, Aufenthaltsdauer, Situation bei Rückkehr
Normen: AufenthG § 53 Nr. 1; EMRK Art. 8
Auszüge:

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Die Ansicht des Antragstellers, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht vom Vorliegen der Voraussetzungen einer zwingenden Ausweisung nach § 53 Nr. 1 Alt. 2 AufenthG ausgegangen, weil die gegen ihn verhängten (drei) Freiheitsstrafen jeweils zur Bewährung ausgesetzt worden sind, greift nicht durch. Dies folgt bereits aus dem eindeutigen Wortlaut der Norm, die ausschließlich auf die Verurteilung wegen vorsätzlicher Straftaten abstellt. Gesetzessystematische Erwägungen bestätigen dieses Ergebnis. In § 53 Nr. 2 AufenthG gehört es zur Tatbestandsvoraussetzung, dass die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt ist. Das führt zwangsläufig auf den Umkehrschluss, dass mangels einer entsprechenden Regelung in § 53 Nr. 1 AufenthG die Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung insofern unerheblich ist (so auch Nieders. OVG, Urteil vom 16. Mai 2006 - 11 LC 324/05 -, InfAuslR 2006, 350; ferner Armbruster, HTK-AuslR/§§ 53, 54 AufenthG/Bewährung 10/2004; Renner, AuslR, 8. Auflage, § 53 AufenthG Rn. 8).

Dem liegt - wie schon das Verwaltungsgericht zutreffend hervorgehoben hat - der Gedanke zugrunde, dass das die Ausweisung als ordnungsrechtliche Maßnahme rechtfertigende Gewicht der kriminellen Betätigung allein in der Häufigkeit der Strafverurteilungen und damit in der Fortdauer der von einem Ausländer ausgehenden Gefahr der Begehung weiterer Straftaten liegt, die zugleich eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung darstellt.

Die Einwendungen des Antragstellers gegen den generalpräventiv begründeten Ausweisungszweck greifen ebenfalls nicht durch.

Generalpräventive Gründe rechtfertigen eine Ausweisung, wenn eine Straftat besonders schwer wiegt und nach der Lebenserfahrung deshalb ein dringendes Bedürfnis dafür besteht, über eine etwaige strafrechtliche Sanktion hinaus im Rahmen einer kontinuierlichen Ausweisungspraxis durch Ausweisung andere Ausländer von Straftaten ähnlicher Art und Schwere abzuhalten. Ein derartiger Gesetzeszweck liegt den Ausweisungstatbeständen der §§ 53 und 54 AufenthG regelmäßig zu Grunde (vgl. Senatsbeschluss vom 27. Oktober 2006 - 18 B 70/06 -).

Allerdings muss im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine derartige Ausweisung eine angemessene generalpräventive Wirkung erwarten lassen. Dies ist der Fall, wenn nach der Lebenserfahrung damit gerechnet werden kann, dass sich andere Ausländer von einer kontinuierlichen Ausweisungspraxis in ihrem Verhalten beeinflussen lassen. Behörden und Gerichte dürfen grundsätzlich davon ausgehen, dass eine aus Anlass einer strafgerichtlichen Verurteilung verfügte Ausweisung zur Verwirklichung dieses Zwecks geeignet ist. Dem steht nicht entgegen, dass Ausländer nach wie vor im Bundesgebiet Straftaten begehen. Erforderlich ist, dass es Ausländer gibt, die sich in einer mit dem Betroffenen vergleichbaren Situation befinden und sich durch dessen Ausweisung von gleichen oder ähnlichen Handlungen abhalten (vgl. BVerwG, 24. September 1996 - 1 C 9.94 -, BVerwGE 102, 63 = InfAuslR 1997, 63 = NVwZ 1997, 1123 = DVBl. 1997, 189 - und vom 31. August 2004 - 1 C 25.03 -, InfAuslR 2005, 49 = NVwZ 2005, 229 = DVBl 2005, 128 = Buchholz 402.240 § 47 AuslG Nr. 27).

Dabei sind im Rahmen einer ebenso nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebotenen Abwägung zwischen dem öffentlichen und dem privaten Interesse alle wesentlichen Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Das bedeutet, dass das Gewicht der Straftat nicht abstrakt, sondern konkret nach den Umständen der Tatbegehung zu bestimmen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Juni 1996 - 1 C 24.94 -, BVerwGE 101, 247 = InfAuslR 1997, 8, 11 = NVwZ 1997, 297 = DVBl 1997, 170 = DÖV 1997, 163; zu allem ferner Senatsbeschluss vom 14. August 2007 - 18 E 686/07 -).

Diesen Anforderungen entsprechen die Ausführungen in dem auf die letzte Strafverurteilung (Vergewaltigung) abstellenden angefochtenen Beschluss, wobei lediglich ergänzend hinzuzufügen ist, dass unter generalpräventiven Aspekten zudem der Umstand schwer wiegt, dass der Antragsteller innerhalb von fünf Jahren dreimal zu Freiheitsstrafen verurteilt wurde. Damit wird anderen Ausländern gerade zur Verdeutlichung einer kontinuierlichen und konsequenten Ausweisungspraxis die ausländerrechtliche Relevanz wiederholter Straffälligkeit vor Augen geführt.

Die Ausweisung des Antragstellers erweist sich auch nicht vor dem hier in Betracht kommenden Recht auf Achtung des Privatleben (Art. 8 EMRK) als unverhältnismäßig.

Der seit 1997 in Deutschland währende Aufenthalt des Antragstellers und seine damit einhergehenden hiesigen Bindungen führen für sich genommen nicht zur Unverhältnismäßigkeit seiner Ausweisung.

Hiervon ausgehend erweist sich die Ausweisung des Antragstellers nicht als unverhältnismäßig.

Gegen seine Verwurzelung in Deutschland spricht bereits seine wiederholte Straffälligkeit. Insofern spricht es auch gegen den Antragsteller, dass sich der Unwertgehalt seiner Straftaten ausweislich seiner letzten Straftat wesentlich erhöht hat.

Der Antragsteller ist auch nicht wirtschaftlich in Deutschland integriert. Während seines bisherigen Aufenthalts in Deutschland war er nur geringfügig erwerbstätig. Die ihm angeblich nun zur Verfügung stehende Arbeitsstelle vermag daran nichts zu ändern. Sie könnte dem Antragsteller lediglich zukünftig zu einer wirtschaftlichen Integration verhelfen.

Unter diesen Umständen kommt der Beziehung des Antragstellers zu den deutschen Familien S. und T. keine maßgebliche Bedeutung, mag er auch für das Kind L. T. eine wichtige Bezugsperson sein. Er ist nicht der Vater des Kindes. Dieses lebt bei seinen Eltern und hat auch in Ansehung seiner Erkrankung (nach der Beschwerde: frühkindlicher Autismus) schon nach dem Vorbringen des Antragstellers zumindest in der Mutter eine enge Bezugsperson.

Fehlt es somit schon an einer schützenswerten Verwurzelung des Antragstellers in Deutschland, so verbleibt lediglich der Hinweis darauf, dass es dem erst 34-jährigem Antragsteller, der bis zu seinem 23. Lebensjahr im Bereich seines jetzigen Heimatland (Ex-Jugoslawien, Kroation, Kosovo) gelebt hat, auch unter Berücksichtigung seiner dortigen, mit der Beschwerde vorgetragenen Erlebnisse zugemutet werden kann, dahin zurückzukehren.