OLG Düsseldorf

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Zitieren als:
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 31.08.2007 - I-3 Wx 57/07 - asyl.net: M11932
https://www.asyl.net/rsdb/M11932
Leitsatz:

Der Standesbeamte darf ein Ehefähigkeitszeugnis für die Eheschließung im Ausland nur verweigern, wenn offenkundig ist, dass beide Verlobte eine Zweckehe beabsichtigen; Offenkundigkeit liegt vor, wenn die ermittelten Indizien den Schluss auf die Eingehung einer Zweckehe geradezu aufdrängen.

 

Schlagwörter: D (A), Standesbeamter, Mitwirkung, Eheschließung, Eheschließung im Ausland, Ehefähigkeitszeugnis, Scheinehe, offenkundige Tatsachen, Sachaufklärungspflicht, Ermessen
Normen: BGB § 1310 Abs. 1; BGB § 1314 Abs. 2 Nr. 5; BGB § 1353 Abs. 1; BStG § 69b Abs. 2; PStG § 5 Abs. 4; FGG § 12
Auszüge:

Der Standesbeamte darf ein Ehefähigkeitszeugnis für die Eheschließung im Ausland nur verweigern, wenn offenkundig ist, dass beide Verlobte eine Zweckehe beabsichtigen; Offenkundigkeit liegt vor, wenn die ermittelten Indizien den Schluss auf die Eingehung einer Zweckehe geradezu aufdrängen.

(Leitsatz der Redaktion)

a)

aa) Nach den Regelungen der §§ 1310 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbs.; 1314 Abs. 2 Nr. 5; 1353 Abs. 1 BGB muss der Standesbeamte seine Mitwirkung an der Eheschließung verweigern, wenn offenkundig ist, dass sich beide Verlobten bei der Eheschließung darüber einig sind, dass sie keine auf Lebenszeit geschlossene Lebensgemeinschaft eingehen, mit anderen Worten einverständlich eine sogenannte Scheinehe schließen wollen. Zu solchen Scheinehen gehören u. a. ausschließlich zur Erlangung ausländerrechtlicher Vorteile geschlossene Aufenthaltsehen. Nach der seit 1998 geltenden Rechtslage wird der Aufhebungsgrund der sogenannten Scheinehe zugleich als materiell-rechtliches Ehehindernis normiert, dessen Vorliegen die Eheschließung hindert (KG StAZ 2001, S. 298/299; OLG Frankfurt StAZ 2004, S. 368; auch bereits Senat, StAZ 1999, S. 10/11, unter Aufgabe seiner Rechtsprechung zur alten Rechtslage, StAZ 1996, S. 138 f).

Das Verbot des § 1310 BGB, an einer aufhebbaren Ehe mitzuwirken, erfasst auch die Ausstellung des Ehefähigkeitszeugnisses zur Eheschließung im Ausland (Hepting/Gaaz, Personenstandsrecht, § 69 b PStG Rdnr. 19). Allerdings bestimmt § 69 b Abs. 2 Satz 1 PStG, das Ehefähigkeitszeugnis dürfe nur ausgestellt werden, wenn der beabsichtigten Eheschließung kein Ehehindernis entgegensteht. Aus diesem Wortlaut kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, die Ausstellung des Ehefähigkeitszeugnisses könne in weitergehendem Umfange als eine sonstige Mitwirkung bei der Eheschließung, insbesondere auch im Falle fehlender Offenkundigkeit einer Aufenthaltsehe, abgelehnt werden. Nach den eingangs bezeichneten Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches wird der Aufhebungsgrund der Aufenthaltsehe gerade dadurch zugleich zum materiell-rechtlichen Ehehindernis, dass er infolge des Mitwirkungsverbots des § 1310 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbs. BGB die Eheschließung letztlich hindert. Dann aber ist es unabdingbar, dass auch alle Voraussetzungen, unter denen der Standesbeamte seine Mitwirkung zu verweigern hat, gegeben sind; hierzu gehört die Offenkundigkeit des Aufhebungsgrundes. Im übrigen wäre auch nicht einzusehen, weshalb zwischen verschiedenen Fallgruppen der Mitwirkung an der Eheschließung bezüglich der Feststellungen, die zur Berechtigung ihrer Verweigerung zu treffen sind, Unterscheidungen gemacht werden sollten. Die Ausstellung des Ehefähigkeitszeugnisses als Mitwirkung an der Eheschließung zu verstehen, rechtfertigt sich in erster Linie daraus, dass verhindert werden soll, dass Verlobte im Falle auftretender Schwierigkeiten bei dem Versuch einer inländischen Eheschließung mit einem ausländischem Recht unterliegenden Partner wegen des Verdachts einer Aufenthaltsehe diesen Schwierigkeiten ohne weiteres dadurch ausweichen könnten, dass die Eheschließung im Ausland vollzogen wird und der deutschem Recht unterliegende Partner hierfür ein Ehefähigkeitszeugnis beantragt. Um diesen Zweck zu erreichen, ist es nicht erforderlich, dem Standesbeamten die Befugnis zuzubilligen, die Ausstellung von Ehefähigkeitszeugnissen in weitergehendem Umfang zu verweigern als seine sonstigen Mitwirkungshandlungen.

bb) Danach kommt es auch im hier gegebenen Fall darauf an, wie das Merkmal der Offenkundigkeit im einzelnen zu bestimmen ist.

Die hier gemeinte Offenkundigkeit kann nicht im Sinne von § 291 ZPO als allgemeinkundig oder amtskundig verstanden werden. Zum einen liefe bei einem solchen Verständnis das Mitwirkungsverbot in den Fällen der Aufenthaltsehe oder einer sonstigen sogenannten Scheinehe von vornherein leer. Zum anderen wäre es auch mit § 5 Abs. 4 PStG nicht zu vereinbaren. Denn nach dieser verfahrensrechtlichen Vorschrift – die § 5 Abs. 2 Satz 1 PStG, wonach der Standesbeamte zu prüfen hat, ob der Eheschließung ein Ehehindernis entgegensteht, konkretisiert – kann der Standesbeamte, falls konkrete Anhaltspunkte (unter anderem) für eine Aufenthaltsehe bestehen, die Verlobten in dem hierzu erforderlichen Umfang einzeln oder gemeinsam befragen und ihnen die Beibringung geeigneter Nachweise aufgeben, notfalls eine eidesstattliche Versicherung über relevante Tatsachen verlangen. Demzufolge können die Feststellungen des Standesbeamten zum Vorliegen einer Aufenthaltsehe auf dem Ergebnis von Ermittlungen beruhen und damit gerade nicht auf einer Sachlage, die Ermittlungen erübrigt. Auf der anderen Seite birgt das Verständnis der Offenkundigkeit als "einer sich aufdrängenden Plausibilität" (so die vom Landgericht bezeichnete Stimme im Schrifttum) die Gefahr, dass diese Begriffsbestimmung dahin missverstanden werden könnte, der für das praktische Leben brauchbare Grad von Gewissheit, den die Rechtsprechung für das Gelingen eines Hauptbeweises verlangt, müsse im vorliegenden Zusammenhang ausnahmsweise nicht erreicht werden. Schließlich erscheint auch wenig hilfreich, beim Begriff der Offenkundigkeit auf die Leichtigkeit, mit der der Standesbeamte sich Gewissheit verschaffen kann, abzuheben (so: Hepting FamRZ 1998, S. 713/721). Abgesehen davon, dass sich die Leichtigkeit, mit der der Standesbeamte zum Ergebnis gelangt, objektiv kaum erfassen lassen dürfte, kann es nicht darauf ankommen, ob die Durchführung der Ermittlungen für den Standesbeamten leicht oder nur mit Schwierigkeiten zu bewältigen war (so auch MK = Müller-Gindullis, BGB, 4. Aufl. 2000, § 1310 Rdnr. 18).

Angesichts dessen spricht am meisten dafür, die Offenkundigkeit so zu verstehen, dass der Standesbeamte in Wahrnehmung seiner bereits gesetzlich gestuften und begrenzten Prüfungspflicht nach Abschluss seiner Ermittlungen die entscheidende Frage leicht beantworten kann; dies setzt voraus, dass die im Verlaufe seiner Aufklärung zutage getretenen und bestätigten Indizien den Schluss auf die Eingehung einer Aufenthaltsehe geradezu aufdrängen, gleichsam evident für eine solche sprechen (so auch KG StAZ 2001, S. 298/300; OLG Frankfurt StAZ 2004, S. 368f.; MK = Müller-Gindullis a.a.O.). Das steht auch in Übereinstimmung damit, dass die Rechtsänderung von 1998 eine zuvor bestehende obergerichtliche Rechtsprechung auf eine gesicherte Grundlage stellen wollte, wonach ein Standesbeamter unter dem Gesichtspunkt des Missbrauchs der Institution der Ehe seine Mitwirkung an einer Eheschließung zu versagen hatte, wenn diese "offenkundig" allein dem Zweck der Schaffung einer Aufenthaltsberechtigung diente und die Herstellung einer ehelichen Lebensgemeinschaft nicht beabsichtigt war (dazu KG und OLG Frankfurt, je a.a.O.).

Im einzelnen darf der Standesbeamte nicht ohne konkrete Anhaltspunkte, d.h. nicht aufgrund nicht näher substantiierbarer Vermutungen, tätig werden. Mögliche Umstände, die einen derartigen "Anfangsverdacht" begründen können, ergeben sich aus der Entschließung des Rates der Europäischen Union vom 4. Dezember 1997 über Maßnahmen zur Bekämpfung von Scheinehen (ABl. EG vom 16. Dezember 1997, C 382/01). Bei seinen dann einsetzenden Ermittlungen ist er, wie bereits dargestellt, auf bestimmte Erkenntnismittel beschränkt. Sodann muss er bezüglich derjenigen indiziellen Umstände, auf die er seine Entscheidung, seine Mitwirkungshandlung zu verweigern, stützen will, denselben Grad von Gewissheit, wie er für jede Beweisführung erforderlich ist, erlangt haben. Die auf solche Weise gewonnenen Ermittlungsergebnisse müssen schlagend für eine Aufenthaltsehe sprechen.

cc) Mit alledem ist jedoch noch nichts darüber gesagt, in welchem Umfang das Verfahren vor dem Standesbeamten einer gerichtlichen Überprüfung unterliegt.

Es erscheint nicht unbedenklich, in den hier in Rede stehenden Fällen die Pflicht der Tatsachengerichte zur Amtsermittlung uneingeschränkt nach den in Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit allgemein geltenden Grundsätzen zu bestimmen (so aber wohl OLG Frankfurt StAZ 2004, S. 368/369; vgl. auch KG StAZ 2001, S.298/300). Denn zwar steht dem Standesbeamten bei der Entscheidung über seine Mitwirkungshandlung kein durch den Personenstandsrichter nicht überprüfbares Ermessen zu; wohl aber beruht die Begrenzung der Ermittlungsmöglichkeiten in § 5 Abs. 4 PStG auf einer gesetzgeberischen Abwägung zwischen der staatlichen Ermittlungstätigkeit und den Grundrechten der betroffenen Verlobten. Es spricht aus Sicht des Senats viel dafür, diese Einschränkungen auch in den gerichtlichen Tatsacheninstanzen zu beachten.

Indes bedarf es vorliegend aus sogleich aufzuzeigenden tatsächlichen Gründen keiner abschließenden Entscheidung der Frage, ob die Amtsermittlungspflicht des § 12 FGG durch die Regelung des § 5 Abs. 4 PStG begrenzt wird.

In jedem Fall ist die Entscheidung des Beschwerdegerichts als zweiter Tatsacheninstanz im Verfahren der Rechtsbeschwerde nur eingeschränkt daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter den maßgeblichen Sachverhalt ausreichend ermittelt, sich bei der Beurteilung des Beweisstoffes mit allen wesentlichen Umständen auseinandergesetzt und hierbei nicht gegen gesetzliche Beweisregeln und Verfahrensvorschriften sowie gegen Denkgesetze und zwingende Erfahrungssätze verstoßen hat (Keidel/Kuntze/Winkler-Meyer-Holz, FGG, 15. Aufl. 2003, § 27 Rdnr. 42 m.w.Nachw.).

dd) Aus dem Vermerk des Standesamtes C. vom 17. Juni 2005 ergibt sich, dass hier die anfänglichen Verdachtsmomente, die für die durchgeführten Befragungen der Antragstellerin und ihres Verlobten ausschlaggebend gewesen sind, das nervöse Verhalten der Antragstellerin, ihre Unkenntnis von vorangegangenen Ehen ihres Verlobten sowie dessen Angabe eines unrichtigen Namens der Antragstellerin waren.

Die auf diesen Anhaltspunkten aufbauenden Ermittlungen des Standesbeamten haben keine den Verdacht auf eine – einverständliche – Aufenthaltsehe bestärkenden Erkenntnisse erbracht und sich nicht zur Offenkundigkeit verdichtet.

Die vom Standesamt C. angeführten Indizien erschöpfen sich weitgehend in solchen, die durch den eheschließenden Mann gesetzt wurden (fehlende Kenntnisse von Person und Lebensumständen der Antragstellerin). Dass bei ihm die ehefremde, aufenthaltsbezogene Zwecksetzung vorliegt, reicht jedoch nicht aus; läge sie nur bei ihm vor, bliebe zwar die Möglichkeit, dass der Aufhebungsgrund des § 1314 Abs. 2 Nr. 3 BGB, die Bestimmung der Antragstellerin zur Eingehung der Ehe durch arglistige Täuschung, gegeben wäre, doch fehlt es nach Lage der Akten an objektivierten Anhaltspunkten für eine arglistige Täuschung der Antragstellerin durch den Mann über seine Beweggründe zur Eheschließung. Die Antragstellerin hingegen muss sich lediglich zweifelhafte Angaben zu den Umständen des Heiratsantrages und den Vorstellungen von den Hochzeitsfeierlichkeiten sowie fehlende Kenntnisse von der Verwandtschaft des Mannes vorhalten lassen; ob ihre Angaben zu erhaltenen Geschenken und der Gestaltung des vergangenen Wochenendes richtig oder unzutreffend sind, ist offen. Gerade zu den inkriminierten Punkten hat sich die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 31. März 2006 derart geäußert, dass ihre Angaben geeignet sind, die Bedeutung der von den Standesämtern vorgetragenen Indizien deutlich zu relativieren ("Schönreden" des Heiratsantrages, divergierende Hochzeitsvorstellungen, Verwandtschaft des Mannes in Mazedonien und nur sehr geringen Kontakt zu den eigenen Eltern).