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Zitieren als:
EuGH, Urteil vom 04.10.2007 - C-349/06 - asyl.net: M11778
https://www.asyl.net/rsdb/M11778
Leitsatz:

Art. 14 Abs. 1 ARB Nr. 1/80 steht der Ausweisung eines türkischen Staatsangehörigen, der mehrfach strafrechtlich verurteilt wurde, nicht entgegen, vorausgesetzt, dass dessen persönliches Verhalten eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

 

Schlagwörter: D (A), Ausweisung, Türken, Assoziationsberechtigte, Assoziationsratsbeschluss EWG/Türkei, Familienangehörige, Volljährigkeit, Haft, Wiederholungsgefahr, Straftaten, Spezialprävention
Normen: ARB Nr. 1/80 Art. 7; ARB Nr. 1/80 Art. 14 Abs. 1; AuslG § 47 Abs. 1; Zusatzprotokoll zum Assoziierungsabkommen Art. 59
Auszüge:

Art. 14 Abs. 1 ARB Nr. 1/80 steht der Ausweisung eines türkischen Staatsangehörigen, der mehrfach strafrechtlich verurteilt wurde, nicht entgegen, vorausgesetzt, dass dessen persönliches Verhalten eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

(Leitsatz der Redaktion)

 

1. Ein türkischer Staatsangehöriger, der als Kind im Wege der Familienzusammenführung in einen Mitgliedstaat einreisen durfte und das Recht auf freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis nach Art. 7 Satz 1 zweiter Gedankenstrich des Beschlusses Nr. 1/80 vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation, der von dem durch das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei errichteten Assoziationsrat erlassen wurde, erworben hat, verliert das von diesem Recht auf freien Zugang abgeleitete Aufenthaltsrecht im Aufnahmemitgliedstaat nur in zwei Fallgruppen, nämlich

– in den Fällen des Art. 14 Abs. 1 dieses Beschlusses oder

– bei Verlassen des Aufnahmemitgliedstaats für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe,

und zwar auch dann, wenn er älter als 21 Jahre ist, von seinen Eltern keinen Unterhalt mehr erhält, sondern im betreffenden Mitgliedstaat ein selbständiges Leben führt, und dem Arbeitsmarkt mehrere Jahre lang wegen der Verbüßung einer gegen ihn verhängten und nicht zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von solcher Dauer nicht zur Verfügung gestanden hat.

In einer Situation wie der des Klägers des Ausgangsverfahrens ist die vorstehende Auslegung nicht mit den Anforderungen des Art. 59 des Zusatzprotokolls unvereinbar, das am 23. November 1970 in Brüssel unterzeichnet und durch die Verordnung (EWG) Nr. 2760/72 des Rates vom 19. Dezember 1972 im Namen der Gemeinschaft geschlossen, gebilligt und bestätigt wurde.

2. Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 ist dahin auszulegen, dass er der Ausweisung eines türkischen Staatsangehörigen, der mehrfach strafrechtlich verurteilt wurde, nicht entgegensteht, vorausgesetzt, dass dessen persönliches Verhalten eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob das im Ausgangsverfahren der Fall ist.