VGH Bayern

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Zitieren als:
VGH Bayern, Beschluss vom 27.07.2007 - 24 CE 07.1810 - asyl.net: M11700
https://www.asyl.net/rsdb/M11700
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), abgelehnte Asylbewerber, Familienzusammenführung, Ehegattennachzug, beabsichtigte Eheschließung, Aufenthaltserlaubnis, subsidiärer Schutz, Ermessen, offensichtlich unbegründet, Sperrwirkung, Anspruch, Ermessensreduzierung auf Null, Schutz von Ehe und Familie
Normen: AufenthG § 60a Abs. 2; AufenthG § 29 Abs. 3; AufenthG § 25 Abs. 5; AufenthG § 30 Abs. 2; AufenthG § 10 Abs. 3 S. 2; AufenthG § 10 Abs. 3 S. 3; VwGO § 123
Auszüge:

Die zulässige Beschwerde hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat zu Unrecht das Bestehen eines Anordnungsanspruchs verneint.

Die Abschiebung des Antragstellers ist derzeit aus rechtlichen Gründen unmöglich (§ 60 a Abs. 2 AufenthG). Der Antragsteller kann sich auf die Vorwirkungen der unmittelbar bevorstehenden Eheschließung berufen sowie darauf, dass ihm wohl ein Aufenthaltsrecht nach der Eheschließung zusteht.

Mit dem Verwaltungsgericht ist davon auszugehen, dass Rechtsgrundlage für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis § 29 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ist. Danach darf die Aufenthaltserlaubnis dem Ehegatten eines Ausländers, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG besitzt, u.a. nur aus humanitären Gründen erteilt werden. Während das Verwaltungsgericht offen gelassen hat, ob humanitäre Gründe gegeben sind, geht der Senat vom Vorliegen solcher Gründe aus. Denn aus verfassungsrechtlichen Gründen liegen diese wohl dann vor, wenn einem Ausländer die Herstellung der Familieneinheit im Herkunftsstaat unmöglich ist (vgl. Hailbronner, Kommentar zum Ausländerrecht, Stand: Mai 2007, RdNr. 17 zu § 29 AufenthG). Hiervon muss im vorliegenden Fall wohl ausgegangen werden, denn den Ausführungen der Antragsgegnerin zufolge besitzt die Verlobte des Antragstellers deshalb eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG, weil das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bindend festgestellt hat, dass die bei ihr bestehende Krankheit in ihrem Heimatland nicht behandelt werden kann. Demzufolge ist es ihr nicht zumutbar, zum Zwecke der Heirat und der Führung einer ehelichen Lebensgemeinschaft derzeit in ihr Heimatland zurückzukehren.

Voraussetzung für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an den Antragsteller nach der Heirat ist sodann, dass die Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 AufenthG vorliegen, was hier zu verneinen ist. Jedoch kann eine Aufenthaltserlaubnis nach § 30 Abs. 2 AufenthG im Ermessenswege erteilt werden. Dieses Ermessen ist bislang von der Antragsgegnerin im Rahmen des Antrags des Antragstellers auf Erteilung einer Duldung nicht ausgeübt worden, wobei der Antragsgegnerin insoweit ein großer Ermessensspielraum zusteht. Berücksichtigt man jedoch die persönliche Situation der Verlobten, spricht einiges für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Letztendlich soll dieser Entscheidung jedoch nicht vorgegriffen werden. Jedoch bestehen insoweit erhebliche persönliche Interessen des Antragstellers, dass er vor einer derartigen Entscheidung nicht abgeschoben wird.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts hat der Senat auch erhebliche Bedenken gegen die vom Verwaltungsgericht vertretene Rechtsauffassung, § 10 Abs. 3 Sätze 1 und 3 AufenthG würden die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an den Antragsteller von vornherein sperren. Zum einen ist vorliegend wohl nicht Satz 1 einschlägig, sondern Satz 2, da der Asylantrag des Antragstellers als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden ist. Aber auch in diesem Fall kann nach § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG dann ein Aufenthaltstitel erteilt werden, wenn der Antragsteller hierauf einen Anspruch hat. Im Hinblick auf diese Vorschrift stellen sich verschiedene schwierige rechtliche Probleme, die im Eilverfahren nicht geklärt werden können. Zum einen ist bereits fraglich, ob es erforderlich ist, dass der Antragsteller einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis hat oder ob nicht eine Ermessensreduzierung auf Null ausreicht, um die Sperre eines erfolglos durchgeführten Asylverfahrens zu durchbrechen. Der Senat hat sich mit dieser Frage bislang nicht befasst. In der Kommentarliteratur wird sie gegensätzlich beantwortet (vgl. Hailbronner a.a.O. RdNr. 16 zu § 10 AufenthG; Discher in Gemeinschaftskommentar zum Aufenthaltsgesetz, RdNr. 171 ff. zu § 10 AufenthG).

Des weiteren stellt sich die Frage, ob § 10 AufenthG auch dann Anwendung findet, wenn – wie im vorliegenden Fall – der Ausländer, der ein Asylverfahren erfolglos durchlaufen hat, anschließend eine Aufenthaltserlaubnis erhält – hier zur Führung einer ehelichen Lebensgemeinschaft vom 11. Dezember 2001 bis zum 11. Dezember 2004 –. Der Intention des Gesetzgebers, den Aufenthalt eines erfolglosen Asylbewerbers baldmöglichst zu beenden, kann wohl dann nicht mehr Genüge getan werden, wenn der Ausländer bereits über mehrere Jahre berechtigt im Bundesgebiet gelebt hat. Ob ihm dann noch das Asylverfahren entgegengehalten werden kann, erscheint fraglich.