VG Ansbach

Merkliste
Zitieren als:
VG Ansbach, Urteil vom 15.08.2007 - AN 11 K 07.30541 - asyl.net: M11632
https://www.asyl.net/rsdb/M11632
Leitsatz:
Schlagwörter: Afghanistan, Folgeantrag, Änderung der Sachlage, Gebietsgewalt, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, allgemeine Gefahr, extreme Gefahrenlage, Versorgungslage, Sicherheitslage, Erlasslage, Abschiebungsstopp
Normen: GG Art. 16a Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 1; AsylVfG § 71 Abs. 1; VwVfG § 51 Abs. 1 Nr. 1; AufenthG § 60 Abs. 7; AufenthG § 59; AsylVfG § 34 Abs. 1
Auszüge:

Die im Rahmen des Asylfolgeverfahrens erhobene Klage auf Aufhebung des angefochtenen Bescheids des Bundesamts vom 13. April 2004, auf dessen Ausführungen gemäß §§ 77 Abs. 2 AsylVfG, 117 Abs. 5 VwGO verwiesen wird, über die mit Einverständnis der Beteiligten nach § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann, und auf Verpflichtung zur Asylanerkennung und Feststellung des Abschiebungsverbots des § 51 Abs. 1 AuslG, hilfsweise von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG ist wie aus der Prüfung der im maßgeblichen Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG gegebenen Sach- und Rechtslage folgt (nur) zu einem geringen Teil entsprechend der Tenorierung begründet, weil die Androhung der Abschiebung für den Fall der Wiedereinreise nach Ziffer 3 Satz 6 des angefochtenen Bescheids rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO (1).

1. Selbst in Haftfällen ist es nach der Rechtsprechung des Gerichts nicht zulässig und damit rechtswidrig, einem erfolglosen Asylbewerber die Abschiebung für den Fall einer erneuten unerlaubten Wiedereinreise anzudrohen, weil dies weder dem Gesetz – § 34 Abs. 1 AsylVfG, § 50 AuslG bzw. § 59 AufenthG – zu entnehmen ist, noch der Gesamtkontext asylverfahrensrechtlicher Vorschriften oder ein aus diesen abzuleitender Beschleunigungseffekt eine derartige Handhabung rechtfertigt (Urteil vom 14. Mai 2002 - AN 11 K 02.30069 unter Bezugnahme auf OVG NRW vom 23.3.2000 und VGH BW vom 5.7.2001). Inzwischen ist diese Frage höchstrichterlich im vorgenannten Sinn geklärt (BVerwG NVwZ 2006, 96).

2. Im Übrigen ist die Klage aber unter jeglichem weiteren Gesichtspunkt unbegründet.

2a) Hinsichtlich des Asylgrundrechts des Art. 16 a Abs. 1 GG wurden zulässige und beachtliche Wiederaufgreifensgründe nicht vorgetragen bzw. greifen nicht durch.

Soweit eine politische Verfolgung durch die aktuelle Regierung in Afghanistan befürchtet wird, hält das Gericht nach den in das Verfahren eingeführten Erkenntnissen in ständiger Rechtsprechung im Übrigen bereits das Tatbestandsmerkmal der Staatlichkeit bzw. Quasistaatlichkeit im Sinne der maßgeblichen Rechtsprechung des Bundesverfassungs- und Bundesverwaltungsgerichts für nicht gegeben, weil auch derzeit eine effektive Staatsgewalt als Subjekt der Verfolgung in Afghanistan (noch) nicht vorliegt, wie dies aus der Auskunftslage seit dem Sturz der Taliban bis heute folgt.

2b) Es besteht auch kein Abschiebungsverbot nach § 51 Abs. 1 AuslG. Auf diese Vorschrift ist nach Auffassung des Gerichts abzustellen, da der Kläger seinen Klageantrag nicht entsprechend insoweit umgestellt hat.

2c) Es besteht auch kein Abschiebungshindernis nach § 53 AuslG. Auf diese Vorschrift ist nach Auffassung des Gerichts abzustellen, da der Kläger seinen Klageantrag nicht entsprechend insoweit umgestellt hat.

Nach diesen Grundsätzen wird durch das sinngemäße Klagevorbringen, bei einer Rückkehr nach Afghanistan bestehe auf Grund der allgemeinen Lage und Verhältnisse dort keine ausreichende Existenzgrundlage, schon das Vorliegen dieses Abschiebungshindernisses im maßgeblichen jetzigen Zeitpunkt nicht substantiiert. Denn bei solchen lagebedingten, mindestens eine ganze Bevölkerungsgruppe – wie hier alle aus dem Ausland rückkehrenden afghanischen Flüchtlinge – betreffenden Beeinträchtigungen ist gemäß § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG der Schutzbereich des § 60 Abs. 7 AufenthG erst dann eröffnet, wenn die allgemeine Gefahrenlage derart extrem ist, dass praktisch jeder einzelne Gruppenangehörige im Falle der Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde, sowie wenn diese Gefahr landesweit bestünde oder zumindest ein Ausweichen bei Rückkehr nicht möglich wäre. Das Vorliegen einer derartigen extremen Gefahrenlage mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit kann nach Überzeugung des Gerichts den verfahrensgegenständlichen Erkenntnisquellen aber nicht entnommen werden.

Diese Auffassung, auf die auch maßgeblich abzustellen ist, da nach den derzeitigen ausländerbehördlichen Verwaltungsvorschriften in Bayern nicht (mehr) davon ausgegangen werden kann, dass eine Erlass- oder Weisungslage besteht, die vergleichbar wirksamen Abschiebungsschutz bietet (BayVGH vom 9.1.2007, zitiert nach juris), wird auch überwiegend in der Rechtsprechung vertreten (VG Karlsruhe vom 6.6.2002, zitiert nach asylis/bafl; jedenfalls im Raum Kabul keine extreme Gefahrenlage nach Hbg OVG vom 14.6.2002 sowie vom 11.4.2003 und VG Stade vom 2.8.2002, zitiert jeweils nach asylis/bafl sowie vom 29.11.2004; VG Leipzig vom 27.8.2002, zitiert nach Asylmagazin 12/2002; Rechtsprechungsnachweise im Einzelentscheider-Brief des BAFl 10/02 S. 3; OVG NRW vom 20.3.2003 und VG Minden vom 7.8.2003, zitiert jeweils nach asylis/bafl; VG Hamburg vom 21.2.2003, zitiert nach asyl.net/laenderinfo/afghanistan; VG Trier vom 27.1.2004, VG Dresden vom 16.3.2004, VG Würzburg vom 20.4.2004 und VG Göttingen vom 26.4.2004, zitiert jeweils nach asylis/bafl; HessVGH vom 11.11.2004, zitiert nach Asylmagazin und ausführlich VG Gelsenkirchen InfAuslR 2005, 169, OVG NRW vom 5.4.2006 und vom 21.3.2007 sowie SächsOVG vom 23.8.2006, wonach auf die Verhältnisse in Kabul abzustellen sei, zitiert nach Asylmagazin; siehe auch die Rechtsprechungsnachweise bei Wolff Asylmagazin 1–2/2004 und Hollmann in Informationsverbund e.V. 2006 Seite 17 aA für ein minderjähriges Kind VG Bayreuth vom 15.12. 2003 und VG Wiesbaden vom 30.3. 2004, zitiert jeweils nach Asylmagazin; für Rückkehrer ohne Unterstützung wegen der desolaten Versorgungslage VG Neustadt/Weinstraße vom 11.10.2006 und VG Meiningen vom 16.11.2006, zitiert nach Asylmagazin; für allein stehende bzw. geschiedene Frau VG Frankfurt/Main vom 1.11.2006 und VG Potsdam vom 14.11.2006, zitiert jeweils nach Asylmagazin; bei alten, behinderten und schwer erkrankten Personen ohne für eine Hilfestellung in Betracht kommende Bezugspersonen OVG NRW vom 15.5.2003 und vom 21.3.2007, zitiert nach juris).