1. Ein Ausländer darf auf der Grundlage einer Abschiebungsandrohung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge grundsätzlich so lange nicht in einen anderen als den ausdrücklich bezeichneten Zielstaat abgeschoben werden, bis auch dieser andere Staat durch Konkretisierung des Hinweises gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG i.V.m. § 50 Abs. 2 Hs. 2 AuslG bzw. § 59 Abs. 2 Hs. 2 AufenthG als Zielstaat der Abschiebung ordnungsgemäß bezeichnet ist.
2. Die Zuständigkeit für die Konkretisierung dieses Hinweises in einer von dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erlassenen Abschiebungsandrohung durch nachträgliche Bezeichnung eines anderen Zielstaats der Abschiebung liegt ausschließlich bei dem Bundesamt.
(Amtliche Leitsätze)
Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO zu Recht stattgegeben. Hinsichtlich Tunesiens fehlt es bislang an einer wirksamen Androhung der Abschiebung. Allein auf der Grundlage des Hinweises gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG i.V.m. § 50 Abs. 2 Hs. 2 AuslG bzw. § 59 Abs. 2 Hs. 2 AufenthG, dass der Ausländer in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist, darf grundsätzlich keine Abschiebung nach Tunesien durchgeführt werden. Dieser Hinweis hat zwar Schutz- und Warnfunktion, weist selbst aber keinen regelnden Charakter auf. Sein Fehlen führt deshalb auch nicht zur Rechtswidrigkeit der Abschiebungsandrohung. Er soll dem Ausländer lediglich klarmachen, dass er ohne erneute Abschiebungsandrohung in einen später noch zu bezeichnenden (anderen) Staat abgeschoben werden kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.07.2000 - 9 C 42.99 - BVerwGE 111, 343; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 11.01.1995 - 13 S 2512/93 - NVwZ 1995, 720). Solange eine solche ordnungsgemäße Zielstaatsbezeichnung nicht vorliegt, darf der Ausländer in einen anderen als den ausdrücklich bezeichneten Zielstaat nicht abgeschoben werden. Das ist hier der Fall. Denn die Zuständigkeit für diese Bezeichnung liegt im Falle einer von dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erlassenen Abschiebungsandrohung ausschließlich bei dem Bundesamt.
Diese Zuständigkeit ergibt sich nicht explizit aus dem Gesetz. Eine Gesamtschau insbesondere der §§ 24 Abs. 2, 31 Abs. 3, 42 Satz 1, 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 58 Abs. 4 Satz 1 Hs. 2, 73 Abs. 3 AsylVfG, § 72 Abs. 2 AufenthG verdeutlicht jedoch, dass in vorliegender Konstellation nur das Bundesamt zuständig sein kann: Stellt der Ausländer einen Asylantrag, ergibt sich die Kompetenz zur Prüfung von zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten aus § 24 Abs. 2 AsylVfG. Nach § 31 Abs. 3 AsylVfG hat das Bundesamt darüber hinaus die ausdrückliche Pflicht, bei Entscheidungen über Asylanträge zugleich regelnd über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 bis 5 oder 7 AufenthG zu entscheiden, wovon nur bei Asylanerkennung oder Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft abgesehen werden darf. Hat das Bundesamt über zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote entschieden, entfaltet seine diesbezügliche Feststellung gemäß § 42 Satz 1 AufenthG für die Ausländerbehörde Bindungswirkung. Auch bei Fragen der landesinternen Verteilung des Ausländers behält das Bundesamt gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AsylVfG hinsichtlich § 60 Abs. 2 bis 5 oder 7 AufenthG die Verfahrensherrschaft; eine Bindung der Ausländerbehörde an die entsprechende Entscheidung des Bundesamtes besteht gemäß § 58 Abs. 4 Satz 1 Hs. 2 AsylVfG selbst bezüglich Fragen zur Beschränkung der örtlichen Bewegungsfreiheit des Ausländers. Und auch nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bleibt das Bundesamt gemäß § 73 Abs. 3 AsylVfG für Widerruf und Rücknahme einer Entscheidung zu zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten weiterhin zuständig.
Die Kompetenz ausschließlich des Bundesamtes zur zielstaatsbezogenen Konkretisierung des Hinweises in der eigenen, gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG i.V.m. § 50 Abs. 2 Hs. 2 AuslG bzw. § 59 Abs. 2 Hs. 2 AufenthG erlassenen Abschiebungsandrohung ist vor diesem Normhintergrund naheliegend. Hierfür spricht im Falle eines abgelehnten Asylbewerbers zudem die rechtliche Ausgestaltung des Instituts der Abschiebungsandrohung. Wie insbesondere § 60 AufenthG illustriert, muss grundsätzlich vor jeder Abschiebung das Vorliegen von Abschiebungsverboten konkret geprüft werden. Im Asylverfahren ist, anders als im allgemeinen Ausländerrecht (§ 59 Abs. 1 AufenthG: "soll"), der Erlass einer Abschiebungsandrohung ausnahmslos vorgesehen (vgl. § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG). Wesentlicher Bestandteil dieser Androhung ist der Zielstaat der Abschiebung, auf dessen Bezeichnung auch wegen der Schutzfunktion allenfalls bei Vorliegen einer atypischen Konstellation verzichtet werden darf (vgl. § 59 Abs. 2 Hs. 1 AufenthG und VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 18.06.1996 - 13 S 1281/95 - VBlBW 1996, 436). Da das Bundesamt ohne entsprechende Anhaltspunkte nicht gehalten ist, Abschiebungsverbote hinsichtlich aller Staaten der Welt zu prüfen (vgl. BVerwG, Urt. v. 04.12.2001 - 1 C 11.01 - BVerwGE 115, 267), andererseits die Abschiebung effizient durchgeführt werden soll, sobald ein geeigneter Zielstaat ermittelt wurde, ist in der Abschiebungsandrohung zunächst selbst der Hinweis auf Abschiebung "in den Herkunftsstaat" möglich (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.07.2000 - 9 C 42.99 - a.a.O.) und hat der Gesetzgeber den hier Streit auslösenden Hinweis auf andere mögliche Zielstaaten in § 50 Abs. 2 Hs. 2 AuslG bzw. § 59 Abs. 2 Hs. 2 AufenthG geregelt (vgl. BT-Drs. 12/2062, S. 44).
Hat der Ausländer nie einen Asylantrag gestellt, liegt die Kompetenz zum Erlass der Abschiebungsandrohung und zur Konkretisierung des Hinweises nach § 50 Abs. 2 Hs. 2 AuslG bzw. § 59 Abs. 2 Hs. 2 AufenthG naturgemäß bei der die Abschiebung durchführenden Ausländerbehörde. Sobald allerdings eine Feststellung bezüglich eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 AufenthG zu treffen ist, ist die Ausländerbehörde auch hier durch § 72 Abs. 2 AufenthG verpflichtet, das Bundesamt im Wege einer nicht selbständig anfechtbaren verwaltungsinternen Stellungnahme aufgrund dessen besonderer Sachkunde zu beteiligen (vgl. BT-Drs. 15/420, S. 94). Ob diese Beteiligung möglicherweise entfallen könnte, wenn sich keinerlei Anhaltspunkte auf das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG ergeben, weil weder der Ausländer im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht gemäß § 82 Abs. 1 AufenthG entsprechend vorgetragen hat noch sich sonst wie Hinweise hierauf ergeben, kann offen bleiben. In der hier vorliegenden Konstellation kann jedenfalls trotz des Fehlens entsprechender Anhaltspunkte ohne Konkretisierung des Hinweises gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG i.V.m. § 50 Abs. 2 Hs. 2 AuslG bzw. § 59 Abs. 2 Hs. 2 AufenthG durch nachträgliche Bezeichnung eines anderen Zielstaats der Abschiebung ausschließlich durch das Bundesamt keine Abschiebung nach Tunesien erfolgen. Denn der Antragsteller hatte einen Asylantrag gestellt, wodurch die zwingende Zuständigkeit des Bundesamtes gemäß § 24 Abs. 2 AsylVfG begründet worden ist (Renner, AuslR, 8. Aufl., § 34 AsylVfG Rn. 3, 13); diese Zuständigkeit dauert auch nach Abschluss des Asylverfahrens noch an (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.07.2000 - 9 C 42.99 - a.a.O.). Für dieses Ergebnis sprechen zudem die Gesichtspunkte der Verfahrensklarheit und Rechtssicherheit (Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, 9/05, § 34 Rn. 64.1) sowie die von dem Gesetzgeber mit der Novellierung 1992 grundlegend eingeführte klare Aufgabenverteilung bezüglich zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote - Bundesamt - und inlandsbezogener Vollstreckungshindernisse - Ausländerbehörde - (vgl. BT-Drs. 12/2062, S. 28 sowie BVerwG, Urt. v. 11.11.1997 - 9 C 13/96 - BVerwGE 105, 322 und Urt. v. 11.09.2007 - 10 C 8.07 -), die gerade im Bereich des Asylverfahrensrechts zu beachten ist (Hailbronner/Roth, AuslR, 6/06, § 34 AsylVfG Rn. 70).