VG Münster

Merkliste
Zitieren als:
VG Münster, Beschluss vom 11.09.2007 - 5 K 347/06 - asyl.net: M11514
https://www.asyl.net/rsdb/M11514
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Aufenthaltserlaubnis, vorübergehender Aufenthalt, abgelehnte Asylbewerber, Ausreisepflicht, Vollziehbarkeit, Ausreisehindernis, freiwillige Ausreise, Abschiebungshindernis, inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Ablehnungsbescheid, Bindungswirkung, Ausländerbehörde, Schutz von Ehe und Familie, Privatleben, Verhältnismäßigkeit, Integration, Aufenthaltsdauer, Lebensunterhalt, Duldung, Libanon, Libanesen, Passlosigkeit, Passbeschaffung, Passersatzbeschaffung, Mitwirkungspflichten, Zumutbarkeit, allgemeine Erteilungsvoraussetzungen, Passpflicht, Altfallregelung, Ermessen, Reiseausweis für Ausländer
Normen: AufenthG § 25 Abs. 4 S. 1; AufenthG § 25 Abs. 5; GG Art. 6 Abs. 1; EMRK Art. 8; AufenthG § 104a Abs. 1; AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 4; AufenthG § 5 Abs. 3; AufenthG § 104a Abs. 2; AufenthV § 5 Abs. 1
Auszüge:

Die zulässige Verpflichtungsklage ist mit Haupt- und Hilfsantrag unbegründet.

Der Beklagte ist nicht verpflichtet, den Klägern eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.

Ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ergibt sich für die Kläger auch nicht aus § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG, denn diese Regelung gilt nur für nicht vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer. Dies hat der Gesetzgeber in der seit dem 28. August 2007 geltenden Fassung ausdrücklich entschieden (vgl. zum Streitstand Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, Stand: Mai 2007, § 25 AufenthG, Randziffern 59 bis 61 und Burr in GK-AufenthG, Stand: Juni 2007, § 25 AufenthG Randziffern 64 bis 66).

Der Beklagte ist auch nicht gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG verpflichtet, den Klägern eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.

Die Ausreise der Kläger ist nicht aus rechtlichen Gründen unmöglich.

Eine freiwillige Ausreise im Sinne von § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG ist aus rechtlichen Gründen unmöglich, wenn ihr rechtliche Hindernisse entgegenstehen, die eine Ausreise ausschließen oder als unzumutbar erscheinen lassen. Derartige Hindernisse können auf inlandsbezogenen Abschiebungsverboten beruhen.

Darüber hinaus gehören zu den Abschiebungshindernissen, die eine freiwillige Ausreise im Sinne von § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG aus rechtlichen Gründen unmöglich machen, auch zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote aus § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG.

Bei der Entscheidung über eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG ist die Ausländerbehörde bei abgelehnten Asylbewerbern nicht zu einer eigenen inhaltlichen Prüfung von zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG berechtigt, sondern bleibt gemäß § 42 Abs. 1 AsylVfG in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Juli 1993, BGBl. I S. 1361, an die positive oder negative Feststellung des Bundesamtes gebunden (BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2006 - 1 C 14.05 -, a. a. O. und Beschluss vom 3. März 2006 - 1 B 126.05 -, NVwZ 2006, 830 sowie OVG NRW, Beschluss vom 7. Februar 2007 - 18 A 4369/05 -).

Die Entscheidung des Beklagten, die Aufenthaltserlaubnis abzulehnen, greift nicht in ihr Grundrecht auf Schutz von Ehe und Familie aus Artikel 6 Abs. 1 GG ein. Um den Schutz von Ehe und Familie geht es im vorliegenden Fall schon deshalb nicht, weil in dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts die Familie durch die vom Beklagten getroffene Entscheidung nicht getrennt werden soll, vielmehr alle Familienangehörige in das Land ihrer Staatsangehörigkeit zurückkehren sollen (vgl. VGH BW, Beschluss vom 2. November 2005 - 1 S 3023/04 -, InfAuslR 2006, 70).

Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wird nicht verletzt, wenn die Kläger keine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG erhalten. Dieser Grundsatz besagt, dass jede staatliche Entscheidung geeignet, erforderlich und angemessen sein muss, um das mit dieser Entscheidung angestrebte Ziel zu erreichen. Dies trifft im Falle der Kläger zu.

Die Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis zielt bei den Klägern darauf ab, ihren Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland zu beenden. Es besteht ein gewichtiges öffentliches Interesse daran, dass die Kläger ausreisen. Die Kläger zu 1. bis 6. sind im Juli 1990 zu dem Zweck in die Bundesrepublik Deutschland eingereist, klären zu lassen, ob sie Asyl erhalten. Die Kläger zu 7. bis 9. haben ebenfalls Asyl beantragt. Mit dem erfolglosen Abschluss des Asylverfahrens hat sich dieser Zweck des Aufenthaltes erledigt, so dass im Anschluss daran die Ausreise erfolgen muss. Darüber hinaus besteht ein öffentliches Interesse daran, dass die Bundesrepublik Deutschland bzw. die mit asyl- bzw. ausländerrechtlichen Angelegenheiten befassten staatlichen Stellen dem Eindruck entgegenwirken müssen, ein Asylantrag könne auch dann zu einem Daueraufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland führen, wenn er keinen Erfolg hat.

Bei den Klägern zu 10. und 11., die keinen Asylantrag gestellt haben, besteht ein öffentliches Interesse daran, dass sie die Bundesrepublik Deutschland verlassen, weil sie über keinen Aufenthaltstitel verfügen und vollziehbar ausreisepflichtig sind.

Artikel 8 Abs. 1 EMRK sieht u. a. vor, dass jedermann Anspruch auf Achtung seines Familien- und Privatlebens hat. Mit seiner Entscheidung, den Klägern keine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen zu erteilen, verstößt der Beklagte nicht gegen diese Regelung.

Die Kläger sind wirtschaftlich nicht integriert. Eine wirtschaftliche Integration liegt nur dann vor, wenn der Ausländer seinen Lebensunterhalt aus eigenen Kräften sicherstellen kann. Dies ist gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG der Fall, wenn der Ausländer seinen Lebensunterhalt einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann.

Das Gericht lässt offen, ob es darüber hinaus auch an der persönlichen und sozialen Integration der Kläger fehlt.

Was die persönliche Integration betrifft, lässt sich nicht für alle Kläger feststellen, dass sie über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache in Wort und Schrift verfügen.

Das Gericht lässt auch offen, ob die Kläger sozial integriert sind.

Allerdings spricht gegen die Integration aller Kläger, dass sie während ihres bisherigen etwa 18jährigen Aufenthaltes etwa 13 Jahre lang seit dem Abschluss der Asylverfahren bis zur Entscheidung des Gerichts lediglich im Besitz von Duldungen waren und Duldungen in der Regel keinen rechtmäßigen Aufenthalt vermitteln, so dass schon deshalb eine soziale Eingliederung in die hiesigen Verhältnisse nicht stattfinden konnte (vgl. VGH BW, Beschluss vom 25. September 2003 - 11 S 1795/03 -, Informationsbrief Ausländerrecht 2004, 70 und Beschluss vom 2. November 2005 - 1 S 3023/04 -, Informationsbrief Ausländerrecht 2006, 70 sowie Hess. VGH, Beschluss vom 15. Februar 2006 - 7 TG 106/06 -, Informationsbrief Ausländerrecht 2006, 217).

Erst recht lassen das Vorbringen der Kläger und der Inhalt der vom Beklagten vorgelegten Akten nicht den Schluss zu, dass die Kläger durch ihren langen Aufenthalt aus den Verhältnissen ihres Herkunftsstaates Libanon entwurzelt sind. Dem steht schon entgegen, dass nach den eigenen Angaben des Klägers zu 1. alle Geschwister im Libanon leben, so dass alle Kläger im Falle einer Rückkehr dorthin sich von den Verwandten helfen lassen könnten, sich wieder an die dortigen Verhältnisse zu gewöhnen.

Allerdings ist die Ausreise der Kläger tatsächlich unmöglich, weil sie zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht im Besitz von Nationalpässen des Libanon oder von Passersatzpapieren dieses Staates sind. Dies führt jedoch nicht dazu, dass ihnen gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden muss, weil die Kläger durch die Regelung in § 25 Abs. 5 Sätze 3 und 4 AufenthG von der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ausgeschlossen werden.

Die Kläger zu 1. und 2. sind nach Abschluss des Asylverfahrens am 20. Juli 1995 mündlich unterrichtet worden, dass sie sich bemühen müssen, Pässe oder Passersatzpapiere zu erhalten. In einem hierüber gefertigten Aktenvermerk des Ausländeramtes des Beklagten heißt es, dass die Kläger zu 1. und 2. nicht bereit waren, sich selbst um entsprechende Papiere im Libanon zu bemühen, weil sie daran zweifelten, dass diese Bemühungen erfolgreich sein könnten. Die Kläger zu 1. und 2. waren lediglich bereit, die Bemühungen des Ausländeramtes zu unterstützen, Passersatzpapiere zu erhalten. Dem entsprechend haben die Kläger zu 1. und 2. Formulare ausgefüllt und unterschrieben, die notwendig waren, um dem Beklagten über die Grenzschutzdirektion Koblenz zu ermöglichen, Passersatzpapiere zu erhalten.

Die Ansicht der Kläger, eigene Bemühungen um die Ausstellung von Pässen oder Passersatzpapieren seien ihnen nicht zuzumuten gewesen, weil der libanesische Staat diese Unterlagen ohnehin nicht ausgestellt hätte, folgt das Gericht nicht. Aus dem von den Klägern selbst vorgelegten Schreiben des Innenministeriums des Landes Niedersachsen vom 24. März 2002 ergibt sich vielmehr, dass es aus dem Libanon ausgereisten in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Personen möglich war, ihren Laissez-passer verlängern zu lassen.

Da nach den eigenen Angaben der Kläger Verwandte des Klägers zu 1. im Libanon leben, wäre es den Klägern darüber hinaus jedenfalls ab 1995 möglich und zumutbar gewesen, mit den dort lebenden Verwandten Kontakt aufzunehmen und zu versuchen, auf diesem Wege Passersatzpapiere von staatlichen libanesischen Stellen zu erhalten.

Die von den Klägern nach alledem verschuldete Passlosigkeit schließt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG auch dann aus, wenn das Gericht zu ihren Gunsten davon ausgeht, dass sie die sonstigen Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG erfüllt haben sollten. Nach Sinn und Zweck des bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Ausländergesetzes war das Maß der faktischen Integration grundsätzlich ohne Bedeutung, wenn der Ausländer seiner Obliegenheit nicht nachgekommen war, alles in seiner Kraft stehende und ihm zumutbare dazu beizutragen, dass etwaige Abschiebungshindernisse überwunden werden. Daran ist nach dem Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes grundsätzlich festzuhalten, denn eine grundlegende konzeptionelle Änderung gegenüber dem bisherigen Recht ist insoweit mit dem Aufenthaltsgesetz nicht verbunden (OVG NRW, Beschluss vom 1. Juni 2005 - 18 B 677/05 -).

Dieses Ergebnis wird durch den Wortlaut des § 25 Abs. 5 Satz 3 AufenthG bestätigt. Diese Regelung ist so formuliert, dass es zwingend ausgeschlossen ist, einem Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG zu erteilen, wenn er nicht unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Aus dem Wortlaut der Vorschrift lässt sich dem gegenüber nicht entnehmen, dass diese Regelung dann nicht gilt, wenn auch Ausreisehindernisse vorhanden sind, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

Diese Auslegung ergibt sich zugleich aus dem Regelungszusammenhang im Rahmen des § 25 Abs. 5 AufenthG.

Diese Auslegung wird durch den Sinn und Zweck der Sätze 3 und 4 des Absatzes 5 bestätigt. Diese Vorschriften dienen dazu, dass auch der Ausländer, der aus humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis erhalten möchte, die für alle Ausländer geltende Passpflicht des § 3 AufenthG erfüllt, die wiederum in der Regel gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 AufenthG Voraussetzung dafür ist, dass überhaupt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Von der Passpflicht kann nur dann gemäß § 5 Abs. 3 Halbsatz 2 AufenthG abgesehen werden, wenn der Ausländer unverschuldet gehindert ist, seiner Passpflicht nachzukommen. Hinzu kommt, dass nur der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen erhalten soll, der bereit ist, sich an die geltenden Gesetze zu halten. Zu diesen Gesetzen gehört § 3 AufenthG und die darin geregelte Passpflicht. Darüber hinaus besteht - wie oben dargelegt - ein öffentliches Interesse daran, dass die Identität und die Staatsangehörigkeit von Ausländern, die sich rechtmäßig mit einem Aufenthaltstitel in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, feststeht und nachgewiesen werden kann. Diesem Sinn und Zweck des § 25 Abs. 5 Sätze 3 und 4 AufenthG widerspräche es, eine Aufenthaltserlaubnis auch dann zu erteilen, wenn der Ausländer keinen Pass besitzt und dies verschuldet hat.

Der Beklagte ist auch nicht verpflichtet, den Klägern zu 1. und 2. und den minderjährigen Klägern zu 6. bis 11. eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 104 a Abs. 1 Sätze 1 und 3 AufenthG zu erteilen.

Dies muss hier vom Gericht nicht entschieden werden, weil die Kläger zu 1. und 2. sowie die Kläger zu 6. bis 11. schon die allgemeine Voraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG nicht erfüllen und von dieser Voraussetzung bei den Klägern auch nicht abgesehen werden kann.

§ 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG bestimmt, dass eine Aufenthaltserlaubnis in der Regel nur erteilt werden kann, wenn die Passpflicht nach § 3 AufenthG erfüllt wird. § 3 Abs. 1 Satz 1 AufenthG regelt, dass Ausländer nur in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten dürfen, wenn sie einen anerkannten und gültigen Pass oder Passersatz besitzen, sofern sie von der Passpflicht nicht durch Rechtsverordnung befreit sind. Letzteres ist bei den Klägern nicht der Fall. Auch besitzen sie im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung weder einen gültigen Pass noch einen Passersatz. Anhaltspunkte dafür, dass im Falle der Kläger zu 1. und 2. bzw. der Kläger zu 6. bis 11. von der Erfüllung der Passpflicht abzusehen ist, sind nicht ersichtlich.

Allerdings sieht § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG vor, dass in den (übrigen) Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 von der Anwendung der Abs. 1 und 2 abgesehen werden kann, mithin auch davon abgesehen werden kann, dass der Ausländer seine Passpflicht nach § 3 AufenthG erfüllt hat. Da § 104 a Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 AufenthG bestimmt, dass die nach dieser Vorschrift erteilte Aufenthaltserlaubnis als Aufenthaltserlaubnis nach Kapitel 2 Abschnitt 5 gilt, ist § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG in den Fällen des § 104 a Abs. 1 AufenthG anwendbar.

Die Entscheidung darüber, ob bei einem Ausländer davon abgesehen werden kann, dass er seiner Passpflicht nachkommt, liegt im Ermessen der Ausländerbehörde. Es ist nicht ersichtlich, dass der Beklagte die in § 5 Abs. 3 AufenthG gesetzten gesetzlichen Grenzen seines Ermessens überschritten hat. Auch hat der Beklagte von seinem Ermessen in dem insoweit für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides in einer dem Zweck der Ermessensermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht.

Der Sinn und Zweck der Ermessensermächtigung des § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG ergibt sich daraus, dass die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis unter Berücksichtigung der Regelung in § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG grundsätzlich öffentliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt, wenn der Ausländer keinen gültigen Pass oder Passersatz besitzt, weil die Bundesrepublik Deutschland nur dem Ausländer einen rechtmäßigen Aufenthalt durch den Besitz eines Aufenthaltstitels erlauben möchte, dessen Identität und Staatsangehörigkeit durch den Besitz eines Passes bzw. Passersatzpapieres belegt wird. Nur bei Vorliegen besonderer Umstände tritt dieses öffentliche Interesse gegenüber dem privaten Interesse des Ausländers zurück, trotz eines fehlenden Passes einen Aufenthaltstitel zu erhalten (Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, a. a. O. § 5 AufenthG Randziffer 7).

Besondere Umstände, die es rechtfertigen würden, bei den Klägern zu 1. und 2. sowie bei den Klägern zu 6. bis 11. vom Besitz eines Passes bzw. Passersatzpapieres abzusehen, liegen nicht vor. Staatenlosigkeit bzw. ungeklärte Staatsangehörigkeit des betreffenden Ausländers ist nur dann ein besonderer Umstand im Sinne der vorgenannten Regelung, wenn es dem Ausländer nicht möglich und zumutbar ist, durch staatliche Stellen des bisherigen Aufenthaltslandes die Staatsangehörigkeit klären zu lassen. Dies trifft hier bei den Klägern nicht zu, denn sie hatten - wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt - seit 1995 die Möglichkeit, durch eigene Bemühungen klären zu lassen, ob sie libanesische Staatsangehörige (geworden) sind oder ob ihnen der libanesische Staat den Sonderstatus eines Staatenlosen bescheinigt.

Die Eingliederung des Ausländers in die hiesigen Lebensverhältnisse ist nicht als besonderer Umstand im Sinne der vorgenannten Bestimmung anzusehen, weil sie nach Maßgabe des § 104 a Abs. 1 AufenthG Voraussetzung für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis ist, so dass der Gesichtspunkt der Integration im Rahmen der Ermessensentscheidung des § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG nicht zu prüfen ist.

Das Gericht kann auch in diesem Zusammenhang offen lassen, ob die Kläger zu 3. bis 5. die in § 104 a Abs. 2 Satz 1 AufenthG genannten Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erfüllen, denn jedenfalls fehlt auch bei diesen Klägern die allgemeine Voraussetzung des § 5 Abs. 1 und Abs. 3 AufenthG. Insoweit gelten die Ausführungen zu den Klägern zu 1. und 2. bzw. zu den Klägern zu 6. bis 11. für die Kläger zu 3. bis 5. entsprechend.

Eine Verpflichtung des Beklagten, den Klägern Reiseausweise auszustellen, besteht ebenfalls nicht. § 5 Abs. 1 der Aufenthaltsverordnung vom 25. November 2004, BGBl. I S. 2945 sieht vor, dass einem Ausländer, der nachweislich keinen Pass oder Passersatz besitzt und ihn nicht auf zumutbare Weise erlangen kann, ein Reiseausweis für Ausländer ausgestellt werden kann. Dies trifft hier bei allen Klägern nicht zu, weil sie sich in zumutbarer Weise darum hätten bemühen können, in den Besitz von libanesischen Nationalpässen oder von Passersatzpapieren zu gelangen.