OVG Berlin-Brandenburg

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Zitieren als:
OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14.09.2007 - OVG 2 N 38.07 - asyl.net: M11491
https://www.asyl.net/rsdb/M11491
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Schengenvisum, Besuchervisum, Rückkehrbereitschaft, Abwägung, Ermessen, Berufungszulassungsantrag, grundsätzliche Bedeutung, ernstliche Zweifel
Normen: VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 3; AufenthG § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
Auszüge:

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung (vgl. § 124 a Abs. 4 VwGO) hat keinen Erfolg. Ein Grund, die Berufung zuzulassen (§ 124 Abs. 2 VwGO), ist auf Grundlage der im Hinblick auf das Darlegungserfordernis (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO) allein maßgeblichen Ausführungen der Klägerin nicht gegeben.

1. Die Darlegungen der Klägerin rechtfertigen nicht die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Die Klägerin formuliert sinngemäß die Frage, ob bei Entscheidungen über die Erteilung eines Besuchsvisums das öffentliche Interesse (an der Vermeidung von Missbräuchen von Besuchsvisa für andere Zwecke) schon dann Vorrang vor dem privaten Interesse des Visumantragstellers hat, wenn - wie das Verwaltungsgericht meint - die Absicht des Missbrauchs nicht bewiesen, jedoch nach den Umständen hinreichend wahrscheinlich ist.

Der erhöhte Wahrscheinlichkeitsmaßstab in der zitierten Entscheidung des OVG Münster findet nur im Rahmen der Prüfung des Regelversagungsgrundes des damaligen § 7 Abs. 2 Nr. 3 AuslG (jetzt: § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG), wonach bei einer Gefährdung der Interessen der Bundesrepublik ein Visum regelmäßig zu versagen ist, Anwendung. Wird der hohe Wahrscheinlichkeitsmaßstab erreicht, fehlt es an einer allgemeinen Regelerteilungsvoraussetzung mit der Folge, dass – abgesehen von atypischen Sonderfällen – das Visum nicht erteilt werden kann, weil der gesetzliche Tatbestand nicht erfüllt ist. In allen anderen Fällen ist im Rahmen der behördlichen Ermessensentscheidung über die Erteilung eines Schengen-Visums zum kurzfristigen Aufenthalt nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG Raum für eine Abwägung des Risikos zweckfremder Nutzung des Visums mit dem Gewicht des angegebenen kurzfristigen Aufenthaltszwecks. Dabei ist auf Grundlage von auf Tatsachen gestützten Feststellungen eine Prognoseentscheidung zu treffen. Dass im Rahmen einer solchen Ermessensentscheidung die Erteilung eines Visums abgelehnt werden kann, weil nicht gesichert erscheint, dass der tatsächliche Reise- und Aufenthaltszweck dem angegebenen entspricht und der Ausländer fristgerecht wieder aus dem Bundesgebiet ausreisen wird, ist höchstrichterlich geklärt (BVerwG, Beschluss vom 21. Oktober 1996, NVwZ-RR 1997, 67).

2. Die Darlegungen der Klägerin rechtfertigen nicht die Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Soweit die volljährige Klägerin hinsichtlich ihrer familiären Verwurzelung geltend macht, sie lebe in Sri Lanka mit ihren Eltern, einem jüngeren Bruder und einer älteren Schwester zusammen, vermag dies die Würdigung des Verwaltungsgerichts, dass hier keine ausreichende familiäre Bindung bestehe, nach den Umständen des Einzelfalls nicht durchgreifend in Frage zu stellen. Zum einen verweist das Verwaltungsgericht zur Einschätzung des "Migrationsrisikos" zu Recht darauf, dass bereits eine Schwester der Klägerin nach Kanada ausgewandert sei und mit ihrer in Frankfurt a.M. lebenden Schwester bereits ein familiärer Anknüpfungspunkt in der Bundesrepublik Deutschland gegeben sei. Zum anderen kann hinsichtlich der familiären Bindung, die eine Rückkehrbereitschaft belegen soll, nach der Intensität der typischerweise bestehenden familiären Verbundenheit und Verantwortlichkeit differenziert werden (vgl. u.a. OVG Bln, Beschluss vom 12. März 2004 - 2 N 8.04 -). Nach den Umständen des Einzelfalles würden hier keine unterhaltsberechtigten Familienmitglieder wie Ehemann oder minderjährige Kinder im Heimatland zurückgelassen werden, sondern lediglich andere erwachsene Verwandte sowie ein wohl durch die Eltern der Klägerin versorgter Bruder.