VG Düsseldorf

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Zitieren als:
VG Düsseldorf, Urteil vom 05.09.2007 - 17 K 3754/07.A - asyl.net: M11481
https://www.asyl.net/rsdb/M11481
Leitsatz:
Schlagwörter: Türkei, Widerruf, Flüchtlingsanerkennung, herabgestufter Wahrscheinlichkeitsmaßstab, Verfolgungssicherheit, Reformen, Kurden, Folter, PKK, Verdacht der Unterstützung, Dorfschützer
Normen: AsylVfG § 73 Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 1
Auszüge:

Keine hinreichende Sicherheit vor erneuter Verfolgung für einen Kurden aus der Türkei, der in Verdacht geraten war, die PKK zu unterstützen

 

Die Klage, über die mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist begründet.

Rechtsgrundlage für den Widerruf ist § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG.

Die maßgeblichen Verhältnisse in der Türkei haben sich trotz zahlreicher positiver Ansätze insbesondere im legislativen Bereich noch nicht so erheblich verbessert, dass die erforderliche hinreichende Verfolgungssicherheit für vorverfolgt ausgereiste türkische Staatsangehörige nunmehr festgestellt werden kann.

Das Gericht folgt der Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, wonach unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklung auch gegenwärtig verfolgt ausgereiste Kurden vor erneuter Verfolgung nicht hinreichend sicher sind. Kurden wurden in der Vergangenheit und werden nach wie vor in der Türkei häufig Opfer von Verfolgungsmaßnahmen asylerheblicher Intensität, die trotz der umfassenden Reformbemühungen, insbesondere der "Null-Toleranz-Politik" gegenüber Folter, weiterhin dem türkischen Staat zuzurechnen sind (vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. April 2005 - 8 A 273/04.A - S. 21 ff.).

Die der oben genannten Rechtsprechung zugrunde liegende Einschätzung der Gefährdungssituation wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass dem Auswärtigen Amt seit vier Jahren kein Fall bekannt geworden ist, in dem ein aus der Bundesrepublik in die Türkei zurückgekehrter Asylbewerber im Zusammenhang mit früheren Aktivitäten gefoltert oder misshandelt wurde (vgl. Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Türkei vom 11. Januar 2007, S. 47).

Das trägt zwar maßgeblich zu der Einschätzung bei, dass unverfolgt ausgereiste Asylbewerber bei einer Rückkehr in die Türkei nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Übergriffe befürchten müssen. Für die Einschätzung der möglichen Gefährdung von vorverfolgt ausgereisten Personen sind die genannten Feststellungen des Auswärtigen Amtes indessen wenig aussagekräftig. Unter den abgeschobenen oder zurückgekehrten Personen war kein Mitglied oder Kader der PKK oder einer anderen illegalen, bewaffneten Organisation und auch keine Person, die der Zugehörigkeit einer solchen Organisation verdächtigt wurde (vgl. OVG NRW, Urteil vom 27. März 2007, a.a.O., S. 24 unter Verweis auf Serafettin Kaya, Gutachten an das VG Sigmaringen vom 8. August 2005).

Der Kläger stand nach den Feststellungen des VG Gelsenkirchen wegen seiner Weigerung Dorfschützer zu werden, im Verdacht, die PKK zu unterstützen. Als eine solche, wegen Separatismusverdachts individuell in das Blickfeld der türkischen Behörden geratene Person ist er nach wie vor nicht hinreichend davor sicher, erneut Opfer asylerheblicher Maßnahmen zu werden.