VG Berlin

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Zitieren als:
VG Berlin, Urteil vom 26.04.2007 - 35 A 426.04 - asyl.net: M11438
https://www.asyl.net/rsdb/M11438
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Ausweisung, Regelausweisung, freiheitlich demokratische Grundordnung, Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland, Zukunftsprognose, AQIDA, HuT, Hassprediger, Mitglieder, Verdacht der Unterstützung, Unterstützung, Beurteilungszeitpunkt, Vereinsverbot, Gewaltaufruf, Prediger, Beweislast, Sachaufklärungspflicht, Falschangaben, besonderer Ausweisungsschutz, schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, Ehegattennachzug, Aufenthaltserlaubnis, Verlängerung, abgelehnte Asylbewerber, offensichtlich unbegründet, allgemeine Erteilungsvoraussetzungen, Ausweisungsgründe
Normen: AufenthG § 54 Nr. 5 Bst. a; AufenthG § 55 Abs. 2 Nr. 8 Bst. b; AufenthG § 54 Nr. 6; AufenthG § 55 Abs. 2 Nr. 2; AufenthG § 56 Abs. 1 S. 2; AufenthG § 10 Abs. 3 S. 2; AufenthG § 10 Abs. 2
Auszüge:

Die zulässige Klage ist begründet. Die Ausweisung war deshalb aufzuheben (A.). Darüber hinaus hat der Kläger einen Anspruch auf Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis (B.).

A. Die Ausweisung erfolgte rechtswidrig und verletzt den Kläger deshalb in seinen Rechten.

I. Der Kläger hat weder den Regelausweisungsgrund des § 54 Nr. 5a AufenthG (1.) noch den des § 54 Nr. 6 AufenthG (2.) erfüllt. Auch die Ausweisungsgründe nach § 55 Abs. 2 Nr. 8b und 2 AufenthG liegen nicht vor (3.).

1. Nach § 54 Nr. 5a AufenthG wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn er die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet oder sich bei der Verfolgung politischer Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht. Diese Vorschrift ist zur Umsetzung der Resolution 1373 des Sicherheitsrats der Vereinten Nation vom 28. September 2001, Nr. 2 c, wonach alle Staaten denjenigen, die terroristische Handlungen finanzieren, planen, unterstützen oder begehen oder die den Tätern Unterschlupf gewähren, einen sicheren Zufluchtsort verweigern werden, durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz vom 9. Januar 2001 (BGBl. I, S. 361, Regierungsentwurf, BT-Drs. 14/7386) zunächst als § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG 1990 Gesetz geworden. Mit dem Aufenthaltsgesetz wurde der Tatbestand aus § 8 AuslG – nunmehr § 5 Abs. 4 AufenthG – in § 54 AufenthG übernommen (zu den Gesetzesänderungen im Zusammenhang mit der Terrorismusbekämpfung vgl. auch Marx, ZAR 2002, 127 ff.; Saurer, NVwZ 2005, 275 ff.).

Die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland i. S. d. § 54 Nr. 5a AufenthG ist enger zu verstehen als die öffentliche Sicherheit nach allgemeinem Polizeirecht. Sie umfasst die innere und äußere Sicherheit (vgl. § 92 Abs. 3 Nr. 2 StGB) und schützt nach innen den Bestand und die Funktionstüchtigkeit des Staates und seiner Einrichtungen. Schutzgut ist insbesondere die staatliche und gesellschaftliche Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland und die Fähigkeit des Staates, Beeinträchtigungen und Störungen seiner Sicherheit nach innen und außen abzuwehren (Regierungsentwurf, BT-Drs. 14/7386, S. 54, BT-Drs. 15/420, S. 70; Discher, in: GK-AufenthG, Loseblattsammlung, Stand: Januar 2007, § 54 Rn. 561, 622; Renner, AuslR, 8. Aufl. 2005, § 54 AufenthG, Rn. 14 m.w.N.). Nach den vorläufigen Verwaltungsvorschriften zum Aufenthaltsgesetz (Nr. 54.5a.2) ist dabei nicht jede durch eine Gesetzesverletzung verursachte Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit gleichzeitig eine Gefährdung der inneren Sicherheit des Staates. Nur wenn die innere oder äußere Sicherheit des Bundes oder der Länder selbst, d.h. die Sicherheit ihrer Einrichtungen, der Amtsführung ihrer Organe und des friedlichen und freien Zusammenlebens der Bewohner, ferner die Sicherheit lebenswichtiger Verkehrs- und Versorgungseinrichtungen gefährdet ist und diese Gefährdung die bloße Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit in beachtlichem Maße übersteigt, liegt eine Gefährdung der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland vor (so auch OVG Bremen, Beschluss vom 20. Juni 2005 - 1 B 128.05, 1 B 119.05 -, NVwZ-RR 2006, 643 [644]).

An die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintrittes sind zwar angesichts der gefährdeten Rechtsgüter keine hohen Anforderungen zustellen; erforderlich ist jedoch eine auf Tatsachen gestützte Prognose, nach der ein Schadenseintritt nicht bloß entfernt möglich erscheint. Der bloße Verdacht oder bloße Vermutungen genügen deshalb nicht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2005 - 2 BvR 485/05 -, NVwZ 2005, 1053 [1054] - "Hassprediger" BayVGH, Urteil vom 9. Mai 2005 - 24 B 03.3295 -, ZAR 2005, 298; VG Stuttgart, Beschluss vom 8. September 2004 - 4 K 2859.04 -, zitiert nach juris; VG München, Urteil vom 25. Januar 2006 - M 9 K 04.4901 -, Rn. 67 f., 85 m.w.N., zitiert nach juris; VG Ansbach, Urteil vom 14. Februar 2006 - AN 19 K 05.01045 -, S. 6 des Umdrucks; sowie Regierungsentwurf, BT-Drs. 15/420, S. 70, und die vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern zum AufenthG 54.5a.1).

a. Eine Mitgliedschaft des Klägers in der vom Bundesminister des Innern verbotenen HuT ist entgegen den sich immer mehr vom bloßen Verdacht zur Tatsachenbehauptung verdichtenden Stellungnahmen des Beklagten nicht belegt (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. Januar 2007 - 3 S 33.06 -, S. 9 des Umdrucks). Auch eine aktive Unterstützung der HuT durch den Kläger ist nicht nachgewiesen. Dass es sich bei der Hochschulgruppe AQIDA, deren dreiköpfigem Vorstand der Kläger vom 30. Juni 2001 bis zur Streichung aus dem Register der Vereinigungen an der Technischen Universität Berlin im Januar 2003 angehörte, um eine Teil- oder Tarnorganisation der HuT handeln könnte, wofür einige personelle Verflechtungen gerade in den Anfangsjahren der AQIDA sprechen mögen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. Januar 2007 - 3 S 33.06 -, S. 9 des Umdrucks), bleibt letztlich eine unbewiesene Vermutung der Sicherheitsbehörden.

Selbst wenn jedoch der Kläger nach langjährigen Schulungen und einem Test einen Eid abgelegt hätte und konspiratives Mitglied der HuT geworden wäre (zum Verfahren siehe die Schilderung von Frau H., a.a.O.), so würde wegen der Gefahrbezogenheit des Ausweisungsgrundes eine solche in der Vergangenheit liegende Mitgliedschaft in einer verbotenen Vereinigung allein nicht ausreichen, um eine Gefährdung der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland annehmen zu können. Vielmehr muss die hieraus erwachsende Gefahr zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung auch fortbestehen. Denn die von der Vereinigung ausgehende Gefahr muss sich in der Person des Ausländers konkretisiert haben, da der Gefahr ansonsten durch die Ausweisung nicht wirksam begegnet werden kann (vgl. BayVGH, Urteil vom 9. Mai 2005 - 24 B 03.3295 -, ZAR 2005, 298; BayVGH, Beschluss vom 25. Oktober 2005 - 24 CS 05.1716, 24 CS 05.1717 - NVwZ 2006, 227 [228]; HessVGH, Beschluss vom 10. Januar 2006 - 12 TG 1911.05 -, NVwZ-RR 2007, 131 [132]; VG Ansbach, Urteil vom 2. August 2005 - AN 19 K 04.00767 -, Rn. 27, zitiert nach juris; VG Ansbach, Urteil vom 14. Februar 2006 - AN 19 K 05.01045 -, S. 6 des Umdrucks; VG München, Urteil vom 25. Januar 2006 - M 9 K 04.4901 -, Rn. 65, zitiert nach juris; sowie Discher, in: GK-AufenthG, Loseblattsammlung, Stand: Januar 2007, § 54 Rn. 603 m.w.N.).

Darüber hinaus ist bereits zweifelhaft, ob die HuT selbst die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet (siehe auch VG Ansbach, Urteil vom 14. Februar 2006 - AN 19 K 05.01045 -, S. 8 des Umdrucks; a.A. VG München, Urteil vom 25. Januar 2006 - M 9 K 04.4901 -, Rn. 57 ff., zitiert nach juris). Das bloße Verbot jedenfalls genügt nicht für die Feststellung der Gefährdung der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland i.S. d. § 54 Nr. 5a AufenthG durch die nach dem Vereinsgesetz verbotene Organisation (vgl. HessVGH, Beschluss vom 10. Januar 2006 - 12 TG 1911.05 -, NVwZ-RR 2006, 131 [132]). Es bedarf vielmehr der Feststellung, dass die Vereinigung terroristische Bestrebungen unterstützt oder sich selbst terroristisch betätigt (vgl. HessVGH, a.a.O.).

Das von der HuT ausgehende Gefährdungspotential kann jedoch letztlich offen bleiben, da sich eine mögliche Gefahr jedenfalls nicht in der Person des Klägers konkretisiert hat.

Zur persönlichen Konkretisierung der Gefahr wäre es erforderlich, dass die rechtserhebliche Schwelle einer bloßen Mitgliedschaft in der HuT – soweit eine solche formell überhaupt festgestellt werden kann (siehe Regierungsentwurf zum AufenthG, BT-Drs. 15/420, S. 70) – überschritten worden wäre. Nicht ausreichend ist eine Position in der HuT, welche derjenigen eines einfachen Mitglieds vergleichbar ist (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 18. November 2004 - 13 S 2394.04 -, InfAuslR 2005, 31 [33f.]; VG Ansbach, Urteil vom 2. August 2005 - AN 19 K 04.00767 -, Rn. 29, zitiert nach juris; VG München, Urteil vom 25. Januar 2006 - M 9 K 04.4901 -, zitiert nach juris, Rn. 83).

Aus der bloßen Bekanntschaft eines Ausländers mit einem Angehörigen einer gefährlichen Organisation folgt noch keine Gefährdung durch diesen Ausländer (VG München, Urteil vom 25. Januar 2006 - M 9 K 04.4901 -, Rn. 99, zitiert nach juris).

b. Auch mit seiner Predigt am 12. August 2005 in einem Gebetsraum für muslimische Studenten hat der Kläger nicht den Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 5a AufenthG erfüllt. Ein Gewaltaufruf, der die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährden würde, ist aus seinen damals getätigten Äußerungen entgegen der Auffassung des Beklagten nicht erkennbar.

Aus teleologischer und systematischer Interpretation des § 54 Nr. 5a AufenthG ergibt sich, dass nur dann ein Aufruf zur Gewalt i. S. d. § 54 Nr. 5a AufenthG vorliegt, wenn damit ein gewisses Maß an Sicherheitsgefährdung einhergeht. Die erste Alternative des 54 Nr. 5a AufenthG setzt eine Gefährdung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bzw. der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland voraus (Gefährdungsalternative). Sodann folgt die Alternative der Verfolgung politischer Ziele mit Gewalt (Gewaltalternative) mit den drei Varianten der Beteiligung an Gewalttätigkeiten, des öffentlichen Gewaltaufrufes und der Drohung mit Gewaltanwendung. Da der Zweck des gesamten § 54 Nr. 5a AufenthG im Schutz der Fähigkeit des Staates, Beeinträchtigungen und Störungen der staatlichen und gesellschaftlichen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland und sowie der Sicherheit nach innen und außen abzuwehren, liegt (vgl. Regierungsentwurf, BT-Drs. 15/420, S. 70; Renner, AuslR, 8. Aufl. 2005, § 54 AufenthG, Rn. 14 m.w.N.), stellt die Gewaltalternative einen speziell normierten Unterfall der Gefährdungsalternative dar (Discher, in: GK-AufenthG, Loseblattsammlung, Stand: Januar 2007, § 54 Rn. 583 m.w.N. zum AuslG; Hailbronner, AuslR, Loseblattsammlung, Stand: Februar 2007, § 54 AufenthG, Rn. 43). Auch bei der Variante des öffentlichen Gewaltaufrufes muss somit ein gewisses Maß an Gefährdung der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland vorliegen. Andere gewalttätige und hassverbreitende Äußerungen werden von den Ausweisungsgründen des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG i.V.m. insbesondere den §§ 86, 102 f., 111, 125, 126, 130, 185 Strafgesetzbuch (StGB) und des § 55 Abs. 2 Nr. 8 AufenthG erfasst. Davon, dass auch bei der Gewaltalternative ein gewisses Maß an Gefährdung der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland vorliegen muss, geht auch die Begründung des Aufenthaltsgesetzes aus.

Dabei spricht eine Regelvermutung dafür, dass die Verfolgung politischer Ziele mit Gewalt regelmäßig die Sicherheit und die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland gefährdet (Discher, in: GK-AufenthG, Loseblattsammlung, Stand: Januar 2007, § 54 Rn. 571). So heißt es auch in den vorläufigen Anwendungshinweisen des Bundesministeriums des Innern zum AufenthG, dass durch die Verherrlichung der Anwendung von Gewalt die Rechtsordnung und deren Funktion gefährdet werde (54.5a.4). Die Regelvermutung ist jedoch in Ausnahmefällen widerlegbar (Discher, in: GK-AufenthG, Loseblattsammlung, Stand: Januar 2007, § 54 Rn. 572ff., 659).

Des Weiteren ist der Ausweisungsgrund des öffentlichen Gewaltaufrufes i.S.d. § 54 Nr. 5a AufenthG von der Aufforderung zu Gewaltanwendung gegen Teile der Bevölkerung als Voraussetzung einer Ermessensausweisung in § 55 Abs. 2 Nr. 8b AufenthG abzugrenzen. In welchem Verhältnis beide Vorschriften zueinander stehen, ist hier nicht abschließend zu klären. Aus Sinn und Zweck der Stufung der Ausweisungstatbestände in Ermessens, Regel- und zwingende Ausweisungen lässt sich aber ableiten, dass bei ähnlichen Sachverhalten die Gründe für die Regelausweisung nach ihrem Gewicht nicht hinter den Gründen für die Ermessensausweisung zurückbleiben dürfen (vgl. OVG Bremen, Beschluss vom 20. Juni 2005 - 1 B 128.05, 1 B 119.05 -, NVwZ-RR 2006, 643 [644f.]). Daraus folgt, dass an das Merkmal "aufrufen" in § 54 Nr. 5a AufenthG jedenfalls keine geringeren Anforderungen zu stellen sind als an das Merkmal "auffordern" in § 55 Abs. 2 Nr. 8b AufenthG. Die zuletzt genannte Vorschrift übernimmt weitgehend den Tatbestand des § 130 StGB, so dass zur Interpretation auf die dazu vorliegende Rechtsprechung und Literatur zurückgegriffen werden kann. Danach ist unter Aufforderung ein über bloßes Befürworten hinausgehendes, ausdrückliches Einwirken auf andere mit dem Ziel zu verstehen, in ihnen den Entschluss zu bestimmten Handlungen hervorzurufen (OVG Bremen, Beschluss vom 20. Juni 2005 - 1 B 128.05, 1 B 119.05 -, NVwZ-RR 2006, 643 [644f.]; Discher, in: GK-AufenthG, Loseblattsammlung, Stand: Januar 2007, § 54 Rn. 687; sowie Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl. 2006, § 130 Rn. 5b m.w.N., und Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl. 2006, § 111 Rn. 3).

aa. Geht man von der unstreitigen Aussage der Predigt aus, so setzte sich der Kläger kritisch bis ablehnend mit der Politik des amerikanischen Präsidenten Bush und des britischen Premierministers Blair auseinander und bezeichnete diese beiden Politiker als Unterdrücker der Muslime. Darin liegt zunächst lediglich eine glaubensgetragene Meinungsäußerung, die – insbesondere unter Berücksichtigung von Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2, Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 GG – nach ihrer erkennbaren Form jedenfalls nicht als Aufruf zur Gewalt zu verstehen ist.

bb. Auch die "Androhung", die Politiker Bush und Blair hätten dasselbe Schicksal wie der Pharao zu erwarten, bringt nach ihrem allgemein erkennbaren Aussagegehalt lediglich den Wunsch des Klägers nach deren Bestrafung durch Gott zum Ausdruck.

Dass die Predigt des Klägers entgegen ihrem ausdrücklichen Inhalt (und der damit übereinstimmenden Interpretation durch den Kläger selbst) einen verdeckten und die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland nach § 54 Nr. 5a AufenthG gefährdenden Aufruf zur Gewalt im Sinne einer nur für einen bestimmten Adressatenkreis (wie die Zuhörerschaft beim Freitagsgebet) erkennbaren "Chiffre" darstellen würde, steht nicht in dem erforderlichen Maße zweifelsfrei fest. Denn nach der Begründung des Gesetzgebers reicht der bloße Verdacht eines öffentlichen Aufrufs zur Gewaltanwendung nicht aus; "es ist vielmehr der Nachweis erforderlich." (BT-Drs. 15/420, S. 70, re. Spalte).

Nach den Erkenntnissen des Gerichts wird zwar mit dem Begriff des "Pharao" das Sinnbild eines ungerechten Herrschers angesprochen (1), jedoch nicht in jedem Fall (der politischen Verwendung) zur Anwendung von Gewalt aufgerufen (2). Es kommt vielmehr auf die Umstände des Einzelfalles an (3), wobei angesichts der verheerenden Folgen des Irak-Krieges auch eine scharf formulierte Kritik nicht die Grenzen der grundrechtlich geschützten Meinungsfreiheit überschreitet (4). Danach ist mangels jeglicher Kenntnisse über den Zuhörerkreis ("Empfängerhorizont") nicht erwiesen, dass der Kläger im Freitagsgebet am 12. August 2005 mit dem Vergleich der Politiker Bush und Blair mit dem Pharao zur Anwendung von Gewalt aufgerufen hat (5). Insbesondere ist der Pharao-Vergleich auch nicht im Kontext einer unterstellten Verbundenheit des Klägers mit der HuT als Gewaltaufruf zu verstehen (6).

cc. (1) Selbst wenn es sich jedoch bei dem Pharao-Vergleich um einen verdeckten Aufruf zur Gewalt handeln sollte, wäre der Tatbestand des § 54 Nr. 5a AufenthG gleichwohl nicht erfüllt, weil ein solcher – unterstellter – Aufruf zur Gewalt gegenüber einzelnen Personen im Ausland nicht die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährden kann.

Hinsichtlich § 55 Abs. 2 Nr. 8b AufenthG und § 130 StGB besteht angesichts des klaren Wortlauts "Bevölkerung" Einigkeit, dass nur Gewaltaufrufe gegenüber der im Inland lebenden Bevölkerung erfasst sind (Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl. 2006, StGB, § 130 Rn. 3, m.w.N.). Im Rahmen des § 54 Nr. 5a AufenthG ist ebenso anerkannt, dass ein Ausnahmefall von der Erfüllung der Gewaltalternative vorliegt, wenn der Aufruf sich auf Gewalttätigkeit ausschließlich im Ausland bezieht (Discher, in: GK-AufenthG, Loseblattsammlung, Stand: Januar 2007, § 54 Rn. 578). In diesem Falle ist die Vermutung einer Gefährdung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland widerlegt, und es müsste im Einzelfall gesondert festgestellt werden, dass gleichwohl ausnahmsweise eine erhebliche Gefährdung für inländische Rechtsgüter bestünde.

Vorliegend wurde zwar vom Beklagten eine konkrete Gefahr für die beiden kritisierten ausländischen Staatsmänner nicht ausgeschlossen, eine solche jedoch auch nicht positiv festgestellt. Eine auf dieser rein abstrakten Möglichkeit eines Attentates im Ausland basierende Gefährdung der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland wurde selbst von dem Beklagten nicht geltend gemacht und ist – zumal auch keine weiteren Laienpredigten des Klägers bekannt geworden sind – auch in Zukunft nicht ersichtlich.

(2) Sollte sich der – unterstellte – Gewaltaufruf hingegen nicht auf die genannten Staatsmänner beschränken, sondern gleichsam stellvertretend auf das US-amerikanische und britische Volk in seiner Gesamtheit oder sogar auf die gesamte westliche Welt beziehen, würde es dem Aufruf gleichwohl an der erforderlichen Bestimmtheit fehlen, um den Tatbestand des § 54 Nr. 5a AufenthG zu erfüllen. Die Aussage könnte dann allenfalls als Aufstachelung zum Hass gegen Teile der Bevölkerung i.S.d. § 55 Abs. 2 Nr. 8b Var. 1 AufenthG verstanden werden.

c. Auch der Ruf des Bittgebets, "Allah möge die Feinde der Muslime vernichten", stellt schon seinem Wortlaut nach keinen öffentlichen Gewaltaufruf i. S. d. § 54 Nr. 5a AufenthG dar. Bei dem von Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG geschützten Gebet handelt es sich um eine Anrufung Allahs, dass dieser mittels einer göttlichen Intervention die Feinde der Muslime vernichten möge, nicht aber um einen Aufruf zur Gewaltanwendung durch Gläubige.

2. Der Kläger hat ferner durch seine schriftliche Erklärung, keine Terroristen zu kennen oder Kontakt zu ihnen zu haben, auch nicht den Regelausweisungsgrund des § 54 Nr. 6 AufenthG verwirklicht.

a. Nach § 54 Nr. 6 AufenthG wird ausgewiesen, wer in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der Ausländerbehörde gegenüber in wesentlichen Punkten falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des internationalen Terrorismus verdächtigt sind.

Der Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 6 AufenthG erfordert jedoch, dass die unrichtigen oder unvollständigen Angaben einen den sonstigen Fällen des § 54 AufenthG vergleichbaren Unrechtsgehalt aufweisen. Das ergibt sich aus dem in § 54 Nr. 6 AufenthG verwendeten Begriff der "wesentlichen Punkte" und aus dem systematischen Zusammenhang der Vorschrift mit den anderen Nummern des § 54 AufenthG (vgl. BayVGH, Beschluss vom 25. Oktober 2005 - 24 CS 05.1716/24 CS 05.1717, zitiert nach juris, Rn. 45; VG München, Urteil vom 25. Januar 2006 - M 9 K 04.4901 -, zitiert nach juris, Rn. 49, zum insoweit identischen § 47 Abs. 2 Nr. 5 AuslG).

3. Angesichts des geschilderten Charakters des vom Beklagten beanstandeten Freitagsgebets des Klägers am 12. August 2005 ist auch weder der Tatbestand des § 55 Abs. 2 Nr. 8b AufenthG (vgl. OVG Bremen, Beschluss vom 20. Juni 2005 - 1 B 128.05, 1 B 119.05 -, Rn. 26, NVwZ-RR 2006, 643 [645]) noch des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG i. V. m. insbesondere den §§ 86, 102 f., 111, 125, 126, 130, 185 StGB erfüllt. Insbesondere ist keine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ersichtlich.

II. Selbst wenn jedoch der Regelausweisungsgrund des § 54 Nr. 6 AufenthG erfüllt wäre, würde dem Kläger der besondere Ausweisungsschutz des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG zugute kommen.

B. Die Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis erfolgte ebenfalls rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Es war daher die Verpflichtung des Beklagten auszusprechen, dem Kläger die Aufenthaltserlaubnis zu erteilen (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO).

I. Dem Anspruch des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wegen der familiären Lebensgemeinschaft mit seiner deutschen Ehefrau und seinen beiden deutschen Kindern (§ 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 AufenthG) stehen keine zwingenden Gründe entgegen.

Auch die Abweisung des Antrags auf Anerkennung als Asylberechtigter als offensichtlich unbegründet (§ 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG) steht dem Anspruch aus § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 3 AufenthG nicht entgegen. Die Einschränkung des § 10 Abs. 3 AufenthG findet keine Anwendung, wenn – wie hier – ein nach der Einreise des Ausländers erteilter oder verlängerter Aufenthaltstitel verlängert wird. In diesen Fällen kann der Aufenthaltstitel nach den Vorschriften dieses Gesetzes ungeachtet des Umstandes verlängert werden, dass der Ausländer einen Asylantrag gestellt hat (§ 10 Abs. 2 AufenthG).