VG Aachen

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Zitieren als:
VG Aachen, Urteil vom 02.05.2007 - 8 K 87/04 - asyl.net: M11432
https://www.asyl.net/rsdb/M11432
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Einbürgerung, Anspruchseinbürgerung, Straftaten, Ermessen
Normen: StAG § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 5; StAG § 12a Abs. 1 Nr. 3; StAG § 12a Abs. 1 S. 2
Auszüge:

Der Beklagte als für Einbürgerungen nach §§ 10, 9 Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) sachlich und örtlich zuständige Behörde (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 3 der Verordnung über die Zuständigkeit in Staatsangehörigkeitssachen vom 5. Oktober 2004, §§ 27, 17 Abs. 1 StAG) hat den Antrag der Kläger auf Einbürgerung zu Recht abgelehnt.

Die tatbestandlichen Vorgaben des § 10 Abs. 1 StAG i.d.F. des Zuwanderungsgesetzes vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S.1950, 1996), der ab dem 1. Januar 2005 an die Stelle des bislang maßgeblichen § 85 Abs. 1 des Ausländergesetzes (AuslG) i. d. F. vom 15. Juli 1999 getreten ist, sind nicht ausnahmslos erfüllt. Eine der Voraussetzungen für eine Einbürgerung ist es nach § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG, dass der Antragsteller nicht wegen einer Straftat verurteilt worden ist (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG).

Die Verurteilungen haben auch nicht nach Maßgabe von § 12 a Abs. 1 Nr. 3 StAG – obligatorisch – außer Betracht zu bleiben.

Der Beklagte hat in rechtlich nicht zu beanstandender Weise entschieden, dass die Verurteilungen auch nicht gemäß § 12 a Abs. 1 Satz 2 StAG außer Betracht bleiben können. Nach dieser Vorschrift wird im Einzelfall entschieden, ob die Straftat außer Betracht bleiben kann, wenn der Ausländer zu einer höheren Strafe verurteilt worden ist. Diese Entscheidung ist in das Ermessen der Behörde gestellt, und der Einbürgerungsantragsteller besitzt insoweit einen Anspruch auf fehlerfreie Betätigung des "Nichtberücksichtigungsermessens" (vgl. dazu auch Berlit in Gemeinschaftskommentar zum Staatsangehörigkeitsrecht (GK-StAR), Stand: Juli 2006, § 12 a StAG, Rdnr. 39 ff.).

Bei der Ausübung des "Nichtberücksichtigungsermessens" nach § 12 a Abs. 1 Satz 2 StAG sind die privaten Interessen des Einbürgerungsantragstellers und die öffentlichen Interessen, die gegen die Einbürgerung sprechen, umfassend zu ermitteln, zu würdigen und gegeneinander abzuwägen. Die Ermessensbetätigung hat sich unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles daran zu orientieren, ob ungeachtet des die gesetzliche Bagatellegrenze übersteigenden Strafmaßes – bzw. der Nichtaussetzung der Vollstreckung zur Bewährung bzw. des Widerrufs der Strafaussetzung – die jeweilige strafrechtliche Verfehlung nach Art und Gewicht, den Umständen der Tatbegehung sowie der Person des Einbürgerungsantragstellers einer für die Einbürgerung hinreichenden Integration nicht entgegensteht (vgl. Berlit in GK-StAR, a.a.O., § 12 a StAG Rdnr. 40 ff. und 46 ff.; Hailbronner/Renner, a.a.O., § 12 a StAR Rdnr. 6 f.).

Dabei darf sich die Behörde grundsätzlich auch von einem engen Verständnis des § 12 a Abs. 1 Satz 2 StAG leiten lassen und insoweit bei ihrer Ermessensentscheidung der Höhe der Verurteilung, der Art und Schwere der Straftat und der noch ausstehenden Tilgungsdauer eine starkes Gewicht beimessen. Dementsprechend sehen etwa die vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern unter Ziffer 12 a.1.2 vor, dass die Nichtberücksichtigung einer Verurteilung im Rahmen des § 12 a Abs. 1 Satz 2 StAG nur in begründeten Ausnahmefällen in Frage kommt, z. B. wenn eine Tilgung der Verurteilung in nächster Zeit zu erwarten ist oder wenn eine Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten nicht zur Bewährung ausgesetzt oder nach Ablauf der Bewährungszeit nicht erlassen worden ist. Die systematische Stellung des § 12 a Abs. 1 Satz 2 StAG legt ein derart enges Verständnis nahe, weil es sich bei dieser Vorschrift um eine Ausnahme zu einer Ausnahmevorschrift handelt, da bereits Abs. 1 Satz 1 der Regelung eine Ausnahme von der Grundvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG vorsieht (vgl. Urteil der Kammer vom 21. Februar 2005 - 8 K 2821/03 -).