OLG Köln

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Zitieren als:
OLG Köln, Beschluss vom 11.06.2007 - 16 Wx 130/07 - asyl.net: M11367
https://www.asyl.net/rsdb/M11367
Leitsatz:

Die Abschiebungshaft wird auch dann gem. § 14 Abs. 3 S. 3 AsylVfG vier Wochen nach Asylantrag rechtswidrig, wenn der Asylantrag danach abgelehnt wird.

 

Schlagwörter: D (A), Abschiebungshaft, Zurückschiebungshaft, Asylantrag, Aufenthaltsgestattung, abgelehnte Asylbewerber, Beurteilungszeitpunkt, Drittstaatenregelung, sofortige Beschwerde, sofortige weitere Beschwerde, Haftaufhebung
Normen: AufenthG § 57 Abs. 3; AufenthG § 62; AsylVfG § 14 Abs. 3 S. 3; AsylVfG § 67 Abs. 1 Nr. 5; FEVG § 7
Auszüge:

Die Abschiebungshaft wird auch dann gem. § 14 Abs. 3 S. 3 AsylVfG vier Wochen nach Asylantrag rechtswidrig, wenn der Asylantrag danach abgelehnt wird.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die sofortige weitere Beschwerde ist in formeller Hinsicht unbedenklich und auch im übrigen zulässig.

Entscheidungen über einen Haftaufhebungsantrag sind mit den normalen Rechtsmitteln des FGG-Verfahrens i.V.m. § 7 FEVG, also mit der sofortigen Beschwerde und der sofortigen weiteren Beschwerde anfechtbar (vgl. z. B. BayObLG, Beschluss vom 03.08.2004 - 4 Z BR 032/04 -; OLG Stuttgart FGPrax 1996, 40). Die in dem Beschluss des OLG Düsseldorf vom 16.04.2003 - I-3 Wx 116/03 vertretene gegenteilige Auffassung hindert den Senat nicht, die Statthaftigkeit des Rechtsmittels selbst und ohne Vorlage an den BGH gem. § 28 Abs. 2 FGG zu bejahen; denn das OLG Düsseldorf hat in einer späteren Entscheidung klargestellt, dass es an der gegenteiligen Meinung nicht festhalten werde (Beschluss vom 05.10.2004 - I-3 Wx 255/04 -).

Es ist trotz der durch § 57 Abs. 3 AufenthG angeordneten entsprechenden Anwendung des § 62 AufenthG für den Fall der Zurückschiebung eines Ausländers bereits zweifelhaft, ob die Vorschrift des § 14 Abs. 3 S. 3 AsylVfG, in der nur die "Abschiebungshaft" erwähnt ist, trotz der durch den Eingang des Asylbegehrens beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erworbenen Aufenthaltsgestattung auch die Fortdauer von Zurückschiebungshaft ermöglicht (verneinend Renner, Ausländerrecht, 8. Auflage, § 14 AsylVfG Rdn. 19; Melchior, Abschiebungshaft, Online Kommentar Nr. 417). Dies kann indes dahinstehen; denn bei Eingang des vorliegend nur zu bescheidenden Aufhebungsantrag nach § 10 Abs. 2 FEVG war die – unterstellt anwendbare – Vier-Wochen-Frist des § 14 Abs. 3 S. 3 AsylVfG, die mit Eingang des Asylgesuchs des Betroffenen bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Lauf gesetzt wurde, längst abgelaufen und die angeordnete Haft kraft Gesetzes beendet.

1. Das Landgericht hat seine Entscheidung durch Bezugnahme auf den Beschluss des Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 23.10.2001 - 3 W 253/01 (OLGR Zweibrücken 2002, 57 = EzAR 048 Nr. 58) sowie den Beschluss des Bayrischen Obersten Landesgerichts vom 12.10.2000 - 3Z BR 307/00 (NVwZ-Beilage I 2/2001, S. 23 = EzAR 048 Nr. 52) damit begründet, dass die Abschiebungshaft zwar an sich nach Ablauf der Vier-Wochen-Frist des § 14 Abs. 3 S. 3 AsylVfG geendet habe. Gleichwohl sei der sofortigen Beschwerde des Betroffenen der Erfolg zu versagen, weil das Hafthindernis der Aufenthaltsgestattung infolge des Asylantrags in dem maßgeblichen Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr bestehe; denn infolge der Bekanntgabe des Bescheids des Bundesamts vom 19.04.2007 sei diese gem. § 67 Abs. 1 Nr. 5 AsylVfG erloschen.

2. Dem vermag der Senat sich nicht anzuschließen.

a) Zunächst tragen selbst auf der Grundlage des Rechtsstandpunkts des Landgerichts die getroffenen Feststellungen die Entscheidung nicht.

b) Selbst auf der Grundlage des von dem Landgericht angenommenen Sachverhalts, nämlich dass die Abschiebung nach Italien, also in ein sicheres Drittland i. S. d. § 34a AsylVfG wirksam angeordnet worden und damit die Aufenthaltsgestattung des Betroffenen erloschen sei, bestehen gegen dessen Auffassung grundlegende Bedenken. Das nachträgliche Erlöschen einer Aufenthaltsgestattung vermag das Wiederaufleben einer bereits vorher kraft Gesetzes beendeten Haft ohne erneuten Antrag der Ausländerbehörde und ohne erneute gerichtliche Anordnung nicht zu rechtfertigen.

aa) Vorliegend war bestandskräftig Zurückschiebungshaft angeordnet, die u.a. auf den Haftgrund der Fluchtgefahr des § 62 Abs. 2 S. Nr. 5 AufenthG gestützt ist, also eine Haft, die trotz der durch das Asylbegehren zunächst erworbenen Aufenthaltsgestattung der Aufrechterhaltung der ergangenen Anordnung bei unterstellter Anwendbarkeit des § 14 Abs. 3 S. 1 AsylVfG für die Dauer von vier Wochen zunächst nicht entgegensteht. Wenn allerdings – wie vorliegend – innerhalb der Vier-Wochen-Frist keine Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge über den Asylantrag ergeht, endet die Haft kraft Gesetzes. Ein weiterer Vollzug der Haft aufgrund der ursprünglichen Haftanordnung ist ab diesem Zeitpunkt nicht mehr zulässig (BayObLG, Beschluss vom 02.08.2000 - 3Z BR 215/00 - [juris]; Brandenburgisches OLG FGPrax 2002, 278); denn nach Wegfall ihrer Voraussetzungen ist die Haft sofort zu beenden (BGH NVwZ Beilage I 6/2001 S. 62). Ein nachträgliches Wiederaufleben einer kraft Gesetzes gegenstandslos gewordenen und damit in der Hauptsache erledigten Haftanordnung (BayObLG a.a.O.) ist schon begrifflich nicht möglich. Ein anderes Verständnis würde darauf hinauslaufen, dass der Betroffene in der bloßen Hoffnung, dass das Bundesamt innerhalb der Frist der ursprünglichen Haftanordnung eine Entscheidung trifft, die die Fortsetzung der Haft erlaubt, nicht lediglich die gesetzlich nur erlaubten vier Wochen, sondern auf zunächst nicht absehbare Zeit inhaftiert bliebe. Dies ist mit Art. 14 Abs. 3 S. 3 AsylVfG, einer Vorschrift, die zugleich eine Rechtsgarantie i. S. d. Art. 104 Abs. 1 GG beinhaltet, schlechthin nicht vereinbar. Der Betroffene hätte nach Fortfall der Aufenthaltsgestattung allenfalls auf Grund einer neuen Haftanordnung erneut in Haft genommen werden dürfen (Brandenburgisches OLG a.a.O.). Eine solche war indes von dem Antragsteller nicht beantragt worden.

Die gegenteilige Auffassung des Landgerichts und des Oberlandesgerichts Zweibrücken (dem folgend Renner, § 14 AsylVfG Rdn. 14), die alleine darauf abstellt, dass im Zeitpunkt der vom Gericht zu treffenden (Beschwerde-) Entscheidung die ausländerrechtlichen Voraussetzungen für eine Ab- bzw. Zurückschiebung des Betroffenen vorliegen, wird all dem nicht gerecht (im Ergebnis auch KG, Beschluss vom 12.12.2003 - 24 W 173/02 - bei Melchior, a.a.O., Anhang).

bb) Der Meinung, für die Aufrechterhaltung der Haft reiche es trotz § 14 Abs. 3 S. 3 AsylVfG aus, wenn feststeht, dass dem Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland kein Asylrecht zustehe und er in ein sicheres Drittland abzuschieben sei, kann auch deshalb nicht gefolgt werden, weil sie den Anwendungsbereich der Norm unzulässigerweise auf einen hierin nicht geregelten Fall erweitert. Bei § 14 Abs. 3 S. 3 AsylVfG handelt es sich um eine Ausnahmeregelung, welche die Inhaftierung für zunächst vier Wochen und ggfls. die anschließende Aufrechterhaltung der Haft nur unter genau umschriebenen Voraussetzungen erlaubt. Die Norm ist daher wegen Art. 101 Abs. 1 GG einer ergänzenden Auslegung auf einen hierin nicht geregelten Fall nicht zugänglich. Das Gesetz führt nur zwei Fälle auf, in denen die Haft nach Ablauf von vier Wochen nicht endet, nämlich die Ablehnung des Asylantrags als unbeachtlich i. S. d. § 29 AsylVfG wegen einer Einreise aus einem sonstigen Drittstaat und die Ablehnung als offensichtlich unbegründet gem. § 30 AsylVfG wegen offensichtlichen Fehlens der Anerkennungsvoraussetzungen. Der vorliegende und auch vom OLG Zweibrücken entschiedene Fall der Anordnung der Abschiebung in einen sicheren Drittstaat gem. §§ 26a, 34a AsylVfG gehört hierzu gerade nicht.