VG Ansbach

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Zitieren als:
VG Ansbach, Urteil vom 28.06.2007 - AN 5 K 06.03558 - asyl.net: M11310
https://www.asyl.net/rsdb/M11310
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), räumliche Beschränkung, vorübergehendes Verlassen, Prozessbevollmächtigte, Besprechung, Verhältnismäßigkeit, Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland
Normen: GG Art. 103 Abs. 1; GG Art. 19 Abs. 4
Auszüge:

Die Entscheidung des Beklagten, dem Kläger keine Ausnahmegenehmigung zum Verlassen des zugewiesenen Aufenthaltsorts in ... zur Wahrnehmung eines Besprechungstermins am 16. Oktober 2006 in ... in der Kanzlei seines Bevollmächtigten zu erteilen, ist nicht rechtswidrig. Das Gericht folgt der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (Beschluss vom 15.6.2005, 24 PE 05.1528) dahingehend, dass der Kläger aus Art 19 Abs. 4 und 103 Abs. 1 GG ein verfassungsrechtlich geschütztes Recht hat, sich von einer zur Prozessvertretung geeigneten Person vertreten zu lassen (vgl. auch Schmidt-Assmann in Maunz-Dürig-Herzog, Komm. zum Grundgesetz, RdNr 103 zu Art. 103 GG). Daraus folgt, dass grundsätzlich ein ungehinderter Verkehr zwischen dem Vertretenen und seinem Anwalt sichergestellt sein muss. Die Praxis des Informationsaustausches gehört zur Wirksamkeit der Rechtsausübung im Sinne des Art. 103 Abs. 1 GG, vor allem, wenn der Vertretene sich nicht auf freiem Fuß befindet. Kontaktbeschränkungen (um die es hier nicht geht!) aus schwer wiegenden Gründen lassen sich zwar rechtfertigen, müssen aber die Ausnahme bleiben (vgl. Schmidt-Assmann, a.a.O., RdNr 111). Regelungen der Kontaktsperre, die einen erheblichen Eingriff in die durch Art 2 Abs. 1 und 5 GG, aber auch durch Art 103 Abs. 1 GG geschützten Rechte bewirken, verlangen eine gesetzliche Grundlage, die die Gebote der Bestimmtheit, der Verhältnismäßigkeit und des wirksamen Rechtsschutzes strikt wahren (BVerfGE 49,24). In materiell-rechtlicher Hinsicht hat das Bundesverfassungsgericht dazu festgestellt: Die Sicherheit des Staates als verfasster Friedens- und Ordnungsmacht und die von ihm zu gewährleistende Sicherheit seiner Bevölkerung sind Verfassungswerte, die mit anderen im gleichen Rang stehen und unverzichtbar sind, weil die Institution Staat von ihnen die eigentliche und letzte Rechtfertigung herleitet (BVerfGE a.a.O. 56).

Nach dem unanfechtbar gewordenen Bescheid der Stadt ... vom 9. Mai 2005 (Anordnungen nach 54a AufenthG), der entsprechend dem ebenfalls unanfechtbar gewordenen Ausweisungsbescheid vom 28. Juli 2003 ergangen ist, stellt der Kläger nach wie vor eine Gefährdung für die freiheitliche demokratische Grundordnung beziehungsweise die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland dar. Im Hinblick auf die oben dargestellte Möglichkeit, den Kontakt zwischen Vertretenen und bevollmächtigten bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen sogar vollständig zu unterbinden (Kontaktsperre), erweist sich die Entscheidung des Beklagten, dem Kläger die Fahrt zu seinem Rechtsanwalt nach ... (oder z. B. auch nach Hamburg oder Berlin, wenn er sich dort einen Rechtsanwalt gesucht hätte oder suchen würde) nicht zu erlauben, als nicht unverhältnismäßig.