1. Stimmt eine durch Wohnungswechsel des Klägers in ein anderes Bundesland neu zuständig gewordene Behörde der Fortführung des (Gerichts-)Verfahrens durch die frühere Behörde nach § 3 Abs. 3 LVwVfG zu, so bleibt die früher zuständige Behörde bzw. die sie tragende Körperschaft im Gerichtsverfahren weiterhin bis zur unanfechtbaren Entscheidung über das Klagebegehren passiv legitimiert (im Anschluss an BVerwG NVwZ 1995, 1131).
2. Zur Auslegung des Begriffs "hoch qualifiziert" in § 19 AufenthG (hier: Oberarzt mit Zusatzqualifikationen).
1. Stimmt eine durch Wohnungswechsel des Klägers in ein anderes Bundesland neu zuständig gewordene Behörde der Fortführung des (Gerichts-)Verfahrens durch die frühere Behörde nach § 3 Abs. 3 LVwVfG zu, so bleibt die früher zuständige Behörde bzw. die sie tragende Körperschaft im Gerichtsverfahren weiterhin bis zur unanfechtbaren Entscheidung über das Klagebegehren passiv legitimiert (im Anschluss an BVerwG NVwZ 1995, 1131).
2. Zur Auslegung des Begriffs "hoch qualifiziert" in § 19 AufenthG (hier: Oberarzt mit Zusatzqualifikationen).
(Amtliche Leitsätze)
Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht (§ 124a Abs. 1 VwGO) rechtzeitig eingelegte Berufung (§ 124a Abs. 2 Satz 1 VwGO), die den erforderlichen formellen Anforderungen entspricht (§ 124a Abs. 2 Satz 2 VwGO) und innerhalb der Frist des § 124a Abs. 3 Satz 1 und 3 VwGO rechtzeitig und formal ordnungsgemäß begründet worden ist (§ 124a Abs. 3 Satz 2 und 4 VwGO), hat sachlich keinen Erfolg; die Beklagte ist zu Recht unter Aufhebung der ablehnenden Entscheidungen zur erneuten Entscheidung über den Antrag auf Niederlassungserlaubnis unter Beachtung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts verurteilt worden (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO), weil - entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten - die Tatbestandsvoraussetzungen des § 19 AufenthG im Fall des Klägers vorliegen und daher die ausstehende Ermessensentscheidung durch die Behörde erst noch getroffen werden muss. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
Die Beklagte ist hinsichtlich der von dem Kläger erhobenen Bescheidungsklage, über die nunmehr im Berufungsverfahren zu entscheiden ist, nach wie vor passiv legitimiert. Da der Kläger nach dem verwaltungsgerichtlichen Urteil von Schwäbisch Gmünd nach Regensburg verzogen ist und dort eine neue Stelle als Oberarzt angetreten hat, ist allerdings nunmehr für ihn nach dem hierfür einschlägigen bayerischen Landesrecht grundsätzlich die Stadt Regensburg zuständig. Diese Körperschaft hat jedoch gegenüber der Beklagten ihre Zustimmung zur Fortführung des Verfahrens nach § 3 Abs. 3 der insoweit übereinstimmenden Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder Baden-Württemberg und Bayern erklärt, und die weitere Fortführung des Verwaltungsverfahrens durch die Beklagte dient auch unter Wahrung der Interessen der Beteiligten der einfachen und zweckmäßigen Durchführung des Verfahrens. Der Anwendbarkeit der genannten Vorschrift auf den vorliegenden Fall steht nicht entgegen, dass die Änderung der die behördliche Zuständigkeit begründenden Umstände erst während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens eingetreten ist: Bei einem Verpflichtungsbegehren findet das Verwaltungsverfahren nämlich erst dann seinen Abschluss, wenn über das Begehren unanfechtbar entschieden worden ist (so ausdrücklich BVerwG, Urteil vom 24.5.1995 - 1 C 7/04 -, NVwZ 1995, 1131 m.w.N.; wie hier Knack, VwVfG, 2003, Rn 40 zu § 3; a.A. etwa Kopp/Ramsauer, VwVfG, 2003, Rn 53 zu § 3 m.w.N.).
In dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die Beklagte zu Recht verpflichtet, über den klägerischen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Auch der Senat ist der Auffassung, dass jedenfalls die Tatbestandsvoraussetzungen des § 19 Abs. 1 Satz 1 AufenthG gegeben sind, so dass es einer - bisher nicht vorliegenden - Ermessensausübung durch die Beklagte bedarf.
1. Was die Frage der Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit angeht, so bestimmt § 1 der hier anzuwendenden Beschäftigungsverfahrensverordnung vom 22.11.2004 (BGBl. I S. 2934), dass für die Ausübung von Beschäftigungen nach § 3 der für neu einreisende Ausländer geltenden Beschäftigungsverordnung vom 22.11.2004 (BGBl. I S. 2937) eine Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit nicht erforderlich ist; die damit in Bezug genommene Regelung des § 3 BeschV betrifft Hochqualifizierte der Regelbeispielgruppe nach § 19 Abs. 2 AufenthG. Damit ist die Beschäftigung solcher Ausländergruppen generell zustimmungsfrei. Auf die Zugehörigkeit des Klägers zu einer solchen Regelbeispielgruppe kommt es aber im vorliegenden Zusammenhang nicht entscheidend an: die Bundesagentur für Arbeit hat nämlich unabhängig von § 3 BeschVO im Fall des Klägers der Aufnahme der Tätigkeit als Oberarzt in Regensburg ausdrücklich zugestimmt.
2. Es spricht auch viel dafür, dass der Kläger einem der Regelbeispiele des § 19 Abs. 2 AufenthG - insbesondere § 19 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG - zugeordnet werden kann. Allerdings fällt der Kläger wohl nicht unter § 19 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG (Wissenschaftler mit besonderen fachlichen Kenntnissen). Er war zwar als habilitierter Arzt in der Türkei wissenschaftlich tätig, ist aber nunmehr als Oberarzt im Krankenhaus ... in Regensburg (...) nicht als Wissenschaftler eingesetzt und beschäftigt. Seine Tätigkeit wird vielmehr im wesentlichen durch klinischen Einsatz insbesondere im Kreißsaal und im Bereich der Ultraschalldiagnostik geprägt.
Es spricht jedoch viel dafür, dass der Kläger dem Regelbeispiel des § 19 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG unterfällt. Er kann zwar nicht als "leitender Angestellter" angesehen werden, da dieser Begriff jedenfalls nach seinem arbeitsrechtlichen Verständnis auch Personalverantwortung voraussetzt, die bei dem Kläger nicht vorliegt (siehe BAG, Urteil vom 18.11.1999 - 2 AZR 903/98 -, NZA 2000, 427; LAG Hamm, Beschluss vom 7.7.2006 - 10 TaBV 165/05 -, KH 2006, 1125); sogar die Stellung von Chefärzten als leitende Angestellte ist zweifelhaft (siehe dazu Korthus in KH 2006, 518 m.w.N.).
Allerdings spricht viel dafür, dass der Kläger in seiner jetzigen Stellung in der Klinik ... als Facharzt mit der Zusatzbezeichnung "spezielle Geburtshilfe und Perinatalmedizin" und als sog. DEGUMBerechtigter der Stufe 2 als "Spezialist mit besonderer Berufserfahrung" im Sinn von § 19 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG anzusehen ist. Der spezialisierte praktische Einsatz des Klägers in der Klinik (und nicht nur seine Qualifikation als solche) wird in seiner Zusatzbezeichnung (spezielle Geburtshilfe und Perinatalmedizin) und in dem von ihm erworbenen DEGUM-Grad deutlich. Sowohl in Schwäbisch Gmünd als auch in Regensburg hebt sich der Kläger aufgrund dieser sich auf die tägliche ärztliche Praxis auswirkenden Zusatzqualifikationen von anderen Oberärzten der Klinik deutlich ab. Die speziellen Fähigkeiten des Klägers in den genannten Bereichen ergeben sich auch aus seinen Veröffentlichungen und daraus, dass er hinsichtlich der Ultraschalldiagnostik bei renommierten Instituten in Münster und Wien spezielle Erfahrungen gesammelt hat; er ist gerade für Problemfälle der Geburtshilfe (Steißlage, Diabetes, andere Risikofälle) als Spezialist besonders geeignet. Insofern ist bei ihm auch das Merkmal der "besonderen Berufserfahrung" gegeben.
3. Selbst wenn man jedoch den Begriff des "Spezialisten" nach § 19 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG enger fassen würde, kann dem Kläger gleichwohl tatbestandsmäßig eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden; § 19 Abs. 1 Satz 1 AufenthG stellt insofern eine Auffangvorschrift dar, für deren Vorliegen es auf die einzelnen Tatbestandsmerkmale der Regelbeispiele des § 19 Abs. 2 AufenthG nicht ankommt. Dass der Kläger als (in der Türkei habilitierter) Hochschullehrer und Facharzt mit den genannten Zusatzqualifikationen das allgemeine Merkmal der in § 19 Abs. 1 Satz 1 AufenthG verlangten hohen Qualifikation erfüllt, bezweifelt der Senat nicht. Für diese Berufsgruppe kann nach der genannten Vorschrift "in besonderen Fällen" eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden. Das Merkmal des "besonderen Falles" bezieht sich nach der gesetzlichen Systematik sowohl auf die allgemeine Erteilungsvorschrift des § 19 Abs. 1 Satz 1 AufenthG als auch auf die Regelbeispiele des § 19 Abs. 2 AufenthG (siehe dazu auch VG Stuttgart a.a.O.). Wann im einzelnen ein "besonderer Fall" im Sinn von § 19 Abs. 1 Satz 1 AufenthG gegeben ist, mag in der Praxis schwer abzugrenzen sein; jedenfalls reicht eine qualifizierte Berufsausbildung (vgl. etwa § 18 Abs. 4 AufenthG), insbesondere ein akademischer Abschluss, allein noch nicht aus, um eine Niederlassungserlaubnis zu rechtfertigen. Die Gesetzesbegründung rechtfertigt es allerdings entgegen der Auffassung der Beklagten nicht, § 19 AufenthG nur dort anzuwenden, wo die Schaffung von Arbeitsplätzen erwartet werden kann. Wenn auch in der Entstehungsgeschichte Arbeitsmarktüberlegungen eine Rolle gespielt haben (siehe dazu Bt-Drs. a.a.O.), so ist doch § 19 AufenthG auf alle hochqualifizierten Ausländer anwendbar, an deren Beschäftigung nicht nur ein besonderes wirtschaftliches, sondern auch ein besonderes gesellschaftliches Interesse besteht (siehe dazu auch Hailbronner a.a.O. Rn 1 und 4 zu § 19). Da § 19 AufenthG keine gebundene, sondern eine Ermessensvorschrift ist, besteht im Weg der Ermessensausübung genügend Spielraum, den Besonderheiten des Einzelfalls - im vorliegenden Fall insbesondere den Zusammenhängen zwischen der arztrechtlichen Befugnis (und ihrer Dauer) einerseits und der ausländerrechtlich zu erfassenden Aufenthaltsdauer andererseits - gerecht zu werden. Auch dies spricht dafür, das ohnehin schwer einzugrenzende Tatbestandsmerkmal des "besonderen Falls" (s. auch Hailbronner a.a.O. Rn 17 zu § 19) nicht zu eng auszulegen. Für eine eher großzügige Auslegung der Vorschrift spricht auch, dass die praktische Handhabung der ausländerrechtlichen Vorschriften in diesem Bereich inzwischen als zu restriktiv empfunden wird (siehe dazu den Bericht der OECD zur Zuwanderung Hochqualifizierter, teilweise wiedergegeben in: Süddeutsche Zeitung, 26. Juni 2007, S. 1). Die Tatsache, dass der Kläger der Regelgruppe des § 19 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG zumindest sehr nahesteht und dass eine zweimalige Ausschreibung der in Regensburg von ihm betreuten Stelle ohne Erfolg geblieben ist - deutsche Ärzte mit entsprechender Qualifikation standen also nicht zur Verfügung, um die ärztliche Versorgung in dem hier interessierenden Bereich ausreichend sicherzustellen - , rechtfertigt jedenfalls die Annahme eines besonderen, durch den Kläger gedeckten Bedarfs und damit einer ausreichenden Atypik.