VG Frankfurt a.M.

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Zitieren als:
VG Frankfurt a.M., Urteil vom 30.05.2007 - 2 E 614/04.A(1) - asyl.net: M11134
https://www.asyl.net/rsdb/M11134
Leitsatz:
Schlagwörter: Afghanistan, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Frauen, Flüchtlingsfrauen, alleinstehende Frauen, allgemeine Gefahr, extreme Gefahrenlage, Erlasslage, Abschiebungsstopp
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1
Auszüge:

Die Voraussetzungen für Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 AufenthG sind gegeben.

Nach Auffassung des Gerichts geriete die Klägerin im Falle ihrer Rückkehr nach Afghanistan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in eine ausweglose und sie bei Leib und Leben bedrohende Situation, weil sie nach ihrer glaubhaften Darstellung über keine aufnahmebereiten Verwandten in Afghanistan mehr verfügt.

Nach der gegebenen Auskunftslage haben Frauen, die nicht in noch bestehende Familien- oder Stammesstrukturen zurückkehren können, die ihnen bei einer Wiedereingliederung behilflich sind, in der Regel keine Möglichkeit, sich selbst den Lebensunterhalt zu erarbeiten und eine adäquate Unterkunft zu erlangen (vgl. etwa Arendt-Rojahn u.a., Rückkehr nach Afghanistan, Reisebericht vom Juni 2005, Seite 22 ff, 48 f; vgl. auch die Ausführungen des Auswärtigen Amtes im Lagebericht vom 13.07.2006, Seite 20 ff). Dies gilt nach Beurteilung des Gerichts für die angesonnene Aufenthaltnahme in Kabul, wo die Klägerin als Kind lebte, aber auch für Kandahar, wo sie in den letzten beiden Jahren vor ihrer Ausreise bei ihrer älteren Schwester wohnte.

Bei diesen Gegebenheiten hat die Klägerin Anspruch auf eine positive Feststellungsentscheidung der Beklagten zu § 60 Abs. 7 AufenthG. Diese ist hier auch nicht etwa im Blick auf die bestehende Erlasslage zu verwehren. Nach dem Erlass des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport vom 27.07.2005 ist auch für alleinstehende Frauen die Rückführung nach Afghanistan vorgesehen. Die dort dazu enthaltene Bestimmung, dass diese Rückführung erst nach allen anderen Personengruppen zu erfolgen habe (dort unter B), stellt – auch bei Berücksichtigung der vorgesehenen Möglichkeit, eine auf sechs Monate befristete Duldung zu erlangen – keinen anderen gleichwertigen Schutz gegenüber einer hier nicht gegebenen Entscheidung nach § 60a AufenthG dar, der hier die Durchbrechung der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG verbieten würde.