FG Düsseldorf

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Zitieren als:
FG Düsseldorf, Urteil vom 29.05.2007 - 10 K 174/06 Kg - asyl.net: M10841
https://www.asyl.net/rsdb/M10841
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Kindergeld, Aufenthaltserlaubnis, Aufenthaltsbefugnis, subsidiärer Schutz, Erwerbstätigkeit, geringfügige Beschäftigung
Normen: EStG § 62 Abs. 2; AufenthG § 25 Abs. 3; AuslG § 30; EStG § 52 Abs. 61a S. 2
Auszüge:

Der Kläger hat nach den Regelungen des EStG einen Anspruch auf Bewilligung von Kindergeld für den Zeitraum von Mai 2004 bis November 2005.

Das ergibt sich aus der auch von den Beteiligten zur Beurteilung des Sachverhalts herangezogenen Neufassung des § 62 Abs. 2 EStG, denn diese ist für alle Zeiträume anzuwenden, in denen das Kindergeld noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist (§ 52 Abs. 61 a Satz 2 EStG in der Fassung des Gesetzes vom 13. Dezember 2006).

Für den Kläger ergibt sich der Anspruch aus den Bestimmungen des § 62 Abs. 2 Nr. 2 und 3 EStG. Er hält sich seit mindestens drei Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Ferner ist er seit dem 20.6.2005 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis im Sinne des § 25 Abs. 3 (AufenthG), die zu einer Erwerbstätigkeit berechtigt.

2. Entgegen der Auffassung der Beklagten stellt der Wortlaut des Gesetzes mit der einfachen Formulierung "erwerbstätig" keine Anforderungen zur Art und zum Umfang dieser Tätigkeit auf. Insbesondere kann aus dem Wortlaut des Gesetzes nicht die Voraussetzung einer Vollzeitbeschäftigung abgeleitet werden (vergl. dazu bereits die Entscheidung des erkennenden Senats vom 20. März 2007 - 10 K 226/04 Kg, noch nicht veröffentlicht).

Auch der Sinn des Gesetzes erfordert nicht die Auslegung des Begriffs "erwerbstätig" im Sinne der Rechtsauffassung der Beklagten. Der Senat sieht nämlich in den in § 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe b EStG normierten Voraussetzungen lediglich weitere Kriterien zu der für die Bewilligung von Kindergeld vom Gesetzgeber als notwendig erachteten Prognose, ob ein Ausländer vermutlich auf Dauer im Bundesgebiet verbleiben werde.

Die Entscheidung des Gesetzgebers, eine entsprechende Regelung für die Fallgruppe des § 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe c EStG nicht zu schaffen, ist darauf zurückzuführen, dass die dort genannten Aufenthaltstitel einen vorläufigen Charakter haben. In den genannten Fällen handelt es sich nämlich regelmäßig um Ausländer, die vor Erhalt der Aufenthaltserlaubnis zur Ausreise verpflichtet waren, und es erschien dem Gesetzgeber offenbar nicht gerechtfertigt, eine Prognose über den weiteren Aufenthalt in Deutschland allein darauf zu stützen, dass sie dieser Verpflichtung aus eigenem Entschluss nicht gefolgt sind. Vielmehr hat er die Grundlage für eine verlässliche Prognose über die Feststellung weiterer objektiv erkennbarer Indizien zur Verfestigung des Aufenthalts im Inland verbreitern wollen und hierbei Kriterien ausgewählt, die auf eine fortschreitende Integration im Inland hindeuten oder diese fördern (zeitlicher Anknüpfungspunkt, rechtmäßiger Aufenthalt). Dazu wiederum gehört auch die vom Gesetz geforderte Erwerbstätigkeit (§ 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe b EStG), denn diese fördert ebenfalls die Integration, und zwar unabhängig von deren Umfang. Sprachliche und fachliche Kenntnisse und Fähigkeiten werden ausgebaut und die wirtschaftliche Selbständigkeit wird gestärkt. Zudem zeigt auch eine zeitlich begrenzte berufliche Tätigkeit (Missbrauchsfälle möglicherweise ausgenommen), dass ein Ausländer sich nicht ausschließlich auf die im Inland existierenden Sozialsysteme verlassen, sondern selbst einen Beitrag für den eigenen Lebensunterhalt leisten will. Hinzu kommt, dass gerade eine zeitlich begrenzte Tätigkeit vielfach von Arbeitnehmern und der Arbeitsverwaltung dazu genutzt wird, Arbeitgebern die Möglichkeit zu geben, sich von den persönlichen und fachlichen Fähigkeiten eines Bewerbers zu überzeugen, oder dem Bewerber in der Zeit der geringfügigen Beschäftigung die für eine Vollzeitbeschäftigung notwendigen Fertigkeiten zu vermitteln. So ist es offenbar auch im Streitfall geschehen, denn nach seinen Auskünften in der mündlichen Verhandlung übt der Kläger nunmehr eine Vollzeitbeschäftigung aus.

Auch soweit die Beklagte für die gesetzlich geforderte Erwerbstätigkeit eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit verlangen will, führt dies im Streitfall nicht zu einer anderen Beurteilung. Zum einen ist dem Wortlaut des Gesetzes eine derartige Einschränkung nicht zu entnehmen. Zum anderen hat ein Arbeitgeber seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 388) auch im Falle einer geringfügigen Beschäftigung gemäß § 249 b des Fünften Buches Sozialgesetzbuch und § 172 Abs. 3 bzw. § 168 Abs. 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch Beiträge an die Träger der Kranken- bzw. Rentenversicherung abzuführen, wodurch wiederum die sozialen Versicherungssysteme gestärkt werden.